Öffentliches Internet:Komm in mein Wlan

Freifunker lassen wildfremde Menschen bei sich zuhause mitsurfen. Konzerne dagegen wollen mit öffentlichem Internet Geld verdienen. Die Bundesregierung könnte beiden nun das Leben erleichtern - und die Wlan-Versorgung in Deutschland verbessern. Mit interaktiver Karte.

Von Larissa Holzki

Wer bei Tobias Opitz vor der Haustür steht, wird hineingelassen. Man muss nicht mal seinen Namen sagen, um in sein digitales Zuhause zu spazieren. Der Zugang zum Internet ist dem 31-Jährigen aus Wermelskirchen so wichtig wie Wasser, Strom und Heizung, sagt er. Deshalb ist er Freifunker und teilt seinen Internetzugang mit der Allgemeinheit. Jeder kann darauf in wenigen Klicks zugreifen.

Was Opitz macht, hat nichts mit den Gewinnmaximierungsabsichten der Internetanbieter zu tun, die mittlerweile auch auf öffentlichen Plätzen Wlan anbieten. Der Freifunker und seine Mitstreiter wollen, dass am Ende jeder jedem seine Bandbreite zur Verfügung stellt. Es soll sozusagen ein real funkender Sozialismus entstehen. Opitz hofft, dass es bald an jeder Ecke in Deutschland kostenlos Internet gibt. Das galt lange als Illusion, aber jetzt ändert es sich - zumindest ein bisschen.

An diesem Mittwoch wird die Bundesregierung ihre digitale Agenda vorstellen. Darin wird auch vorgeschlagen, die Störerhaftung neu zu regeln. Bisher erlegt das Gesetz den Betreibern von Wlan-Netzen eine Haftungspflicht auf. Werden über einen Internetanschluss etwa illegal Filme heruntergeladen, bekommt vor allem den Besitzer des Anschlusses Probleme. Künftig wird die Haftungspflicht wohl gelockert werden, so dass zumindest Cafés oder Bars ohne juristische Bedenken ein offenes Wlan betreiben können.

Tobias Opitz und die Freifunk-Community Wermelskirchen wollen Teil einer unabhängigen Infrastruktur für den Datenverkehr sein. Fast überall gibt es Menschen, die einen Internetzugang haben und ihn nicht voll ausnutzen. Gleichzeitig laufen Menschen mit Smartphones oder Tablets durch die Straßen und haben kein Internet oder mit ihrem Vertrag schlechten Empfang. Wenn jeder etwas abgibt, kann jeder etwas bekommen, meinen die Freifunker. "Wir wollen nicht den privaten DSL-Anschluss ersetzen", sagt Opitz. Aber jeder soll Freifunk nutzen können, selbst wenn er sich nicht aktiv an der Szene beteiligt.

Deutschland, nicht eben ein Vorreiter in Wlan-Politik, holt langsam auf, nicht nur in den technikbegeisterten Zirkeln der Freifunker. Eine Stadt nach der anderen versorgt zumindest ihre zentralen Orte mit Wlan. Düsseldorf ist schon vernetzt, Pforzheim auch. An den Hamburger Landungsbrücken, am Münchner Marienplatz, auf dem Marktplatz in Reutlingen und an mehr als 100 Bahnhöfen bundesweit sind Hotspots installiert, Zubringer zum Internet. Sie werden von Telekom-Firmen, Kabelnetzbetreibern, Werbefirmen, Vereinen und den Kommunen selbst aufgestellt.

Die Städte wollen sich modern präsentieren. Nach dem Motto: Wir sind im digitalen Zeitalter angekommen, statt Telefonzellen haben wir Hotspots. Die kommerziellen Anbieter betreiben die Hotspots natürlich nicht umsonst. Nach einer halben Stunde ist meist Schluss mit kostenlosem Surfen, dann müssen Nutzer zahlen. Die Gratis-Phase reicht vielleicht für ein paar Mails und einen Chat auf Facebook, aber kaum zum Arbeiten.

Öffentliches Wlan in den größten deutschen Städten

Die blauen Punkte auf der Karte zeigen, welche Projekte Gemeinden, Konzerne und Freifunker in den 25 größten deutschen Städten anbieten. Als öffentliches Wlan gilt hier nur ein Internetzugang an einem öffentlichen Ort, deswegen sind Cafés und ähnliche Räume mit Wlan nicht aufgeführt. Falls die Karte nicht mehr aktuell ist, können Sie uns gerne per E-Mail informieren.

Hotspot-Anbieter wollen Daten - und Geld verdienen

Gebremst wurden solche Bemühungen bislang durch die Rechtsunsicherheit. Schließlich haftet derzeit noch der Betreiber, falls Nutzer zum Beispiel Songs illegal herunterladen. Das will niemand riskieren. Noch versuchen viele Anbieter öffentlicher Hotspots, sich abzusichern. Einige sperren Tauschbörsen für Songs und Videos, rechtsradikale und jugendgefährdende Seiten von vornherein.

Die Betreiber fordern von ihren Nutzern außerdem erst Name, Handynummer und E-Mailadresse, bevor sie den Zugang zum Netz freigeben. So, das hoffen sie zumindest, können sie im Notfall ermitteln, wer gegen Gesetze verstoßen hat und ihn zur Rechenschaft ziehen lassen. Diese Strategie schreckt wiederum Nutzer ab: 19 Prozent der Befragten erklärten die Registrierung an Wlan-Hotspots in einer Umfrage von Kabel Deutschland für zu umständlich.

Wer im Eiscafé Venezia in Wermelskirchen einen Schoko-Becher bestellt, kann zum Beispiel im Wlan von Ruben Wisniewski surfen, der ganz in der Nähe wohnt. Der 25-Jährige entwickelt den Großteil der Software für die Community und hat keine Angst, sein Netz zu öffnen: "Die Nutzer haben keinen Zugriff auf meine Daten, sie nutzen nur freie Kapazitäten." Freifunker haben spezielle Router, die den öffentlichen vom privaten Anschluss trennen. Wisniewski sieht nicht, wer sein Netz nutzt und was derjenige sich anschaut. Andersherum ist es genauso. Freifunker gibt es inzwischen fast überall in Deutschland. Besonders aktiv sind sie im Rheinland, in Berlin, Hamburg, Lübeck, Oldenburg und Weimar. Auch die Piratenpartei setzt sich für diese Art freier Netze ein. Im Dresdner Alaunpark bietet sie selbst Freifunk an.

Das Potenzial privater Router haben inzwischen auch kommerzielle Anbieter entdeckt. "Wlan to go" nennt die Telekom den Deal mit ihren Kunden, bei dem Nutzer die ungenutzte Bandbreite des eigenen DSL-Anschlusses freigeben und im Gegenzug an allen Telekom-Hotspots deutschlandweit kostenlos im Netz surfen dürfen. Auch Kabel Deutschland setzt auf den Netzwerkeffekt vieler Wlan-Zugänge: Seit vergangenem Jahr macht das Unternehmen die "Homespots" seiner Nutzer für Dritte nutzbar - das ist mittlerweile die Voreinstellung auf jedem normalen Wlan-Router des Unternehmens. Kunden müssen der Verwendung ihres Zugangspunktes aktiv widersprechen, wenn sie ihn nicht freigeben wollen. Wer sich beteiligt, kann im Gegenzug alle anderen Hotspots von Kabel-Deutschland-Kunden nutzen.

Erst kostenlos, dann kostenpflichtig

Sicherheitshinweis: Private Daten im öffentlichen Wlan

Wer in einem öffentlichen Wlan unterwegs ist, sollte sich bewusst sein, dass seine Daten mitunter sehr leicht für andere Leute mitlesbar sind. Deswegen sollten wichtige Informationen wie die Facebook-Login-Daten oder das Passwort für einen E-Mail-Anbieter nur übertragen werden, wenn die Internetseite eine https-Verbindung aufgebaut hat. Erkennbar ist dies in modernen Browsern an einem kleinen Schloss - und eben am "s" hinter http in der Adresszeile, das für "sicher" steht. Noch besser gegen Spähattacken hilft VPN-Software. Sie schickt die Daten durch einen virtuellen Tunnel und schirmt sie so vor den neugierigen Blicken anderer ab, die im selben Wlan unterwegs sind.

Zeit oder Datenvolumen sind bei den meisten kommerziellen Angeboten begrenzt. Sie sollen potenzielle Kunden nur auf den Geschmack bringen. An den Kabel-Deutschland-Hotspots können Smartphonenutzer 30 Minuten am Tag kostenlos ins Internet. Das reicht etwa, um zweimal E-Mails abzurufen, eine zu beantworten, die Busverbindung herauszufinden und vielleicht den Facebookstatus zu aktualisieren. Für alle, die unterwegs im Internet arbeiten möchten, lohnt es sich aber kaum, den Computer hochzufahren. In der Hamburger Hafencity dürfen Touristen und Einheimische zwar eine Stunde kostenlos ins Telekom-Netz, allerdings nur am Stück. Wer die Bundesliga verfolgen will, sollte sich also erst zur zweiten Halbzeit einwählen, damit er auch die Endergebnisse noch gratis abrufen kann.

Nach der Gratisphase kann gegen Bezahlung weitergesurft werden. Für Kunden des jeweiligen Betreibers ist der Internetzugang meist rund um die Uhr kostenlos. Andere Anbieter setzen kein Limit. Sie finanzieren den Betrieb mit Werbung auf der Startseite, die bei jedem Nutzer automatisch bei der Auswahl des Wlan-Netzes angezeigt wird. Diese Strategie verfolgt zum Beispiel ein österreichisches IT-Unternehmen in der Aalener Innenstadt. Die Wall AG verdient ihr Geld mit Außenwerbung und versorgt Plätze in Düsseldorf mit Netz. Sie will mit den Wlan-Aufklebern die Aufmerksamkeit auf seine elektronischen Werbetafeln lenken, in die die Hotspots integriert sind.

Helfen die geplanten Gesetzesneuerungen am Ende wieder nur kommerziellen Anbietern? Was ist mit Privatpersonen, die andere über ihr Netz surfen lassen - ob aus Versehen oder aus Bürgersinn wie die Freifunker? Lukas Lamla, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Piratenpartei im nordrhein-westfälischen Landtag und Freifunker, fürchtet, dass die Bundesregierung manches übersieht: "An bürgerliche Initiativen wie zum Beispiel Freifunk wurde noch nicht gedacht", sagt er. Wenn sie rechtlich abgesichert wären, hoffen die Freifunker, können sie ihre Revolution endlich mit voller Kraft vorantreiben.

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