Elektrogeräte-Hersteller Braun vor dem Verkauf:Bewundert, aber erfolglos

Elektrogeräte-Hersteller Braun vor dem Verkauf: Die Welt von Dieter Rams: Der Braun-Designer entwarf viele Produkte für das Unternehmen aus Hessen. Im Uhrzeigersinn von links oben: Küchenmaschine, Kaffeemaschine, Uhr und Radio.

Die Welt von Dieter Rams: Der Braun-Designer entwarf viele Produkte für das Unternehmen aus Hessen. Im Uhrzeigersinn von links oben: Küchenmaschine, Kaffeemaschine, Uhr und Radio.

(Foto: PR)

Ob Mixer oder Plattenspieler - die frühen Produkte des Elektrogeräte-Herstellers Braun sind Ikonen des Designs, selbst Apple hat schon abgekupfert. Nun soll die Firma verkauft werden. Was bleibt vom Mythos?

Von Angelika Slavik

Beim Internetportal Youtube gibt es knapp 10 000 Videos zum Suchbegriff Dieter Rams. In einem davon sieht man, wie Rams einen Bonsai schneidet. Mit einer Art Garten-Nagelschere. Rams, Sonnenbrille, kurze Hose, erzählt dabei etwas über japanische Gartenkultur. Darüber, dass in Japan überhaupt dauernd etwas geschnitten werden müsse. Es sei dort üblich, die Natur viel stärker "zu designen" als bei uns. "Das ist toll, oder?", sagt er und lacht.

Dieter Rams, 82, ist der Mann hinter einem Mythos. Bevor er sich für Bonsais begeisterte, war der in Wiesbaden geborene Rams Chef-Designer des Elektrogeräte-Herstellers Braun. Die Produkte des Unternehmens, die unter seiner Ägide entstanden, hoben den ästhetischen Anspruch von Alltagsgegenständen auf ein damals völlig neues Niveau. As little design as possible, so wenig Design wie möglich, heißt eine Biografie über Rams. Es war dieses Leitmotiv, das die Braun-Produkte ausmachte: die Reduzierung auf das absolut Notwendige.

Rams wird nun also seit Jahrzehnten als Papst des Industriedesigns verehrt. Die Geschichte des Unternehmens, das er maßgeblich geprägt hat, war weitaus wechselvoller. Jetzt scheint erneut ein Umbruch bevor zu stehen: Braun soll verkauft werden. Der derzeitige Eigentümer, der US-Konsumgüterkonzern Procter & Gamble, setzte Braun auf die Liste von gut einhundert Marken, von denen man sich trennen wolle. Das sickerte zu Wochenbeginn aus Konzernkreisen durch. Offizielle Anfragen an das Unternehmen zum Thema blieben unbeantwortet.

Wie viel Faszination steckt noch in der Marke Braun?

Aber die Frage ist: Was ist denn noch übrig vom Mythos von einst? Wie viel Faszination steckt noch in der Marke Braun?

1921 wurde das Unternehmen vom Ingenieur Max Braun gegründet, nach seinem Tod 1951 übernahmen die Söhne die Leitung der Firma aus Kronberg im Taunus. Unter ihrer Führung entwickelte Braun einen höheren Anspruch in Sachen Gestaltung und heuerte eine Reihe berühmter Designer an - darunter auch Dieter Rams.

Es entstanden Produkte wie der als "Schneewittchensarg" berühmt gewordene Braun SK4, eine Kombination aus Radio und Plattenspieler mit einem Deckel aus Acrylglas. Und, natürlich, die Elektrorasierer: Was mit dem S50 begann, entwickelte sich rasch zu einer profitablen Sparte, besonders Mitte der Sechziger Jahre stieg die Nachfrage rasant.

Das blieb auch der Konkurrenz nicht verborgen: Der Erfolg weckte Begehrlichkeiten beim amerikanischen Hersteller Gillette, der sich auf Nassrasierer spezialisiert hatte. 1967 machte Gillette den Braun-Brüdern ein Übernahme-Angebot. Seither ist die Design-Ikone aus dem Taunus, die deutsche Traditionsmarke Braun, ein US-Betrieb.

Dem Erfolg tat das keinen Abbruch, Braun-Produkte prägten die Alltagsästhetik nicht nur der Deutschen über Jahrzehnte. Rasierer, Kaffeemaschinen, Plattenspieler, Entsafter, Taschenlampen, Heizlüfter. Es war von Braun. Und es war schön.

Ästhetik bringt noch keinen Umsatz

Dennoch begann es im Unternehmen zu rumpeln, vor allem in der Sparte der HiFi-Anlagen: Es wurde ausgegliedert, umbenannt, zurückgekauft, wieder umbenannt. Schön waren die Produkte immer noch, aber auch ziemlich teuer. Und schlecht kompatibel mit anderen Geräten. Der wirtschaftliche Erfolg blieb aus: Ästhetik bringt noch keinen Umsatz.

Ein letztes Mal steckte Braun Geld in diese Sparte - 2,5 Millionen D-Mark kostete die Werbekampagne, mit der das Unternehmen die "Last Edition" bewarb, die letzte Produktgeneration vor der Einstellung. Dann, 1991, war die Ära der Braun-Musikgeräte vorbei.

2005 kaufte schließlich Procter & Gamble den Braun-Mutterkonzern Gillette: Fortan war die Design-Ikone nur noch eine von vielen hundert Marken in einem der größten Konzerne der Welt. 2012 verscherbelten die neuen Eigentümer einen Teil der Namensrechte und ein paar Patente an den italienischen Hersteller De'Longhi. Für die Verbraucher ist die Sache seither kompliziert zu durchschauen: Ein Stabmixer und ein Rasierer mit dem gleichen Markennamen kommen heute von zwei unterschiedlichen Unternehmen.

"Am Beispiel von Braun sieht man, wie langlebig Markenkapital ist, schließlich wurde mit dem Namen in den vergangenen Jahren nicht gerade pfleglich umgegangen", sagt Klaus-Dieter Koch, Chef des Nürnberger Beratungsunternehmens Brandtrust. Trotz aller Verwerfungen genieße die Marke Braun auch heute noch "sehr, sehr hohes Ansehen. Und zwar nicht nur in Deutschland, sondern auch weit über die Grenzen hinaus."

Apple macht gar kein Geheimnis daraus, dass es bei Braun abkupfert

Ja, über die Grenzen - die Bewunderung für Braun-Produkte machte jedenfalls auch vor Jonathan Ive nicht halt. Ive ist der Chefdesigner von Apple, einem Unternehmen, das heute vielen als wegweisend in Sachen Produktdesign gilt. Aber eine große Zahl der Apple-Produkte ist an die Braun-Geräte der 1960er Jahre angelehnt: Der Mac Pro erinnert an Brauns Radio T1000, der iMac an einen Braun-Lautsprecher LE1. Und der Musikspieler iPod an Brauns Pocket Radio T3.

Natürlich ist das kein Zufall. Apple-Designer Ive machte aus seiner Begeisterung für Braun und dessen Chef-Ästhetiker Rams nie ein Hehl. Die Gestaltung der Apple-Produkte von heute ist ein Zitat der Braun-Produkte von gestern. Ein Zitat? Oder eine Kopie? Sein französischer Designer-Kollege Philippe Starck, seinerseits bekannt für exzentrische Stühle aus Plexiglas, habe ihn einst aufgeregt auf die Ähnlichkeit von Apples Design zu seinen Entwürfen hingewiesen, erzählte Rams einmal in einem Interview.

Er störe sich aber nicht daran. Schließlich habe Ive höchstselbst ihm mal einen iPod geschickt - mit einem Brief, in dem stand, "dass er ein großer Bewunderer meiner Arbeit" sei.

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