Finanzberatung für Frauen:"Das Depot meiner Frau läuft besser"

Rat ohne Wichtigtuer und Fachbegriffe: Seit mehr als 30 Jahren gibt es eine spezielle Finanzberatung für weibliche Anleger. Dabei geht es um mehr als nur Geld - kein Wunder, dass nun auch immer mehr Männer zu den Beraterinnen kommen.

Von Lea Hampel

Das Foto ist bezeichnend: Die junge Frau liegt im Gras in der Sonne. Nachdenklich macht sie Notizen in einem roten Buch. Ziemlich unwahrscheinlich, dass sie gerade ihre Rente kalkuliert. Das dachten sich vermutlich auch die Marketingstrategen der Sparkasse Nürnberg. Das Foto ziert die Rubrik "Online-Angebot für Frauen" auf deren Website. Darunter steht: "Es mag spannendere Themen geben als die eigene Altersvorsorge. Aber wohl kaum eins, das sich mehr für Sie lohnt".

Auf Seiten anderer Banken sind Frauen in Hängematten zu sehen. Die implizite Botschaft lautet: Zwar sind die Zeiten vorbei, in denen Frauen monatlich Haushaltsgeld bekamen, aber assoziiert werden mit ihnen immer noch eher Blumenwiesen als Aktienkurse.

Seit 30 Jahren wächst der Markt

Und doch, der Gedanke, Frauen und Geld sei ein Spezialthema, ist weder neu noch zwangsläufig diskriminierend. Seit über 30 Jahren gibt es Finanzberatung eigens für Frauen. Oft entstand die Idee dazu in frauenbewegter Umgebung. Heide Härtel-Herrmann, 61 Jahre, ist von Anfang an dabei. Sie arbeitete in den 1980er-Jahren in der Finanzbranche und sah stets dieselben Beispiele: Wurde die Vermögensstrategie einer Familie geplant, kamen ein berufstätiger Vater, eine Hausfrau, ein Sohn und eine Tochter vor. Keine Alleinerziehenden, keine Geschäftsfrauen, keine Geschiedenen - keine Realität.

Damals ärgerte sich Härtel-Herrmann und gründete den Frauenfinanzdienst in Köln. Seitdem wächst der Markt. Einige Vertreterinnen sind so bekannt wie Svea Kuschel und Kolleginnen, andere Angebote heißen frau&geld oder Frauenvermögen, längst gibt es die Finanzfachfrauen.

Eine von ihnen ist Barbara Rojahn, 60 Jahre. Als sie vor 21 Jahren ihre Beratung begann, kamen in ihr Stuttgarter Büro vor allem Frauen jenseits der 50, für die Geld unfreiwillig Thema wurde. "Einige hatten plötzlich kein Geld oder große Summen, zum Beispiel durch Erbschaft oder Scheidung", sagt sie.

Auch heute hat sie solche Fälle. Aber immer häufiger sitzen in ihrem Büro junge Frauen, oft Akademikerinnen und Ingenieurinnen: "Sie sehen, was bei ihren Müttern falsch gelaufen ist und wollen es besser machen", sagt die Beraterin. Je öfter Frauen eigenes Geld haben, desto eher setzen sie sich damit auseinander.

Viele Frauen ticken anders als Männer

Stellt sich nur die Frage, ob sie eine eigene Beratung brauchen. Denn ihre Anliegen sind die gleichen wie die der Männer: Sie wollen für Notfall und Alter vorsorgen. "Die Haltung 'Wenn ich nichts mache, mache ich nichts falsch' findet sich bei beiden Geschlechtern. Männer wie Frauen recherchieren ausführlich Handytarife, aber nicht ihre Altersvorsorge", sagt Annabel Oelmann von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen.

Auch Beraterin Härtel-Herrmann glaubt: "Die Unterschiede innerhalb der Gruppe der Frauen sind größer als die zwischen Männern und Frauen." Sie hat ihre Kundinnen befragt. Kommen sie zu ihr, weil sie kompetent ist? Oder weil sie eine Frau ist? Vom Ergebnis war sie überrascht: Kompetente Beratung ist wichtig, aber am liebsten von einer Frau.

"Fast niemand hat Lust auf das Thema Finanzen"

Dahinter steckt ein Phänomen, über dessen Ursachen man streiten kann, und das wie alle Pauschalurteile nicht die ganze Wahrheit wiedergibt, bei dem sich Experten aber einig sind. Viele, wenn auch nicht alle Frauen, ticken in Bezug auf Geld anders als Männer. Wie genau, scheint schwer zu sagen. Einige Studien besagen, Frauen seien die besseren Anleger, andere Untersuchungen zeigen, dass weibliche Anleger keine höheren Gewinne verzeichnen als männliche.

Erklärungen, warum Frau gern zu Frauen geht, haben Expertinnen trotzdem. "Fast niemand", sagt Annabel Oelmann, die bei der Verbraucherzentrale auch selbst berät, "hat Lust auf das Thema Finanzen." Bei Frauen seien die Rahmenbedingungen noch problematischer: Sie hätten oft weniger Geld für eine durchschnittlich längere Lebensspanne. Der Blick auf die finanzielle Zukunft fällt da schwerer - vor allem, wenn das Gegenüber die Situation nicht nachempfinden kann.

Aus Sicht der Beraterinnen spielen weitere Faktoren eine Rolle. Frauen haben eher Angst, gegenüber den Experten in der Bank als inkompetent dazustehen. "Gerade in der Finanzbranche gibt es viel Gehabe, ein spezielles Vokabular, viele Wichtig-wichtig-Männer", sagt Härtel-Herrmann. Stoßen unsichere Frauen auf einen Bankberater, der Fachbegriffe herunterrasselt, schreckt sie das ab.

Aus diesen Besonderheiten haben die Finanzberaterinnen eigene Konzepte entwickelt. Barbara Rojahn schickt vor dem ersten Termin eine Mappe an ihre Kundinnen. Darin ein Haushaltsbogen für sämtliche Ausgaben von der Müllabfuhr über Busfahrkarten bis zur Rentenversicherung und Anregungen, über welche Fragen sie nachdenken sollten. Im Gespräch stellt Rojahn vor allem Fragen. Und ermuntert die Kundinnen, das Gleiche zu tun. "Manche Sachen, wie den Rentenbescheid, hat denen noch nie jemand erklärt", sagt sie.

Grundsätzliche Fragen der Lebensplanung

Sitzen sie mit den Kundinnen zusammen, geht es nicht nur um fertige Lösungen - sondern um grundsätzliche Fragen der Lebensplanung. "Viele wollen einen Check-up: Wo stehe ich, wo will ich hin, wie komme ich dorthin", sagt Barbara Rojahn. Manche Kundinnen haben Schwierigkeiten, ein Erbe anzutreten, weil sie zur Person, die ihnen das Geld vermacht, ein ambivalentes Verhältnis hatten. Oder sie sahen, wie zuletzt eine Kundin von Härtel-Herrmann, Geld bisher nur als etwas, das man bewahren sollte. Und nicht als etwas, das sich in Genuss umsetzen lässt. "Ein wenig ist das, was ich da mache, auch Lebensberatung", sagt sie.

Ausführliche Beratung funktioniert auch bei Männern besser

Doch nicht nur das Wie, sondern auch das Was ist anders. Zwar lehnen die meisten Berater spezielle auf Frauen zugeschnittene Produkte ab. Aber viele Kundinnen wollen genau wissen, was mit ihrem Geld geschieht. "Die Gewissheit, nicht in moralisch-ethisch problematische Bereiche Geld zu stecken ist ihnen wichtig", sagt Härtel-Herrmann. Zum anderen gehen sie weniger Risiko ein, oft weil sie es sich nicht leisten können. "Viele Frauen investieren nicht mal eben, bloß weil eine Zehn-Prozent-Rendite lockt", sagt Rojahn.

Doch das scheint das nicht nur auf Frauen zuzutreffen. Während bei Heide Härtel-Herrmann früher jeder fünfte Kunde männlich war, ist es heute jeder dritte, Tendenz steigend. Und auch zu Barbara Rojahn kommen immer wieder Männer, deren Frauen schon Kundinnen sind. "Manche sagen: Das Depot meiner Frau läuft besser als meines", hat sie erlebt. Die Ursache sieht Verbraucherschützerin Oelmann aber nicht in höherer Rendite, sondern in noch immer unzureichender Bankberatung, ohne Nachfragen und voller Fachbegriffe.

"Wir haben in Tests sogar schon erlebt, dass in einem Beratungsgespräch zum Immobilienkauf nicht nach den Einnahmen und Ausgaben gefragt wurde." Das schrecke auch Männer ab, die immer öfter den Dialog suchten. "Selbst gut vorbereitete Verbraucher wünschen sich jemanden, mit dem sie darüber sprechen können, und wollen Feedback, ohne dass ihnen etwas verkauft wird", sagt Oelmann. Sie kann sich gut vorstellen, dass eine Beratung, die auf ausführliche Erklärungen setzt, auch bei Männern funktioniert. Heide Härtel-Herrmanns Motto lautet längst: "Ich berate Frauen und nette Männer.

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