Hippe kleine Städte-Schwestern:Wien? Ah, geh! Lieber nach Graz

Wien - Graz

Wien und der Prater - so liebenswert angestaubt, wie ein Sissi-Film. Spannender als die österreichische Hauptstadt ist Graz mit seinem "Friendly Alien".

(Foto: World travel images/Fotolia - Creativemarc/Fotolia)

Prunk, Prater, Kutschfahrten - Wien ist so liebenswert wie ein alter Sissi-Film und ebenso angestaubt. Warum nicht nach Graz? Österreichs Nummer zwei hat ebenfalls Klasse, ist dabei aber frisch und überraschend.

Von Sarah K. Schmidt

Mit Tausenden anderen vor Museen die Füße platt stehen, an völlig überhöhten Hotelpreisen verzweifeln und das klassische Sightseeing-Programm abspulen? Das muss nicht sein, denn es gibt lohnende Alternativen zu den überlaufenen Tourismus-Hotspots Europas. Kleine Städte-Schwestern bieten viel, zu günstigeren Preisen und ohne Anstehen. Für ein entspanntes verlängertes Wochenende sind sie nicht die zweite, sondern die erste Wahl. Wir stellen wöchentlich die schönsten vor.

Graz statt Wien

Wien - ja mei. Was soll man dazu noch sagen? Österreichs Hauptstadt atmet den Geist der Geschichte. Prunk, Glanz und Gloria der alten Habsburger. Dazu Kultur (die mittlerweile aber meist tot auf dem Zentralfriedhof herumliegt). Kaffeehäuser, Kutschfahrten, Prater und Sacher-Torte - das alles ist so liebenswert und angestaubt wie die Sissi-Filme. (Wenn Sie trotzdem hinfahren wollen, schauen Sie in unsere Insider-Tipps.)

Graz dagegen hat zwar ebenfalls den erhabenen Glamour vergangener Zeiten zu bieten. Obendrein ist die Stadt in der Steiermark jedoch so frisch, überraschend und modern, wie sich das eben nur der lässige Underdog leisten kann. Graz, Wiens kleine Städteschwester, die weniger repräsentieren muss und mehr experimentieren darf.

Auch wenn Graz bislang unter dem Radar der meisten Touristen liegt: Nicht zuletzt die vielen Studenten machen Graz, immerhin die zweitgrößte Stadt Österreichs, zu einem so entspannten wie kreativen Ort - und dem idealen Reiseziel für den Kurztrip ins Nachbarland. Die Stadt an der Mur hat so viele Schlösser, Kirchen, Brücken und Denkmäler zu bieten, dass hier (wie immer) nur ein paar Highlights herausgepickt werden können.

Ansehen: Schlossberg, Burg und Altstadt

Ein Muss, allein der geographischen Präsenz und des Überblicks wegen, ist der Schlossberg mit seinem schmucken, alten Uhrturm. Etwa 120 Meter erhebt sich dieser über die Stadt. Um da hoch zu kommen bieten sich verschiedene Möglichkeiten: a) für Gipfelstürmer - zu Fuß, b) für Bequeme - mit der Schlossbergbahn, oder c) für Trendsetter - im gläserner Schlossberglift.

Die meisten Sehenswürdigkeiten der schönen Grazer Altstadt finden sich - bei guter Puste - fußläufig im Innenstadtbereich. Sehenswert sind der spätgotische Dom und die Burg mit ihrer berühmten Doppelwendeltreppe. Schloss Eggenberg - eine elegante Barock-Residenz in einer wunderschönen, großen Parkanlage - liegt außerhalb des Spazier-Radius' im Westen der Stadt, ist aber durchaus einen Ausflug wert.

Freundliche Außerirdische und geschuppter Urzeitfisch

Besonders gelungen ist, wie sich unter die monumentalen alten Gebäude ganz selbstbewusst auch neue Bauten und ambitionierte Architektur mischen. Bestes Beispiel ist das Kunsthaus, treffend als "Friendly Alien" bezeichnet. Von außen gleicht das Museum, in dem wechselnde Ausstellungen moderner und zeitgenössischer Kunst stattfinden, mit seiner Acrylglas-Fassade einer Mischung aus Raumschiff und Qualle. Aus der Entfernung sehen die eingelassenen Luken aus wie amputierte Fangärmchen - erst in der Dunkelheit kommt das ausgeklügelte Beleuchtungskonzept zur Geltung.

Ähnlich artfremd inmitten all der barocken Pracht wirkt die Murinsel. Sie ist ein Konstrukt aus Metall und Plastik. Zwei Stege führen von beiden Flussufern auf die künstliche Insel, die sich wie ein geschuppter Urzeitfisch aus dem Wasser erhebt und auf der sich ein Café, ein Spielplatz und sogar eine kleine Bühne befinden.

Illusionen und die weltgrößte Waffenkammer

Einen spannenden Ansatz verfolgt das Muwa, das Museum der Wahrnehmung, das in wechselnden Ausstellungen mit Arbeiten aus ganz verschiedenen Disziplinen wie Malerei, Plastik, Fotografie, Architektur und Musik die Besonderheiten der menschlichen Wahrnehmung thematisiert: Illusion, optische Täuschung, Verschwimmen der verschiedenen Sinne. Erweitert wird das Erlebnis dann beim Floating im Entspannungs-Salzwasser-Bad im Souterrain des Museums.

Einmalig ist das Landeszeughaus. "Größte historische Waffenkammer der Welt" nennt sich das Museum. Rüstungen, Schwerter, Feuerwaffen, Zubehör: Mehr als 30 000 Ausstellungstücke aus aller Welt werden hier ausgestellt.

Frida & Fred ist ein Kunst- und Kulturzentrum für kleine (drei bis sieben Jahre) und mittelgroße Kinder (acht bis zwölf Jahre): Neben jeweils einer altersgerechten Ausstellung gibt es hier Theater und Mitmach-Workshops zu erleben.

Anbeißen: Ein Frühstück mit Aussicht und steirische Spezialitäten

Frühstück über den Dächern von Graz gibt es im Café "Freiblick", das im sechsten Stock über dem Traditionskaufhaus Kastner & Öhler in der Innenstadt liegt. In Ledersesseln und Holzstühlen vor den großen Panoramafenstern oder auf der Dachterrasse (mit Aussichtssteg) trifft man den einen oder anderen Designer: auf der Speisekarte. "Coco Chanel" heißt das süße Frühstück mit Obstschnitte und Kombucha Quitte, mit "Christian Dior" kommen Lachs und Garnelen und "Dolce & Gabbana" ist das große Frühstück für zwei.

Vereinte Gegensätze: Dieses Konzept verfolgt "El Gaucho". Südamerika trifft auf Landhaus, Gewölbe auf modernes Design, argentinische Black-Angus-Rinder sagen in der Pfanne österreichischem Weidevieh guten Tag. Heraus kommt ein gehobenes Steakhaus mit speziellem Ambiente.

Kulinarisches Lokalkolorit gefällig? Dann ist "Der Steirer" die richtige Adresse - große Fenster, rustikal und gemütlich eingerichtet. Neben regionalen Klassikern wie Geschnetzeltem, Schwammerl-Pfandl, Backhendl und Tafelspitz, sollte man unbedingt die "steirischen Tapas" probieren. Die kleinen Tellerchen, auf denen beispielsweise Bachforelle mit Krentopfen oder Schweinelendchen mit frischem Ingwer serviert werden, eignen sich als Vorspeise - oder einfach als Probierportion.

Brötchenbar und Kaffehausflair

Eine Art Institution in Graz - und ideal für einen delikaten kleinen Snack zwischendurch - ist das "Frankowitsch". In dieser "Brötchenbar" gibt es, wie der Name schon sagt, Brötchen, allerdings mit Suchtpotenzial und einer mehr als 70-jährigen Geschichte. Dazu verschiedenste Aufstriche, Wurst, Schinken oder Lachs, dazu ein Prosecco. So lässt sich ein Päuschen an einem der Straßentische genießen.

Kein Städtetrip nach Österreich ohne Kaffeehausbesuch - das gilt natürlich auch in Graz. Wem es vor allem auf die Qualität ankommt, der ist im "Tribeka" richtig. Eigene Rösterei, professionelle Baristas, schlichte, funktionale Ausstattung. Wer es dagegen so richtig gediegen wünscht, mit samtenen Polstermöbeln und klassischer Musik, der sinkt im Café "Erzherzog Johann" im denkmalgeschützten Wintergarten des gleichnamigen Palais-Hotels in den Fauteuil.

Und wer die ideale Zwischenlösung sucht, findet im "Café Mitte" eine Art Neuinterpretation der Kaffeehauskultur durch die Grazer Hipster-Szene. Munter kombinierter Vintage-Chic drinnen, rustikale Bänke draußen, Thai-Küche, aber auch leckere Kuchen-Auswahl und guter Kaffee.

Ausgehen: Drinks im Himmel, Bier im Beisl

Den Abend mit einem Drink einläuten: Die großartigste Aussicht bietet die "Skybar" im "Restaurant-Schlossberg". Und eben da, auf dem Schlossberg, befindet sich diese auch. Das Ambiente ist gediegen, die Preise erfreulich bodenständig. Um die acht Euro kostet ein Cocktail.

Wer es ganz anders, nämlich urgemütlich und schön traditionell mag, sucht sich sein persönliches Lieblings-Beisl in Graz. So heißt hier das, was sich anderswo Kneipe, Boazn oder Pub nennt. Wie wäre es mit einem Bier, einem Schnaps und einer Frittatensuppe in der "Peter Weinstube" am Karpaunplatz 1?

Einer der wohl ungewöhnlichsten Veranstaltungsorte ist der "Dom im Berg". Die gewölbte Halle wurde in den Fels des Schlossbergs gehauen. Licht-Installationen und die Akustik bringen unterirdische Konzerte, Partys und Performances zur Geltung. Kein passendes Event dabei? Dann bleiben die Klassiker: die Grazer Oper und das Schauspielhaus.

Whisky und Jazz oder Bingo und Swing

Wem eher nach Jazz, Whisky und Zigarren ist, geht in die "Miles Jazzbar". Spielt gerade niemand live in dem kuschelig-kleinen Club, gibt es hier auch mehr als 300 CDs mit Klassikern und Neuerscheinungen.

"Three Monkeys" ist eine junge Bar in einem alten Gewölbekeller mitten im Univiertel. Später am Abend feiern hier die jungen Grazer. Rundum finden sich zahlreiche weitere Kneipen und Clubs. Montags gibt es im "Three Monkeys" übrigens Bingo und mittwochs Karaoke.

Das "Parkhouse", mitten im Grazer Stadtpark, ist ein denkmalgeschützter Pavillon, einst eine Milchbar, heute zum einen Café, zum anderen Eventlocation. Am Wochenende legen DJs auf. Gerade an schönen Sommerabenden wird es hier voll, wenn die Party bis ins Freie schwappt. Regelmäßig finden auch Konzerte statt.

Ganz profan nennt sich der wichtigste Club in Graz: "Postgarage". Hier feiert auf zwei Ebenen ein entspanntes Zwanzignochwas-Publikum. Neben Electro finden auch Themenabende wie Achtziger-Partys oder Swing-Abende statt. Einfach vorher das Programm checken.

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