Kolumne "Er sagt, sie sagt":"Wenn nur die Mückenleichen nicht wären"

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Fenster oder Wand? Schon bei der Wahl des Schlafplatzes kann es im Pärchenurlaub zu ersten Reibungen kommen. (Foto: iStock)

Im Urlaub hat man endlich Zeit - Zeit für Streit. Weil man auch die unbekannteren Seiten des anderen kennenlernt, die im Alltag oft verborgen bleiben. Ein sommerliches Beziehungsdrama in Dialogform.

Von Violetta Simon

Es soll ja Menschen geben, die nicht verstehen, wie man sich im Urlaub, unter Palmen, Sonne und dem Einfluss von Sangria in die Haare kriegen kann. Aber wann denn sonst? Wann hat man schließlich die Gelegenheit, den anderen rund um die Uhr in all seinen Facetten zu erleben, vor allem in den schrecklichen? Erst wenn Partner Tag für Tag und Nacht für Nacht aneinander kleben, erkennen sie, was sie am anderen haben. Zum Beispiel einen zynischen Langweiler oder eine zickige Erbsenzählerin.

Allein die Frage, wer auf welcher Seite des Bettes schläft, verrät oft mehr über den Charakter des Partners als einem lieb sein kann.

Er: Auf welcher Seite möchtest du liegen, mein Schatz?

Sie: Das ist mir ganz egal.

Er (steuert auf eine Seite des Bettes zu, hievt seinen Rucksack von den Schultern): Gut, mir auch.

Sie: Vielleicht am Fenster?

Er (schnaubt, beginnt, den Rucksack quer durchs Zimmer zu schieben): In Ordnung, dann lege ich mich an die Wand.

Sie: Obwohl ... das fühlt sich irgendwie ungewohnt an. Zuhause liege ich ja eigentlich immer auf der linken Seite.

Er: Dann nehme ich die Fensterseite, wenn du nichts dagegen hast.

Sie: Aber woher denn.

Beide legen sich auf das Bett, erschöpft von der langen Anreise. Kurz herrscht Ruhe. Dann:

Sie: Es ist ja auch viel schöner, wenn man vom Bett aus aufs Meer sehen kann, oder? Man hat gleich beim Aufwachen so ein Urlaubsgefühl.

Er: Ja. Wirklich toll.

Sie: Das ganze Zimmer wirkt von der Fensterseite aus viel heller.

Er: Findest du? Ich merke nichts.

Sie: Aber ja! Abgesehen davon ist es auch viel praktischer für dich, außen zu liegen. Dann musst du nicht vom Fußende aus ins Bett krabbeln.

Er: Könnte es sein, dass du doch lieber die Fensterseite willst?

Sie: Hmm. Schon schön, dieser Blick.

Er: Na komm' schon, wir können gern noch mal tauschen.

Sie: Wenn du darauf bestehst. Allerdings müsstest du das Fenster zumachen. Du weißt ja, ich bin doch so empfindlich gegen Zugluft.

Er: Wenn du darauf bestehst.

Er schließt das Fenster, dann werden Seiten getauscht.

Sie: Kann es eigentlich sein, dass die Matratze auf dieser Seite etwas härter ist?

Er: Härter?

Sie: Ja, vor allem in der Mitte. Und oben am Kopfende ist eine Mulde.

Er (rutscht ein Stück zu ihr) : Lass mich mal fühlen. Nein, ich merke nichts.

Sie: Findest du denn nicht, dass ich irgendwie abwärts liege? Nicht, dass mir nachts das Blut in den Kopf steigt.

Er (leicht genervt) : Ich könnte mich natürlich auch an der Rezeption erkundigen, ob sie noch ein atmosphärisch neutrales Sauerstoffzelt mit Prinzessinnen-auf-der-Erbsen-Matratze für dich vorrätig haben.

Sie blickt ihn entrüstet an, dann liegen beide schweigend.

Er (versöhnlich) : Also was jetzt - doch die andere Seite?

Sie: Hm. Wenn nur diese Blutflecke von den Mückenleichen an der Wand nicht wären. Und was ist das überhaupt für ein dunkler Schatten an der Decke?

Er: Weißt du was? Am besten, ich suche mir ein eigenes Zimmer. Dann kannst du in der Mitte schlafen.

Sehr schön, die Nerven liegen also bereits ein bisschen blank, bevor der Urlaub überhaupt richtig angefangen hat. Nicht von ungefähr geht jeder dritten Scheidung, so heißt es, eine gemeinsame Reise voraus. Im Urlaubsort warten schon die nächsten Streitpunkte. Während die erste gemeinsame Nacht für eine Beziehung ja von großer Bedeutung sein mag, ist die erste Nacht im gemeinsamen Hotelzimmer eine echte Belastungsprobe.

Das beginnt schon mit den überdimensionalen Gemeinschaftslaken: Zwar sollten die für Hotelzimmer typischen Zudecken den Kuschelfaktor erhöhen. Doch wenn einer von beiden das Tuch als Mückenschutzzelt missbraucht und sich wie eine Mumie darin einwickelt, erreicht das wohl eher das Gegenteil. Richtig unbeliebt macht er sich, wenn er selig darunter weiterrüsselt, während der andere, mit nichts als einer Badeschlappe bewaffnet, einen blutigen Kampf gegen die stichwütige Pest ausficht.

Wie es weitergeht, wenn am nächsten Morgen der eine wunderbar ausgeschlafen hat und der andere mit rotgeränderten Augen und Mückenstichen am ganzen Körper am Strand sitzt, erfahren Sie kommende Woche im nächsten Teil der Urlaubsausgabe von "Er sagt, Sie sagt".

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