Kündigung auf die sanfte Tour:Feste drücken, seufzen, entsorgen

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Professionell kündigen - Julia Jäkel weiß, wie's geht. (Foto: dpa, oh)

Wie feuert man einen Chefredakteur? Wie wird man seinen Partner los? Verlagsmanagerin Julia Jäkel weiß, wie man die finale Trennung professionell durchzieht.

Von Christian Mayer

Es ist noch gar nicht so lange her, dass in deutschen Zeitungsredaktionen geraucht wurde, und zwar so erbarmungslos, dass man das nur wenige Meter entfernte Fenster von seinem Sitzplatz nicht mehr sehen konnte, so intensiv war der Qualm im Großraumbüro. Wenn der damals amtierende stellvertretende Chefredakteur zufällig bei seinen Leuten aus der München-Redaktion vorbeischaute, erhöhte sich der Nikotinwert pro Kubikmeter Luft gleich noch einmal. Der stellvertretende Chefredakteur, der aus dem halbzivilisierten Niederbayern stammte, hatte eine leise Stimme, er konnte auf schwer verständliche Weise charmant sein, wenn er wollte; er konnte aber auch so barsch reagieren wie die Marktfrauen vom Viktualienmarkt, wenn ihnen ein Tourist die Auslagen begrapscht ("Hände weg, du Depp!").

Damals durften Chefs noch blöde Witze erzählen, sie durften sogar richtig losledern, das Brüllen gehörte zum Redaktionsalltag wie das Rauchen. In der Kantine gab es Zigeunerschnitzel und im Büro nach fünf Uhr Prosecco für alle, das war unser soziales Netzwerk. Die Luft konnte schon mal dünn werden, aber man hatte dennoch genug zum Atmen.

In deutschen Medienhäusern wird schon länger nicht mehr gebrüllt; es geht gesittet und gemäßigt zu, außerdem herrscht ein allgemeines Rauch- und Fluchverbot, das gilt für München wie für Hamburg. Dort gibt es ja bekanntlich fast genauso viele wichtige Medien wie in München, zum Beispiel den Stern, die journalistische Wundertüte, in der es immer gerne gemenschelt hat. Am vergangenen Wochenende menschelte es besonders intensiv.

Vor der Kündigung: Honig um den Bart schmieren

Die Vorstandsvorsitzende von Gruner + Jahr, Julia Jäkel, war voll des Lobes, sie kriegte sich gar nicht mehr ein vor lauter Begeisterung, dem Adressaten müssen die Ohren geklungen haben. Es galt, den offenbar höchst erfolgreichen Chefredakteur Dominik Wichmann zu verabschieden: Wichmann habe beim Stern "wichtige Impulse gesetzt", "mit großen Elan und viel Energie das journalistische Profil des Stern gestärkt", "sein Gesicht modernisiert und ihm eine neue Frische gegeben". Klingt nach Beförderung - aber wo will man hin, wenn man schon Chefredakteur ist?

Im Namen des Vorstands dankte Jäkel dem 42-Jährigen auch noch "sehr herzlich für die geleistete Arbeit, seine Kreativität und die inspirierende Zusammenarbeit". Wunderbar, solche Worte tun jedem gut, man kann ja auch seinen leitenden Angestellten nie genug Honig um den Bart schmieren. Das lernt man im Führungskräfteseminar: Die anderen sind keine Deppen, sondern wertvolle Mitarbeiter.

Etwas befremdlich war nur, dass die Gruner + Jahr-Chefin gleich einen noch frischeren Nachfolger für Wichmann parat hatte, der wohl erst durch Recherchen anderer Journalisten von seinem bevorstehenden Rauswurf erfuhr. Der bisherige Chefredakteur der Gala, Christian Krug, übernimmt nun seinen Job, bei der Gala hatte er sich persönlich darum gekümmert, die Prominenz zwischen Sylt und St. Tropez möglichst gut aussehen zu lassen. Um den hohen Menschlichkeitsfaktor beim Stern muss man sich also keine Sorgen machen.

Trennung: am besten Samstagmorgen nach dem Frühstück

Was uns das lehrt? Wer einen lieben Vertrauten, etwa einen Ehemann oder Freund, möglichst lautlos loswerden will, sollte sich an das Jäkel-Prinzip halten: feste drücken, seufzen, entsorgen. Am besten man bringt die Sache hinter sich, wenn der Partner nichts ahnt, gleich am Samstagmorgen nach dem Frühstück. "Lieber, weißt du eigentlich, wie sehr ich dich schätze", so sollte das Gespräch beginnen, ganz leicht, ganz sanft. "Das Zusammenleben mit dir ist immer inspirierend, deine Beiträge im Haushalt sind kreativ und wertvoll, du gibst jedem Tag diese besondere Frische - herzlichen Dank für alles." Und tschüss!

Es geht aber noch besser. Das aus der Gala bestens bekannte Promi-Ehepaar Gwyneth Paltrow und Chris Martin hat das vor ein paar Monaten vorgemacht. Als die Schauspielerin dem etwas unsteten Sänger den Laufpass gab (oder umgekehrt), veröffentlichten Paltrow & Martin eine gemeinsame Presseerklärung. "Mit Herzen voller Traurigkeit haben wir entschieden, uns zu trennen", hieß es auf der Internetseite der Schauspielerin, gefolgt von einigen rührenden Sätzen, die den Prozess der "bewussten Entpaarung" dokumentierten.

Was hätte wohl der stellvertretende Chefredakteur aus Niederbayern zu dieser neuen Trennungsmethode gesagt? Man hört ihn beinahe granteln: "So ein Schmarrn." Vielleicht hätte er auch gar nichts gesagt zu dem scheinheiligen Gesülze, mit dem heute Beziehungen beendet werden. Stattdessen hätte er sich eine Zigarette angesteckt und ein wenig über den Niedergang des Boulevardjournalismus geschimpft. Und über den Stern natürlich, denn der stellvertretende Chefredakteur war auch mal in Hamburg bei Gruner + Jahr tätig, für sehr kurze Zeit: Der Wind war doch etwas zu frisch für ihn, da oben.

© SZ vom 23.08.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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