Nein-Stimme im kubanischen Parlament:Auch Du, meine Nichte Mariela?

Mariela Castro Kuba

Mutig: Mariela Castro

(Foto: AP)

Die Zeiten auf Kuba ändern sich, ganz langsam: Vormalige Beamte versuchen sich als Unternehmer. Häuser und Autos werden ge- und verkauft. Und im Parlament in Havanna wird nun auch mal mit Nein gestimmt. Diese kleine Revolution erlaubte sich Mariela Castro, die Tochter von Raúl und Nichte von Fidel.

Von Peter Burghardt

Die Zeiten auf Kuba ändern sich, ganz langsam. Statt Fidel Castro regiert Raúl Castro, auch dürfen sich zum Beispiel vormalige Beamte als Unternehmer versuchen und die Staatskasse entlasten. Häuser und Autos werden ge- und verkauft, wobei viele Preise die Möglichkeiten der Interessenten überfordern. Selbst die doppelte Währung soll abgeschafft werden. Und die Debatte wird lauter, obwohl wie gehabt die Kommunistische Partei immer das Wort führen muss.

Jetzt wurde sogar aus dem gewöhnlich einstimmig zustimmenden Parlament in Havanna ein Widerspruch bekannt. Und diese kleine Revolution erlaubte sich eine der bekanntesten der 612 Abgeordneten: Das Nein zum neuen Arbeitsgesetz kam von Mariela Castro, der Tochter von Raúl und Nichte von Fidel Castro.

Die Abstimmung ereignete sich bereits im Dezember, die Meldung von der Nein-Stimme macht allerdings erst jetzt die Runde. Demnach hob die Mandatsträgerin Castro bei der Frage nach Gegenstimmen als einziges Mitglied der Volksversammlung die Hand. Zwar verbietet das Gesetz, so wie sie es fordert, die Diskriminierung aufgrund von Rasse, Geschlecht und sexueller Orientierung. Doch der Abgeordneten fehlten die Erwähnung von Geschlechtsidentität und HIV-Status. "Ich konnte nicht zustimmen, ohne sicher zu sein, dass die Arbeitsrechte von Menschen mit anderer Geschlechtsidentität ausdrücklich anerkannt werden", hatte Mariela Castro schon im Juli erklärt.

Einsatz für Schwule und Lesben

Die 52 Jahre alte Pädagogin und Psychologin setzt sich seit Jahren für Schwule und Lesben ein, gegen den Widerstand aus orthodoxen KP-Kreisen. Früher wurden Homosexuelle in Kuba bestraft, Mariela Castro Espín nannte das 2006 in der spanischen Zeitung El País "einen schrecklichen Fehler". Inzwischen hat auch Fidel Castro den Irrtum eingestanden.

Die Zweitgeborene seines Bruders und Nachfolgers Raúl und dessen verstorbener Frau Vilma Espín leitet das nationale Zentrum für Sexualerziehung (Cenesex). Sie gibt außerdem die Zeitschrift Sexologie und Gesellschaft heraus, unterrichtet an der Universität, hält Vorträge und schreibt eifrig auf Twitter und Facebook. Unter ihrer Leitung verbesserte sich die Aids-Prävention, auch setzte sie die kostenlose Geschlechtsumwandlung durch. Kubas Homosexuelle, Bisexuelle, Transvestiten und Transsexuelle haben es dank Mariela Castro heute weniger schwer als zuvor.

Im vergangenen Jahr bekam die Kubanerin für ihren Einsatz einen Preis in Philadelphia und durfte diesen auch persönlich in den USA abholen. Kürzlich behaupteten Funktionäre in Burkina Faso, Mariela Castro habe in dem abgestürzten Flugzeug von Air Algérie gesessen. "Ich bin lebendig, glücklich und gesund", versicherte sie daraufhin im Fernsehen. Inzwischen verteidigt die dreimal verheiratete Mutter von drei Kindern ihre Prinzipien auch im Parlament. "Früher war das ungewöhnlich", sagte sie. "Aber es beginnt gewöhnlich zu werden."

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