Wenn es mal nicht um den Landeshaushalt geht, ist Winfried Kretschmann ein generöser Mann, davon hat jetzt das Hauptstaatsarchiv in Stuttgart profitiert. Der baden-württembergische Regierungschef hat dem Archiv ein braunes Kuvert überlassen, das an seinem Amtssitz sorgsam verwahrt war.
Es trägt eine Notiz, die fast sechzig Jahre alt sein dürfte: "Der Umschlag darf ohne Genehmigung des Ministerpräsidenten niemandem übergeben oder geöffnet werden." Jetzt ist das Siegel des Kuverts gebrochen, und der Inhalt ist in der Tat pikant.
Die Dokumente betreffen Leo Wohleb, den letzten Staatspräsidenten von Baden, einen überzeugten Liberalen und Katholiken, der 1952 bekümmert mitansehen musste, wie sein Land im neuen Südwest-Staat aufging.
Letzte Reise nach Frankfurt
Zum Trost schickte Bundeskanzler Adenauer Wohleb, einen zweifellos großen Politiker von kleinem Wuchs (1,55 Meter) als deutschen Gesandten nach Portugal. In dieser Funktion begleitete er 1955 den portugiesischen Wirtschaftsminister auf einer Reise nach Frankfurt; dort starb er 66-jährig an einer Lungenembolie.
Glaubte man zumindest bisher, offiziell.
Die Verschlussakte Wohleb dagegen legt nahe, dass der aufrechte Badener in den Armen einer Dirne verschieden sein könnte, "an Herzlähmung". Der Frankfurter Polizeipräsident habe dann wohl "für diskrete Verbringung in ein Krankenhaus gesorgt".
Verbürgt sei jedenfalls, sagt der Politologe Hans-Georg Wehling, dass Wohleb in der Nacht seines Todes vom noblen Frankfurter Hof in ein Hotel "minderer Güte" in Bahnhofsnähe umzog. Das allein, so Wehling, sei zumindest "erklärungsbedürftig".
