André Lotterer bei Caterham:Formel-1-Pilot für ein Wochenende

Lesezeit: 3 min

Debüt in der Formel1 mit 32 Jahren: André Lotterer (Foto: AFP)

Der deutsche Rennfahrer André Lotterer gibt beim Großen Preis von Spa unverhofft sein Debüt für den Caterham-Rennstall - gegen Bezahlung. Ehrenrührig ist so ein Geschäft nicht. Auch Michael Schumacher startete seine Karriere einst auf ähnliche Art.

Von Elmar Brümmer, Spa-Francorchamps

Die Geschichte von André Lotterer und dem Großen Preis von Belgien klingt ein bisschen so wie aus einer dieser Geschenkboxen, in denen Erlebnisgutscheine feilgeboten werden. Baggerfahren für einen Nachmittag zum Beispiel. Und bei ihm eben: Formel-1-Pilot für ein Wochenende. Zu bezweifeln allerdings ist, dass der Duisburger für den Einsatz im Caterham-Rennstall mit 109 Euro Gebühr davon kommt. Denn Lotterer wird ja nicht unbedingt seines Talentes wegen in den grünen Rennwagen gesetzt, und mit 32 ist er auch kein Akt der Nachwuchsförderung, der da von dem britischen Team zum Neustart der Formel 1 nach der Sommerpause vollzogen wird. Es handelt sich vielmehr um ein Blitz-Geschäft.

Eine überhastete Aktion, aber vielleicht wirklich die Chance seines Lebens für Lotterer. Der Rennfahrer steht Colin Kolles nahe, der von Ingolstadt aus diverse Motorsportaktivitäten betreibt. Der in Rumänien geborene gelernte Zahnarzt ist in Geschäftssinn und Nächstenliebe vergleichbar mit Bernie Ecclestone. Als Berater einer Investorengruppe gibt er beim Branchen-Schlusslicht Caterham den Ton an und saniert mit harter Hand - zuletzt wurden 40 Mitarbeiter entlassen. Deshalb darf angenommen werden, dass Lotterer (oder vielmehr der ihm verbundene Hersteller eines Energydrinks) auch eine ordentliche Mietwagenpauschale berappen muss, um sich einen Grand-Prix-Einsatz in der Vita gutschreiben zu lassen.

Max Verstappen bei Red Bull
:Ohne Führerschein in die Formel 1

Vor wenigen Monaten fuhr Max Verstappen noch Kart. Nun soll der 16-Jährige in der kommenden Saison in Red Bulls Toro-Rosso-Team in der Formel 1 antreten - als jüngster Pilot der Geschichte. Der Rennstall traut dem Niederländer mehr zu als einst Sebastian Vettel.

Von Lisa Sonnabend

Für gewöhnlich werden Bezahlfahrern schon für Trainingseinsätze an Freitagen ein paar hunderttausend Euro abgeknöpft. In diesem Fall ist die Lage etwas vertrackter. Dass der Japaner Kamui Kobayashi aussetzen muss, der sich mit einer zum Teil von Fans gespendeten Millionen-Mitgift seines Caterham-Sitzes sicher wähnte, würde im Normalfall wohl einen stattlichen sechsstelligen Betrag kosten. Aber Kobayashi soll Liquiditätsprobleme haben, und mit der Ersatzlösung gibt man ihm klar zu verstehen, dass es Alternativen gibt, auch auf die Schnelle.

Im Motorsport gilt ein solches Geschäftsgebahren als nicht ehrenrührig, Michael Schumacher kam 1991 an gleicher Stelle auf ähnliche Art zum Karrierestart, auch bei späteren Rekordweltmeistern sollte es zunächst nur ein Ausnahme-Gastspiel sein. Das aktuelle Transfergeschäft sagt allerdings einiges über den finanziellen Zustand der Königsklasse, gerade bei Caterham, das vor ein paar Monaten noch einem malaysischen Milliardär gehörte. Mehr als die Hälfte der elf Teams befindet sich am finanziellen Limit.

Mit 32 noch in ein Formel-1-Cockpit zu springen, macht Lotterers Einsatz ungewöhnlich. Spektakulärer noch als seine Spätberufung ist die Verpflichtung von Max Verstappen durch den Toro-Rosso-Rennstall. Der holländische Nachwuchspilot, der jetzt zum Red-Bull-Talentschuppen gehört, ist gerade mal 16 Jahre alt, zum Saisonstart 2015 wird er 17 sein. Damit wäre der Sohn des ehemaligen Benetton-Fahrers der jüngste Formel-1-Starter der Geschichte, er würde den bisherigen Rekord um fast zwei Jahre unterbieten - obwohl er in seiner Heimat erst mit 18 eine Fahrerlaubnis für die Straße bekommt.

Gegenentwurf André Lotterer wähnte sich 2000 auf einer ähnlichen Karrierestufe wie Verstappen junior heute - damals war er Testfahrer bei Jaguar, blieb aber im Wartestand stecken. Danach nahm seine Vita eine Menge S-Kurven. Eine davon, als ihn Teamchef Kolles für einen privaten Audi-Einsatz bei den 24 Stunden von Le Mans 2009 verpflichtete. Ein Jahr später war er Werksfahrer, inzwischen hat er den Sportwagen-Klassiker drei Mal gewonnen, gerade erst wieder. Im Motorsport genießt er einen guten Ruf und gilt als Spezialist für Hybrid-Rennwagen und schwierige Wetterverhältnisse - beides greift an diesem Wochenende in den Ardennen.

"Viele Knöpfchen zu drehen bin ich gewohnt"

So populär, wie er durch die Ankündigung seines Starts als derzeit fünfter deutscher Fahrer in der Formel 1 wurde, ist er trotz seiner Sportwagen-Erfolge zuvor nie gewesen. "Ich war schon überrascht, wie mich dieser Einsatz bekannt gemacht hat, ich habe meinen Namen sogar in den Nachrichten gehört", sagt er. Die Versuchung ist es, die Lotterer sucht, der letzte Selbstbeweis für Rennfahrer: "Formel 1 war schon immer mein Traum. Er hat sich jetzt eben etwas später erfüllt", sagt er und grinst. Bei einem ersten Simulatortest in England hat er festgestellt: "Das ist alles ganz logisch. Und viele Knöpfchen am Lenkrad zu drehen, das bin ich gewohnt."

Hauptberuflich gehört er zum Fahrer-Kader von Audi für die Sportwagen-WM. Für den Grand-Prix-Einsatz hat er die Freigabe problemlos bekommen, die Gebühr für die Superlizenz musste er selbst bezahlen. Die spannendste Frage aber ist nicht die, wo André Lotterer an diesem Wochenende landet ("Ich bin zunächst nur hier, um zu helfen") - sondern wer in zwei Wochen in Monza im grünen Auto sitzt.

© SZ vom 22.08.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: