Gröbenzell:Rütteln am Kirchenprivileg

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Die Gemeinde Gröbenzell will das Defizit der katholischen Kindertagesstätten nur noch ausgleichen, wenn der Träger das Diskriminierungsverbot einhält. Das Landratsamt stellt die Rechtmäßigkeit des Beschlusses in Frage

Von Gerhard Eisenkolb, Gröbenzel

Nach Ansicht der Rechtsaufsicht des Landratsamtes kann der Gröbenzeller Gemeinderat Sonderregelungen des kirchlichen Arbeitsrechts nicht über die Gewährung von kommunalen Zuschüssen aushebeln. Laut einer Pressesprecherin hat das Landratsamt "erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit" eines entsprechenden in nichtöffentlicher Sitzung gefassten Beschlusses. Nach diesem soll Bürgermeister Martin Schäfer (UWG) in Verhandlungen mit Vertretern der katholischen Kirche zum Ausgleich des Defizits ihrer Kindertagesstätten in Gröbenzell durchsetzen, dass die Religionsgemeinschaft auf ihre Sonderrechte verzichtet und sich an die Vorgaben des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes für Beschäftigte hält.

Das Defizit der katholischen Kitas soll nach dem Willen der Gemeinderatsmehrheit künftig nur noch dann ausgeglichen werden, wenn sich der Träger im Gegenzug dazu verpflichtet, "keine Mitarbeiter wegen ihrer sexuellen Orientierung, ihres Familienstandes oder dessen Wechsel oder wegen der Zugehörigkeit beziehungsweise Nichtzugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft zu diskriminieren beziehungsweise zu kündigen". Um alle Träger gleich zu behandlen, wurde auch bezüglich eines Zuschusses für die Kitas der Arbeiterwohlfahrt ein gleichlautender Beschluss gefasst. Laut Pressesprecherin Ines Roellecke verzichtet das Landratsamt trotz seiner Zweifel auf eine offizielle Beanstandung des Beschlusses. Stattdessen wird erwartet, dass der Gemeinderat von sich aus die Entscheidung korrigiert. Die Rechtsaufsicht begründet ihre Einschätzung mit der im Gleichbehandlungsgesetzes vorgegebenen Ausnahmeklausel für kirchliche Arbeitgeber. Diese sieht vor, dass der Diskriminierungsschutz für Dienstverhältnisse mit der katholischen und evangelischen Kirche nicht gilt. Religionsgemeinschaften haben als Tendenzbetriebe das Recht, ihre Angelegenheiten selbst zu verwalten. Und sie können von ihren Beschäftigen ein loyales und aufrichtiges Verhalten im Sinne ihres Selbstverständnisses verlangen.

Allerdings wurde das Diskriminierungsprivileg der Kirchen durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte bereits etwas zurückgedrängt, womit der Rechtsanwalt und Gemeinderat Markus Rainer (Grüne) seinen Antrag im Gemeinderat begründet. Laut Rainer dürfe in kirchlichen Kitas einer Küchenhilfe oder Putzfrau, die sich als lesbisch oute, nicht gekündigt werden, einer Kindergärtnerin, die das tue, dagegen schon. Dem Grünen geht es ums Grundsätzliche und er hält die Kirche auch für fähig, sich zu bewegen, sie müsse das nur wollen. Den hierfür nötigen Handlungsdruck verspricht sich Rainer von dem Gemeinderatsbeschluss und der positiven Resonanz, die er erfahren habe. Andere Ortsverbände von Grünen hätten bereits angekündigt, in ihren Kommunen ähnlich lautende Anträge zu stellen.

Bürgermeister Schäfer lehnt es ab, sich zu den Hintergründen des Beschlusses zu äußern. Bettina Göbner von der Pressestelle des Erzbischöflichen Ordinariats verweist darauf, dass die Gespräche über den Defizitvertrag mit der Gemeinde fortgeführt würden. In diesen Verhandlungen will sich das Ordinariat auch mit dem Gemeinderatsbeschluss befassen und darüber reden, wie damit umzugehen sei. Laut Göbner ist jedoch klar, "dass diese Gespräche auf der Basis des kirchlichen Arbeitsrechts laufen". Dieses sei weiterhin gültig und von Gerichten immer wieder bestätigt worden. Eine gültige Rechtsgrundlage könne in solchen Verhandlungen schlecht außer Kraft gesetzt werden. Das Ordinariat will die Angelegenheit intern klären, aber der Gemeinde die Möglichkeit einräumen, ihre Position darzulegen.

Bis zum Abschluss eines neuen Vertrags mit der Gemeinde behält der alte seine Gültigkeit. Zur Höhe des von Jahr zu Jahr schwankenden Defizits der Gröbenzeller Kitas wollte sich das Ordinariat nicht äußern. Laut Göbner wird in der Regel die Übernahme eines prozentualen Anteils des Defizits durch die Gemeinde vereinbart, zudem sei es möglich, die Höhe solche Zuschüsse zu deckeln. Solche Defizitverhandlungen gelten im Ordinariat als "Alltagsgeschäft", da es in den meisten Kommunen kirchliche Kitas gibt.

Da der Gröbenzeller Pfarrer Gregor König Urlaub macht, ist von ihm keine Stellungnahme zu erhalten. Kirchenpfleger Johann Höcherl sagt lediglich, er verstehe den Gemeinderatsbeschluss nicht. Laut Höcherl sagte Bürgermeister Schäfer einen mit dem Pfarrer bereits vereinbarten Verhandlungstermin wieder ab. Die katholische Kirchenstiftung ist Trägerin der Kindertagesstätte Sankt Johann Baptist, zu der der Kindergarten Sankt Maria und der Kinderhort Sankt Elisabeth gehören.

Gemeinderäte dürfen sich grundsätzlich nicht zum Inhalt nichtöffentlicher Beratungen zu äußern. Deshalb ist auch keine offizielle Bestätigung zum Abstimmungsergebnis zu erhalten. Nach SZ-Informationen befürworteten jedoch die Fraktionen von Grünen, SPD, FDP und FW Rainers Antrag zum Diskriminierungsverbot. Dagegen sollen angeblich die gesamte CSU-Fraktion und zwei Mitglieder der Unabhängigen Wählergemeinschaft Gröbenzell (UWG) gestimmt haben, die den Bürgermeister stellt.

© SZ vom 23.08.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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