Sinkender Ölpreis:Unbeeindruckt vom Weltgeschehen

Ölpreis auf den tiefsten Stand des Jahres

Der Ölpreis befindet sich auf dem tiefsten Stand des Jahres.

(Foto: dpa)

Trotz der vielen Krisenherde sinkt der Ölpreis seit Wochen. Das Angebot ist groß, die Nachfrage schwächelt und die Reserven reichen. Dennoch warnen Experten: Das kann sich rasch ändern.

Von Julia Löffelholz und Benedikt Müller

Krise in der Ostukraine, Ebola-Epidemie in Westafrika, Kriege in Syrien und Israel: Viele Teile der Welt sind derzeit von politischen Unruhen geprägt. Doch während der Ölpreis früher infolge von Konflikten in die Höhe schoss, zeigt er sich nun unbeeindruckt vom Weltgeschehen. Im Gegenteil: Fünf Wochen in Folge ist der Preis des Nordsee-Öls Brent schon gesunken, auf zuletzt 102 Dollar pro Barrel.

Woran liegt das? Zunächst einmal betreffen die Krisen insbesondere Länder, die auf dem Ölmarkt keine große Rolle spielen. In Israel wird kein Öl gefördert, und auch die Ölproduktion Syriens ist kaum der Rede wert. Das Land produzierte vor Beginn des Bürgerkriegs gerade einmal 380 000 Barrel pro Tag*, was 0,4 Prozent des weltweiten Bedarfs entspricht. Auch die Ebola-Epidemie in Afrika betrifft außer Nigeria kaum Öl exportierende Staaten - und in Nigeria sind bislang nur wenige Menschen von der Krankheit betroffen.

Krisenherd Irak

In die Ukraine-Krise ist dagegen mit Russland einer der weltweit größten Rohölproduzenten involviert. EU und USA haben weitreichende Sanktionen gegen Moskau ausgesprochen. Doch den Ölexport werden die wohl eher nicht treffen, sagt Axel Herlinghaus, Energieexperte der DZ Bank: "Die Sanktionen werden höchstens langfristig Probleme verursachen." Russland werde sich nicht den Ast absägen, auf dem es sitzt.

Ein anderer aktueller Krisenherd ist der Irak. Die Befürchtung, die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) könnte das gesamte Land einnehmen und so auch die Ölvorkommen unter seine Kontrolle bringen, hatte zuletzt im Juni für einen Anstieg des Ölpreises gesorgt. Doch bislang konnte die Terrorgruppe überwiegend Gebiete im Norden des Landes erobern, der Großteil der Ölvorkommen liegt jedoch im Süden rund um die Stadt Basra.

Viele andere Öl exportierende Staaten, die in den vergangenen Jahren unter Krisen gelitten haben, erholen sich hingegen langsam wieder. Libyen beispielsweise begann in den vergangenen Monaten wieder mehr Öl zu produzieren, und auch der Iran gewinnt auf dem Ölmarkt wieder an Bedeutung.

In den USA, weltweit größter Nachfrager nach dem schwarzen Gold, erfährt die Ölförderung seit Jahren einen neuen Boom. 2013 produzierte das Land 13,5 Prozent mehr Öl als noch im Vorjahr. Grund dafür ist die umstrittene Ölförderung mit Hilfe von Fracking. "Die Zusammenführung von Horizontalbohrung und Fracking war die Geburtsstunde des Booms", sagt Herlinghaus. Durch die neuen Fördermethoden werden die USA unabhängiger von Ölimporten, beispielsweise aus Westafrika. Deshalb drängen auch diese Staaten auf den europäischen Markt.

Wohin mit dem ganzen Öl?

Doch wohin mit dem ganzen Öl? Während der weltweite Verbrauch jedes Jahr um etwa ein Prozent steigt, tritt er in Europa seit Jahren auf der Stelle. Das liegt beileibe nicht nur an verbrauchsärmeren Autos oder umweltbewussten Verbrauchern - es sind Auswirkungen der Krise, in deren Verlauf der Ölverbrauch stark gesunken ist. So kehrten in Griechenland etliche Haushalte zum Brennholz zurück, weil sie sich kein Heizöl mehr leisten können. In Spanien meldet die Statistikbehörde einen Rückgang der Autonutzung seit der Krise. Nur in einigen osteuropäischen Staaten steigt der Ölverbrauch.

Die Nachfrage nach dem Rohstoff schwächelt aber nicht nur in Europa und Amerika, sondern auch in den Schwellenländern: Chinas Bedarf nach Öl ist zuletzt um zwei Prozent zurückgegangen. Allgemein wachsen die Schwellenländer nicht mehr so schnell wie noch vor Jahren. In der Folge ist die weltweite Nachfrage nach Öl im zweiten Quartal 2014 so wenig gestiegen wie seit zwei Jahren nicht mehr, meldet die Internationale Energieagentur.

"Wichtig ist der Preis von morgen"

Trotz der augenblicklichen Mischung aus Überangebot, schwächerer Nachfrage und hohen Reserven gehen Analysten aber nicht von einem weiteren Abfall des Preises aus. "Die Opec-Länder eint der Wille, den Preis stabil zu halten", sagt Herlingshaus. Sollte er abermals unter die psychologisch wichtige Marke von 100 Dollar fallen, würde die mächtige Vereinigung zwölf großer Förderstaaten die Ölproduktion künstlich verknappen, schätzen Analysten.

Das ist zwar keine gute Nachricht für Verbraucher, die auf anhaltende Schnäppchen an der Tankstelle hoffen. Wohl aber für Unternehmen, die in die Erschließung neuer Förderplattformen investieren. Die machen sich über die momentan fallenden Preise aber sowieso keine Gedanken, sagt Rohstoffexperte Eugen Weinberg von der Commerzbank: "Aus Produzentensicht ist es nicht so wichtig, wo der Preis heute ist. Viel wichtiger ist der Preis von morgen."

Und der wird jetzt schon auf Terminmärkten gehandelt. Dort merkt man keinen negativen Trend. Ganz im Gegenteil: "Die Preise langlaufender Kontrakte, beispielsweise mit Lieferungen in fünf Jahren, sind seit Jahresbeginn um rund zehn Prozent gestiegen", sagt Weinberg. Die weltweiten Investitionen in Förderanlagen seien nicht durch den Ölpreis, sondern eher direkt durch die politische Lage in Förderländern wie Russland oder dem Irak gefährdet.

Die Einschätzung genau dieser Lage kann sich indes vom einen auf den anderen Tag ändern, sagt Steffen Bukold vom Hamburger Forschungsbüro Energy Comment: "Sollten die IS-Milizen im Irak südlicher, also in die Richtung der Hauptstadt Bagdad vorrücken, könnte der Ölpreis schnell wieder steigen", sagt er. Die gesamte Exportmenge des Iraks, fast vier Prozent der weltweiten Ölproduktion, könne selbst der größte Produzent Saudi-Arabien nämlich nicht mehr ausgleichen. Eins ist klar: Auf geopolitische Krisen wir der Ölpreis auch künftig sensibel reagieren.

*Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version hieß es, Syrien produzierte vor dem Bürgerkrieg 380 Barrel pro Tag. Es sind 380 000 Barrel.

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