Kolumne "Er sagt, sie sagt":Ich hab schon Druckstellen!

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Gretchenfrage im Urlaub: Am Strand liegen oder Steinansammlungen besuchen?

(Foto: iStock)

Steinhaufen besichtigen oder am Strand gammeln, Schmökern oder Sonnenstich? Was der Partner unter Erholung versteht, wird oft erst viel zu spät klar: im Urlaub nämlich. Zweiter Akt eines sommerlichen Beziehungsdramas.

Von Violetta Simon

Es soll ja Menschen geben, die nicht verstehen, wie man sich im Urlaub, unter Palmen, Sonne und dem Einfluss von Sangria in die Haare kriegen kann. Ja, wann denn sonst? Wann hat man schließlich die Gelegenheit, den anderen rund um die Uhr in all seinen Facetten zu erleben, vor allem in den schrecklichen? Teil zwei der sommerlichen Fortsetzungsgeschichte von "Er sagt, sie sagt".

Was bisher geschah (hier geht es zur ersten Folge): Die Bettenfrage wurde nach langem Hin und Her geklärt, weil sie sich partout nicht für eine Seite entscheiden konnte. Die folgenden Nächte waren die Hölle - jedenfalls für ihn, weil sie sich in das gemeinsame Laken gewickelt hatte, während er mit der Badeschlappe gegen stichwütige Moskitos kämpfte. Am Frühstückstisch saßen sie sich schweigend gegenüber, sie wunderbar ausgeschlafen, er mit rotgeränderten Augen - eines durch einen Mückenstich unattraktiv angeschwollen.

Vormittags geht es an den Strand: endlose Reihen von Liegestühlen, Meeresrauschen, Kindergeplärr. Beide unter dem Schirm, erste Reihe. Er präsentiert wie der personifizierte Vorwurf seinen von Mückenstichen übersäten Körper, starrt verdrießlich vor sich hin und verströmt die Botschaft "Bin gegen meinen Willen hier!" Sie verschanzt sich sicherheitshalber hinter einem dicken Wälzer, schlürft genüsslich eine Limonade und versucht, sich zu entspannen. Doch seine miese Laune ist nur schwer zu ignorieren.

Er: Hmmmmmmm.

Sie - regt sich nicht.

Er: Pffffffffffffffffffft.

Sie - schaut beharrlich in ihr Buch.

Er: Boaaaaaah.

Sie (gibt auf und legt genervt ihr Buch zur Seite): Ok, was ist los?

Er: Mir ist langweilig.

Sie: Na, dann lies doch was.

Er: Mein Liebling, ich tue seit Tagen nichts anders! Sogar einen von diesen abartig schlechten Psychothrillern aus der Bücherecke vom Hotel habe ich gelesen. Nur, weil du dich nicht für die Kultur dieses Landes interessierst und mich Tag für Tag an den Strand schleppst.

Sie: Also hör mal! Die ganze erste Woche haben wir bei schönstem Sonnenschein düstere Kirchen besichtigt und uns bei sengender Hitze durch irgendwelche Steinansammlungen gequält. Mag ja sein, dass du das anders siehst, aber ich für meinen Teil brauche jetzt erst einmal Entspannung. Lass mich einfach hier liegen.

Er: Das findest du entspannend? Ich finde das einfach nur öde. Wenn ich nur diese Horden halbnackter Leute sehe!

Sie: Jetzt sei doch nicht immer so negativ.

Er: Den ganzen Tag wie scheintot am Strand herumliegen und vor sich hinschwitzen. Wie hältst du das nur aus?

Sie: Das siehst du doch: Ich lese.

Er - seufzt demonstrativ und wischt sich den Schweiß von der Stirn.

Sie - starrt zunehmend verkrampft in ihr Buch, die Miene verdüstert sich.

Er (wälzt sich alle paar Sekunden hin und her oder schaut sich um. Schließlich springt er auf und zeigt auf seinen Arm): Siehst du? Ich habe schon Abdrücke vom Liegestuhl in meiner Haut - da, wo zwischen den Mückenstichen noch Platz war.

Sie: Das kommt davon, dass du kein Handtuch unterlegst.

Er (wölbt die Schultern nach vorne und macht einen Buckel): Findest du nicht, dass mein Körper bereits die Form der Liege angenommen hat?

Sie: Jetzt übertreibst du aber.

Er (hebt ein Bein und zeigt mit dem Finger darauf): Und guck mal hier! Deinetwegen hab ich mir sogar einen Sonnenbrand am Schienbein geholt, siehst du?

Sie: So so, und daran ist vermutlich mein kulturelles Desinteresse schuld. Hab' ich dir nicht gesagt, du sollst dich eincremen?

Er (schlüpft in Shorts und T-Shirt): Ich muss hier weg.

Sie: Wo willst du denn hin, jetzt in der Mittagshitze?

Er: Ich werde eine Runde durchs Dorf drehen.

Sie: Da gibt es doch nichts zu sehen!

Er: Wenn man einen Blick für Details hat, sieht man überall schöne Dinge. Ich brauche jetzt unbedingt ein bisschen Ästhetik und Kulturgeschichte um mich herum.

Sie: Was du brauchst, ist ein Sonnenhut.

Nach zwei Stunden kommt er angeschlichen, der Kopf rot wie eine Tomate. Er taumelt ein wenig. Gesehen hat er eine häkelnde Greisin, die vor ihrem Haus saß. Und ein paar streunende Katzen. Ohne ein Wort lässt er sich auf dem Liegestuhl nieder.

Sie (wendet den Blick nicht einmal vom Buch): Und, wie war's? Was gesehen?

Er: Ich hätte es wissen müssen, die haben hier keinerlei Sinn für Kultur.

Sie: Aha. Was du nicht sagst.

Er (windet sich unbehaglich): Hmmmmmmm.

Sie - regt sich nicht.

Er: Pffffffffffffffffffft.

Sie - schaut beharrlich in ihr Buch.

Er: Boaaaaaah.

Sie (wirft einen genervten Blick über den Rand ihres Buches zu ihm hinüber und erschrickt): Mein Gott, wie siehst du denn aus - du bist ja ganz verbrannt! Wärst du mal lieber hier geblieben - da verbrennt man wenigstens komfortabel, im Liegen.

Er: Das ist nicht lustig. Mir ist hundeelend. Ich glaube, ich habe einen Sonnenstich!

Sie: Du musst sofort zu einem Arzt!

Er: Nein, lass mich einfach hier liegen.

Doch keine Sorge, dieser Friede währt nicht ewig. Sobald er sich wieder erholt hat, wird er sich darüber ärgern, dass sie eine halbe Wüste auf dem Fliesenboden verteilt und die nassen Badeklamotten aufs Bett gelegt hat (natürlich auf seiner Seite). Und sie wird sich aufregen, dass er beim Duschen nicht nur das winzige Bad unter Wasser gesetzt, sondern auch noch das letzte warme Wasser verbraucht hat.

Jetzt hilft nur noch eines: Romantik. Und Essen, natürlich. Aber, ach nein - lesen Sie selbst, wie es weitergeht im nächsten Teil der Urlaubsausgabe von "Er sagt, Sie sagt".

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