Sommerwetter 2014:"Fort von allen Sonnen"

Freibad im Sommer 2014

Freibad in Deutschland im Sommer 2014 - nur 14 Grad hat es am 26. August im Grugabad in Essen.

(Foto: dpa)

Dieser Sommer, er ist von allem zuviel. Er ist zu heiß, zu nass, zu schwül, zu kalt. Warum tut man uns das an - und wie soll man es überhaupt ertragen? Fest steht nur: Es kann alles passieren in diesem August.

Von Bernd Graff

Von Friedrich Nietzsche, dem bedeutendsten Meteorologen unter den Philosophen, stammt eine Beschreibung des Sommerwetters 2014, die fälschlicherweise immer unter der Rubrik "Gott ist tot" diskutiert wird, die aber sehr treffsicher beschreibt, was gerade draußen vorgeht: "Wohin bewegen wir uns?", so geht es da schon mal los, und Nietzsche fragt weiter: "Fort von allen Sonnen? Stürzen wir nicht fortwährend? Und rückwärts, seitwärts, vorwärts, nach allen Seiten? Gibt es noch ein Oben und ein Unten? Irren wir nicht durch ein unendliches Nichts? Haucht uns nicht der leere Raum an? Ist es nicht kälter geworden? Kommt nicht immerfort die Nacht und mehr Nacht?"

Ja, so ist es: kälter geworden. Das erleben wir gerade, wenn wir aus dem Fenster schauen und nicht wissen, welche Jahreszeit gerade ist. Wobei in diesem nichtsnutzigen Sommer die Betonung auf "gerade" liegt. Denn es ist ja nicht so, dass dieser Sommer 2014 zu verregnet wäre oder zu kalt oder zu heiß oder zu schwül. Nein, er ist von allem zuviel. Er ist zu heiß, zu nass, zu schwül, zu kalt. Und das auch gerne mal im Minutentakt abwechselnd.

Ein Sommer, der kein Sommer ist

Und wenn es vielleicht mal einen halben Tag ein relativ stabiles Wetter gibt, dann ist es doch so, dass es vielleicht hier so stabil ist und 200 Meter weiter ganz anders stabil. Bei uns im schönsten Hochhaus, das die Süddeutsche Zeitung je hatte, ist es inzwischen oft so, dass man von einer Hausseite aus auf so ein Wetter schaut und von der anderen auf so ein Wetter - und die wechseln dann auch noch hausseitig.

Im Grunde kann man sich also auf nichts verlassen und Regenschirmtragen wird zur ersten Bürgerpflicht. Nehmen Sie aber bitte die stabilsten, die Sie kriegen können. Es kann ja sein, dass Sie von einem Tropensturm umgehauen werden, kaum, dass Sie ihn aufgespannt haben. Oder von einem Schneesturm, kann doch alles passieren in diesem August.

Was aber nicht geht in diesem Sommer, der kein Sommer ist, sondern ein Jahreszeitenmischmasch, den kein April je hinkriegen könnte, das ist sommerliches Verhalten und Bekleiden. Wissen Sie noch, was Flippflopps sind oder Badesachen? Draußen essen? Geht's noch?! Die Areale der Freibäder werden jetzt als Überflutungsgelände bei Hochwasser genutzt. Amphibienfahrzeuge sind deutschlandweit ausverkauft und Manolo Blahnik lässt High Heels in Gummi fertigen.

Große Ferien

Warum tut man uns das an - und wie soll man es überhaupt ertragen? Ja, es ist kälter geworden. Wir stürzen fort von allen Sonnen, und die Nächte werden sowieso schon lange wieder länger, die Tage immer kürzer. Und gewiss ist: So viele Sommer haben wir ja alle nicht mehr, dass man sie so verschwenden kann. Wo kommen wir denn dahin, dass wir die Sommer raushauen wie die Milliarden aus einem Rettungsschirm. Schirm - schon wieder! Es ist zum Verzweifeln.

Kürzlich hörte man, dass schon Meteorologen des ZDF von einem wütenden Mob in der Mainzer Innenstadt angefallen und verdroschen wurden, weil die aufgebrachten Menschen ja nur die Botschafter des schlechten Wetters prügeln können, nicht aber das Wetter selber. Was sollen sie auch machen! Die Kinder haben ja ausgerechnet jetzt Große Ferien, was heißt, dass sie nur noch vor irgendwelchen Digitalklump hocken. Die Laune wird davon ja nicht besser!

Ein Ausflug in den Zoo vielleicht? Bringt nichts. Das Viehzeug hat sich in die Unterstände verzogen. Munter wie ein Fisch im Wasser sind nur die Fische im Wasser, der Rest ist nur im Wasser. Das bringt doch alles nichts mehr. Vor einigen Tagen war es hingegen so schwül, dass die Vögel tot vom Himmel fielen, tödlich erschöpft von der Anstrengung des Gegen-die-zähe-Luftbrühe-Anfliegens. Haben Sie in letzter Zeit mal Schwalben gesehen? Eben! Wenigstens sind auch die Wespen hin, aber in den Biergarten können wir ja eh nicht.

Novemberdezemberjanuarwetter

Der größte Witz am Wetter ist, dass wir angeblich immer noch in einer Zone gemäßigten Klimas leben. Das heißt: Es könnte alles noch viel schlimmer kommen, wenn sich in Wetterkreisen dann mal rumgesprochen hat, dass es mit der Mäßigung ja nun vorbei ist. Uiuiui! Was wird dann? Wahrscheinlich pendelt sich alles auf ein Novemberwetter ein, das ganzjährig währt.

Novemberdezemberjanuar ist dann immer, die Bäume benötigen kein Grün mehr, es herbstelt-wintert ohne Unterlass. Bald ist es soweit. Dann verkaufen sie ganzjährig Lebkuchen und Spekulatius. Ihr werdet es alles erleben! Alle reden vom Wetter? Ach! Reden wir nicht mehr davon! Doch Hand aufs Herz: Ist es nicht schon wieder kälter geworden?

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