Es ist erstaunlich, wie gut die Reflexe in Europa funktionieren. Ein französischer Sozialist als europäischer Wirtschafts- und Währungskommissar ist in Deutschland auch nach mehr als zehn Jahren Währungsunion nicht vorstellbar, ohne zugleich schaurige Vorstellungen über den Verfall solider Haushaltszahlen und der Sparmoral zu entwickeln. Dass es Frankreich und Deutschland waren, die einst die Regeln dazu brachen, wird offensichtlich ausgeblendet.
Irritierend ist, dass offenbar auch Bundeskanzlerin Angela Merkel diesen traditionellen Denkweisen nachhängt. Sie konzentriert tatsächlich einen Großteil ihrer Energie bei den laufenden europäischen Personalverhandlungen darauf, zu verhindern, dass der frühere französische Finanzminister Pierre Moscovici den mächtigsten EU-Wirtschaftsposten bekommt.
Offiziell sorgt sich Merkel darum, dass es für das wirtschaftlich ohnehin desolat dastehende Frankreich wenig hilfreich sei, wenn ein Landsmann blaue Briefe aus Brüssel schickt.
Tatsächlich geht es um Grundsätzliches. Wer in Brüssel Wirtschaftskommissar ist, der kontrolliert, wie Defizite berechnet oder Reformen umgesetzt werden. Der Kommissar hat es in der Hand, Daten flexibel auslegen und gesetzlichen Spielraum ausnutzen zu lassen - und bestimmt damit den Kurs der europäischen Haushaltspolitik. Die aber soll nach dem Willen Merkels konservativ bleiben.