Wandern unter Tage:Fahr zur Höhle!

Schellenberger Eishöhle am Untersberg

Welt aus Fels und Eis: Schmale Stege führen durch die Schellenberger Eishöhle am Untersberg.

(Foto: Karoline Meta Beisel)

Schon vor der beispiellosen Rettungsaktion für einen Forscher in der Riesending-Höhle war der Untersberg bekannt. Dort findet sich die Schellenberger Eishöhle, die einzige begehbare ihrer Art in Deutschland. Neugierige suchen hier den Kitzel der Dunkelheit unter Tage.

Von Karoline Meta Beisel

Übertriebene Eile ist ungesund. Das ahnte man schon, hier oben ist die Bedrohung aber sehr real: Wer keine Pause macht, riskiert einen Schnupfen. Denn vor dem eigentlichen Ziel liegt der Berg, genauer: der Aufstieg auf den Berg, gut 1000 Höhenmeter. Wer den geschafft hat und dann verschwitzt gleich hinabsteigt ins Dunkle, der wird schockgefrostet.

Der Untersberg in Berchtesgaden ist im Juni einer breiten Öffentlichkeit bekannt geworden. Ein Forscher war in der Riesending-Höhle verunglückt. In einer beispiellosen Rettungsaktion konnte er nach mehreren Tagen gerettet werden. Aber "bekannt geworden" trifft es eigentlich nicht richtig. Zumindest aus der Ferne kannte den Berg nämlich schon vorher jeder, der auf der A8 nach Salzburg unterwegs war: Wie ein mahnender Grenzer schaut der Untersberg von oben auf die alten Zollanlagen. Höhlenforscher kannten ihn eh. Und zwar nicht nur wegen der Riesending-Höhle. Der Untersberg ist praktisch hohl, sagen Einheimische. Und die Schellenberger Eishöhle, nur ein paar hundert Meter vom Riesending entfernt, kann man ganz offiziell besichtigen. Man sollte nur gut vorbereitet sein.

Der Eingang zur Höhle liegt am Fuß einer senkrechten Felswand, er sieht aus wie ein breites Mauseloch. Dahinter geht es abwärts in die Höhle. Außer Schnee und Wasser ist auch kalte Luft irgendwann einmal hier hineingefallen. Die ist schwerer als warme Luft und bleibt darum in der Höhle hängen. Es ist so kalt, dass das Eis in der Höhle nie völlig schmilzt, selbst an strahlenden Sommertagen wie diesem nicht.

Schmelzwasser, zu riesigen Säulen erstarrt

Trotzdem kostet es Johannes Auertaler einige Überwindung, bei mehr als 20 Grad Außentemperatur die langen Sachen aus dem Rucksack zu ziehen: ein Hemd, diese Stoffstücke, mit denen man aus einer kurzen eine lange Hose machen kann, eine Fleecejacke, eine Regenjacke. Der Tourist hat alles angezogen, was er dabei hat: "Zwiebel-Look heißt das, glaube ich!" Für das letzte Accessoire, einen roten Helm, greift er in die große Kiste, die neben dem verwaisten Hüttchen für den Höhlenführer steht. Dann heißt es: Warten.

Denn alleine darf man nicht hinein in den schwarzen Schlund. Aber während der Saison - je nach Schneelage etwa zwischen Pfingsten und Ende Oktober - gibt es immer zur vollen Stunde eine Führung. Mehr als 7000 Besucher finden so Jahr für Jahr den Weg hierher, heuer dürften es wegen des neuen Ruhms des Untersbergs wohl noch ein paar mehr werden. Auch für Johannes Auertaler waren die vielen Berichte über die Rettung ein Grund, den doch eher mühsamen Weg zur Höhle auf sich zu nehmen. "Aber meine Eltern waren in den Sechzigerjahren schon einmal hier."

Deutschlands größte Eishöhle wird schon seit dem 19. Jahrhundert erforscht, der Schellenberger Verein für Höhlenkunde, der heute auch die Führungen anbietet, erschloss die Höhle mit Treppen und Laufwegen. Ein Teil der Arbeit muss jedes Jahr aufs Neue gemacht werden. Blickt man von innen durch den Eingang hinaus, dann sieht man ein großes Stück blauen Himmels. Durch das Loch kommen Wasser und Schnee in die Höhle, die innen alles unter sich begraben. Im Frühjahr läuft Schmelzwasser auch durch Spalten im Inneren in die Höhle, wo es zu riesigen Säulen erstarrt. Natürlich nur, wenn es Schmelzwasser gegeben hat. Weil es davon im vergangenen Frühjahr nicht so viel gegeben hat, schaut die trotzdem imposante Eingangshalle darum heuer etwas anders aus als sonst.

Über eine in einen Eisfall eingelassene Wendeltreppe - der einzige Luxus in der ansonsten nur sparsam erschlossenen Höhle - geht es dann zum eigentlich Ziel des Ausflugs. Denn wenn man ehrlich ist, ist das Sehenswerte an einer Höhle ja vor allem das, was man eben nicht sehen kann: das Dunkle hinter der nächsten Windung, Gänge und Säle, die man nicht besichtigen darf, die man aber irgendwie zu fühlen meint - umso mehr, seit man die Bilder aus dem Riesending gesehen hat. Hinab ins Dunkle also. In die tiefer gelegenen Gänge verirrt sich kein Sonnenstrahl. Alle paar Meter verbreiten funzelige Karbidlampen an den Wänden Bergwerksatmosphäre - soweit das bei der Kälte möglich ist. Außerdem bekommt etwa jeder Fünfte eine Taschenlampe in die Hand gedrückt. Der Höhlenführer vorne erläutert und erzählt. Hinten hört man davon nicht viel. Macht aber nichts, es geht ja vor allem ums Sehen, beziehungsweise ums So-gut-wie-nichts-Sehen.

Der Pfad führt über ins Eis gesägte Stufen entlang einer Kluft zwischen schwarzem Fels auf der einen und geheimnisvoll glitzerndem Eis auf der anderen Seite weiter hinab in die nach einem ihrer Erforscher benannte Fuggerhalle gut 50 Meter unterhalb des Höhleneingangs. Auch hier tropft es von der Decke, nach schneereichen Wintern bilden sich am Boden und an der Decke Tropfsteine aus Eis. Heuer stehen hier nur ein paar wadenhohe Säulchen. Spektakulär ist die Halle trotzdem: Forscher haben das Alter des Eises im hinteren Teil per Pollenanalyse auf 3000 Jahre geschätzt.

Und dann gibt es noch die Geschichte von dem geheimnisvollen Ort unterhalb der Fuggerhalle. Vor beinahe 100 Jahren schlugen Forscher einen acht Meter langen Gang in das Bodeneis und fanden darunter einen weiteren Raum. Während des Zweiten Weltkriegs kümmerte sich niemand um die Höhle, der Schacht fror wieder zu. Seitdem hat kein Mensch diesen Raum betreten. Aber vielleicht versuchen die Höhlenforscher es in diesem Jahr noch einmal.

Zwei Wege führen zur Eishöhle: Vom Parkplatz bei Marktschellenberg an der B160 geht es über die Toni-Lenz-Hütte in drei bis dreieinhalb Stunden zum Eingang. Schwindelfreie können auch mit der Seilbahn ab St. Leonhard auf den Untersberg fahren und über den steilen Thomas-Eder-Steig in knapp zwei Stunden zur Höhle absteigen. Führungen finden je nach Schneelage von Pfingsten bis Ende Oktober zwischen 10 und 16 Uhr immer zur vollen Stunde statt. Erwachsene zahlen 7 Euro Eintritt, Kinder und Jugendliche 4 Euro. www.eishoehle.net

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