US Open:Wie in den 20er Jahren

US Open Tennis

US Open: Philipp Kohlschreiber bleibt in New York siegreich (hier beim Spiel gegen Facundo Bagnis).

(Foto: dpa)

Philipp Kohlschreiber erreicht als einziger deutscher Mann die dritte Runde bei den US Open - und trifft zum dritten Mal nacheinander auf John Isner. Eine historische Parallele sieht Kohlschreiber im Vorteil.

Von Jürgen Schmieder, New York

Philipp Kohlschreiber guckte verdutzt, dann marschierte er nach vorne ans Netz und gab seinem Gegner Michael Llodra die Hand. Der hatte angedeutet, aufgrund einer Verletzung nicht weiterspielen zu können und aufgeben zu müssen. Nach 30 Minuten war die Partie beendet. "Ich hätte mir gewünscht, vielleicht doch drei Sätze zu spielen, ein paar knifflige Situationen zu meistern und einen Matchball zu verwandeln. Nach zwei Tagen Pause habe ich noch gar keinen Turnierrhythmus", sagte Kohlschreiber danach: "Aber ich beschwere mich natürlich nicht, gewonnen zu haben und in der dritten Runde zu stehen."

Er trifft am Samstag auf John Isner, der Jan-Lennard Struff in drei Sätzen besiegte. Bereits in den vergangenen beiden Jahren hatte Kohlschreiber in der dritten Runde gegen den amerikanischen Gewalt-Aufschläger gespielt und jeweils knapp gewonnen. "Wir haben in Cincinnati schon darüber gesprochen, dass wir wieder gegeneinander spielen könnten - es ist fast schon ein Witz", sagte Kohlschreiber. Die Statistikfanatiker des amerikanischen Tennisverbandes suchten verzweifelt, ob es das bei den US Open schon einmal gegeben hatte - sie fanden keinen aktuelleren Eintrag als den aus den Jahren 1922 bis 1925, als sich William Tilden und William Johnston vier Jahre nacheinander im Finale begegnet waren.

"Das kann man im Training nicht imitieren"

Kohlschreiber erklärte, dass er sich auf die wuchtigen und präzisen Aufschläge Isners kaum vorbereiten könne: "Er schafft ja auch beim zweiten Aufschlag 180 Kilometer pro Stunde - und da ist auch noch Kick dabei. Ich kann mich daran erinnern, dass er im vergangenen Jahr einen zweiten Aufschlag präsentiert hat, der einfach über mich drüber gesprungen ist. Die Härte, der Winkel und der hohe Absprung sind Wahnsinn. Das kann man im Training nicht imitieren."

Überhaupt hat Kohlschreiber in der vergangenen Wochen sein Training umgestellt, bei Einheiten platziert er stets eine winzige Kamera auf dem Platz, um sich später eingehend betrachten zu können: "Ich werde dadurch keine beidhändige Rückhand mehr lernen, es geht eher um Kleinigkeiten: Fußstellung, Beinarbeit, Positionierung auf dem Feld. Ich habe gesehen, dass ich beim Return aggressiver agieren kann, dazu habe ich auch meinen Aufschlag umgestellt. Diese Kleinigkeiten fallen dann irgendwann einmal auf." Zudem hat er in New York immer wieder mit Novak Djokovic und Roger Federer geübt.

Kohlschreiber ist der einzige deutsche Mann, der bei diesem Turnier die dritte Runde erreicht hat. Die beiden Münchner Matthias Bachinger und Peter Gojowczyk dagegen scheiterten am Donnerstagabend in den großen Stadien auf dieser Anlage. Bachinger, 27 Jahre alt und in der Weltrangliste auf Platz 235 geführt, war nur der Nebendarsteller bei der "Night Session" im Arthur Ashe Stadium. Er gab vor mehr als 22 000 Zuschauern den eifrigen Sparringspartner für Andy Murray, mehr war er bei diesem 3:6, 3:6, 4:6 nicht. Nach weniger als zwei Stunden war die Aufführung vorbei.

"Ich kann das alles gar nicht glauben"

"Es war eine wunderbare Erfahrung für mich, in dieser Arena zu spielen, ich kann das alles noch gar nicht glauben", sagte Bachinger nach zehn seltsamen Tagen in New York. Er hatte kurzfristig einen Platz in der Qualifikationsrunde bekommen ("Ich bin am Dienstagnachmittag angekommen und habe am Mittwoch bereits meine erste Partie absolviert."), hatte dort alle drei Spiele gewonnen und war dadurch ins Hauptfeld gelangt. Er besiegte Radek Stepanek und bekam als Belohnung diese Partie in der größten Tennisarena der Welt. "Ich kann das alles gar nicht glauben", hatte er schon vor dem Spiel gesagt.

Gojowczyk hatte sich in der vergangenen Woche durch die Qualifikation gespielt, in der ersten Runde besiegte er dann seinen Landsmann Benjamin Becker. So kam er zu diesem Auftritt im zweitgrößten Stadion der Anlage in New York - und lieferte sich mit dem an Rang fünf gesetzten Kanadier Milos Raonic eine packende Partie. Dem wird ja durchaus zugetraut, in nicht allzu ferner Zukunft die Dominanz der "großen Vier" (Federer, Nadal, Djokovic, Murray) zu beenden.

Skurrile Duelle

Gojowczyk und Raonic präsentierten den knapp 10 000 Zuschauern eine spannende und teils hochklassige Partie, sie lieferten sich immer wieder skurrile Duelle am Netz, bei denen sie die Reaktion des anderen testeten und den Ball auch mal nur mit dem Schlägerrahmen übers Netz schubsten. Sie gewannen jeweils 20 Spiele, Raonic jedoch entschied die beiden Tie Breaks für sich, die zur Entscheidung im ersten und vierten Durchgang nötig waren - er gewann 7:6, 5:7, 6:4, 7:6.

Bleibt also bei den Männern aus deutscher Sicht nur Kohlschreiber - bei den Frauen absolvieren Angelique Kerber (gegen Belinda Bencic), Andrea Petkovic (gegen Caroline Wozniaki) und Sabine Lisicki (gegen Maria Scharapowa während der Night Session) am Freitag ihre jeweils dritte Partie. Aus Kohlschreibers Auftritten bislang lässt sich wenig lesen, dem klaren Erfolg gegen Facundo Bagnis folgte der 30-Minuten-Auftritt gegen Michael Llodra.

Er hofft nun, am Samstag schnell den Rhythmus zu finden, der ihm aufgrund der mangelnden Spielpraxis noch fehlt - und die dritte US-Open-Partie nacheinander gegen Isner zu gewinnen. Zum einen, weil er im Achtelfinale auf Novak Djokovic treffen könnte ("Für solche Partien arbeitet man."). Zum anderen natürlich, weil die Statistiker der USTA vermeldeten, dass Tilden auch alle Finals der 1920er gegen Johnston gewonnen hatte.

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