Studium ohne Abitur:"Hochschulen bleiben verschlossen"

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Wer in Deutschland studieren will, braucht Abitur - oder Geld. Zwar sollen sich die Hochschulen für Berufstätige öffnen, doch die Weiterbildungsprogramme sind allesamt gebührenpflichtig. Die Opposition findet das zynisch.

Von Johann Osel

Das Programm "Aufstieg durch Bildung", an dem fast 100 Hochschulen teilnehmen, gerät in die Kritik. Seit 2011 erhalten Hochschulen von Freiburg bis Wilhelmshaven die Förderung per Wettbewerbsverfahren; Ziel: "offene Hochschulen". So sollen neue Weiterbildungsangebote aufgebaut werden, die vor allem Berufstätigen, auch ohne Abitur, ein Studium eröffnen. Meist sind es berufsbegleitende Studiengänge oder flexible Fortbildungen. Die Konzepte sollen sich zudem an Wiedereinsteiger nach einer Familienzeit oder an arbeitslose Akademiker richten.

"Lebenslange Weiterbildung und die Öffnung der Hochschulen für neue Zielgruppen sind zeitgemäße Antworten auf Fachkräftebedarf und demografischen Wandel", sagte Bildungsministerin Johanna Wanka (CDU) zum Start der jüngsten Runde. Nun hegt die Linke im Bundestag allerdings Zweifel am Sinn des Projekts - und beruft sich auf die Antworten der Regierung auf eine Kleine Anfrage, sie liegen der Süddeutschen Zeitung vor.

Daraus geht hervor, dass wohl alle Konzepte nach der Entwicklung als gebührenpflichtige Angebote geplant sind. Zwar ist es in der Weiterbildung üblich, dass Studenten zur Kasse gebeten werden; dabei wird aber kaum der Gerechtigkeitsgedanke derart propagiert. Die Interpretation der "offenen Hochschulen" durch die Linke lautet: "Hochschulen bleiben verschlossen."

Das Geld sei falsch investiert

Die hochschulpolitische Sprecherin der Fraktion, Nicole Gohlke, sagt: "Gebührenpflichtige Angebote als Weg zu einer offenen Hochschule zu bezeichnen grenzt an Zynismus. Die Bundesregierung scheint in ihrem Förderprogramm nicht primär den Bedürfnissen derjenigen entgegenzukommen, für die die Hochschulen verschlossen sind, sondern eher den Interessen der Wirtschaft und der Unternehmen." Im Zentrum "steht der Ausbau von Bildungsangeboten, deren Inhalte ökonomisch verwertbar sind". Fazit: Das Geld sei so falsch investiert.

Der Bund stellt von 2011 bis 2020 gut eine Viertelmilliarde Euro bereit. Die Hochschulen erhalten für ihre Konzepte bis zu 3,5 Millionen Euro. Das Programm sei "eine Antwort auf die zunehmende Pluralisierung persönlicher Lebensverläufe", heißt es vom Ministerium. "Komplementär" gebe es auch Weiterbildungsstipendien.

Tatsächlich haben die Hochschulen den Bedarf an Weiterbildung verschlafen. "Die meisten sind im Selbstverständnis immer noch ausschließlich auf das Lebensalter zwischen 18 und 25 ausgerichtet", sagt Volker Meyer-Guckel vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft. Das Projekt kann hier wohl Impulse setzen. "Dass die Durchlässigkeit des Bildungssystems verbessert werden muss, ist unbestritten", sagt Gohlke. Aber: "Ein Bezahlstudium ist damit nicht zu vereinen."

© SZ vom 01.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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