Benedikt Höwedes bei Schalke 04:Vom Jogi erleuchtet

Benedikt Höwedes

Strahlt plöztlich viel: Benedikt Höwedes

(Foto: dpa)

Weltmeister Benedikt Höwedes ist bei Schalke in neuer Rolle unterwegs. Seit er in Rio den Goldpokal berührt hat, ist eine merkbare Veränderung mit ihm geschehen: Der Verteidiger strahlt auch in ganz normalen Situationen - und zeigt sich offenherzig wie nie.

Von Philipp Selldorf, Gelsenkirchen

Von Benedikt Höwedes sagen die Leute in seinem Verein, dass er seit der Heimkehr aus dem WM-Urlaub über dem Erdboden schwebe wie ein vom Yogi Erleuchteter. Sie mögen damit übertreiben - aber lediglich ein bisschen. Beim Training berührt Höwedes zwar zweifelsfrei mit seinen Schritten den Rasen, doch ist es ebenso zweifelsfrei nicht mehr derselbe Höwedes. Nachdem der 26-Jährige in Rio de Janeiro den Goldpokal hat berühren dürfen, sei "eine merkbare Veränderung" mit ihm geschehen, berichten Zeugen in Gelsenkirchen - "er strahlt auch in ganz normalen Situationen". Wie erleuchtet eben. So etwas hat man in Schalke noch mit keinem Fußballer erlebt.

Allerdings hat man in Schalke auch noch keinen solchen Weltmeister wie Höwedes ehren dürfen, der beim Turnier in Brasilien keine Spielminute versäumte: Berni Klodt hatte 1954 eine Nebenrolle in Sepp Herbergers Heldenkader; Helmut Kremers und Norbert Nigbur blieben 1974 ohne Einsatz; der ewige Königsblaue Olaf Thon gehörte 1990 dem FC Bayern an. Gerald Asamoah war bisher der einzige WM-Endspiel-Schalker, doch die Goldmedaille blieb ihm 2002 in Japan versagt.

Nun wird der Verein seine beiden Champions, neben Höwedes auch Julian Draxler, an diesem Samstag vor dem Spiel gegen den FC Bayern ehren, in "würdigem und großem Rahmen", wie es heißt. Von einer Ehrung für das langjährige Klubmitglied Manuel Neuer wird abgesehen, obwohl Präsident Clemens Tönnies auf der Siegesfeier in Rio mit dem Münchner Torwart ein lautstarkes Gesangsduett gebildet hatte und sich zufrieden äußerte über Schalkes quasi maßgeblichen Anteil am Titel. Manuel Neuer und Mesut Özil eingemeindend, sprach der Klubchef von "unseren vier Weltmeistern".

Doch viel schneller, als er damals ahnte, sind die alten Sorgen nach Gelsenkirchen heimgekehrt. Tönnies schwänzte am vorigen Samstag Teile einer Familienfeier, um beim Saisonstart in Hannover dabei sein zu können, das hat er bitter bereut. Beim 1:2 verbummelte die Elf träge die erste Hälfte, später fing sie sich trotz Führung zwei Kontertore. Altbekannte Probleme. Ungewohnt war hingegen, wie der Kapitän Höwedes in den Interviews die Fehler ansprach - in einer Deutlichkeit, die ihn später zur Entschuldigung nötigte, weil jeder sofort verstanden hatte, dass Kevin-Prince Boateng die Adresse seiner Kritik war.

Zwar ist Höwedes als Kapitän von Amts wegen für klare Direktiven zuständig, aber bis jetzt trat vor allem Boateng (der gegen die Bayern verletzungshalber fehlen wird) als Wortführer alter Schule auf. In heiklen Momenten hielt er Ansprachen an die Mannschaft, er griff auch schon ins taktische Schema des Trainers ein, und er redete in Interviews, als wäre er der Chefideologe der Kabine. Im Vergleich mit Boateng wirkte Höwedes wie ein Bundespräsident: Erster Mann im Staat, als solcher aber nur mäßig wichtig. Jetzt spekulieren die Verantwortlichen auf den Weltmeister-Effekt. Trainer Jens Keller erhofft sich davon "wahnsinnig viel für unsere Mannschaft", Höwedes soll "Souveränität und Begeisterung reinbringen". Dass sich der Verteidiger neulich für "unsterblich" erklärt hat (wenn auch nur im Denkmalssinn), wird nicht als Größenwahn, sondern als Zeichen gesunder Stärke gewertet. Wie auch sein Bekenntnis zur Haartransplantation. Für so viel Offenheit hätte sich Höwedes früher gewaltsam überwinden müssen.

Am Samstag wird ihm sein Trainer beim Wiedersehen mit den Münchner WM-Freunden wohl wieder die fremde Rolle geben, die er in Brasilien besetzen musste. Stammverteidiger Sead Kolasinac ist am Kreuzband operiert worden, Dennis Aogo nicht ausreichend fit. Höwedes könnte auf der linken Seite aushelfen. Mildernde Umstände sind garantiert. Die Bayern seien "der klare Favorit", meint Torwart Ralf Fährmann - nicht nur, weil sie noch mehr Weltmeister haben als Schalke.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: