Wahlerfolg der AfD in Sachsen:Ohne jedes Zittern

Landtagswahl Sachsen

Frauke Petry, Spitzenkandidatin der AfD in Sachsen, auf dem Weg zur Wahlparty: "Die AfD ist angekommen."

(Foto: dpa)

Fünf Prozent waren an diesem Wahlsonntag keine Herausforderung für die AfD. In Sachsen wollte die Partei zeigen, dass sie eine neue feste Größe in der deutschen Parteienlandschaft werden könnte - eine Art FDP, nur deutlich weiter rechts.

Von Jens Schneider, Dresden

Vor dem Eingang zum Keller steht ein rot lackierter Trabi und wirbt für die "AfD - Mut zu Sachsen". Dreiarmige Leuchter mit roten Kerzen stehen auf den Tischen unter dem alten Gewölbe. Die sächsische Alternative für Deutschland hat zu ihrer Wahlparty in den alten Festungskeller geladen, ein Restaurant am Rand der Brühlschen Terrassen in Dresden. Schon kurz vor Schließung der Wahllokale in Sachsen geht ein Mitarbeiter durch das dunkle Gemäuer und zündet die Kerzen an, die Stimmung ist vorzeitig bestens. Es spricht sich herum, dass die Partei das ersehnte Ziel, den ersten Einzug in einen deutschen Landtag, erreichen könnte. Ohne jedes Zittern.

Nichts scheint sie aufzuhalten, auch nicht die schlechten Nachrichten, die Frauke Petry, die 39-jährige Spitzenkandidaten, kurz vor der Wahl in Sachsen ereilten. Da ist bekannt geworden, dass die Staatsanwaltschaft gegen die AfD-Spitzenkandidatin ermittelt, wegen des Verdachts der Insolvenzverschleppung. Es geht um die Frage, ob sie für ihre Firma Purinvent - einst ein sächsisches Vorzeigeprojekt, das dann aber ins Schlingern geriet - die Insolvenz zu spät angemeldet hat.

Eine neue feste Größe

Einzelheiten sind nicht bekannt. Frauke Petry wies die Anschuldigungen als ungerechtfertigt zurück, sie sehe den Ermittlungen gelassen entgegen. Sie steht auch vor der Privatinsolvenz, doch damit wollte sich an diesem Abend bei der Party der AfD an den Brühlschen Terrassen über der Elbe niemand beschäftigen. Ein Ergebnis von fast zehn Prozent, das hatten auch hier nur Optimisten glauben wollen. "Die AfD ist angekommen", ruft Petry ihren Anhängern nun zu, "sie ist angekommen in Sachsen, und sie ist angekommen in Deutschland."

Eine neue FDP, anders, deutlich weiter rechts

Hier in Sachsen wollte die AfD zeigen, dass sie eine neue feste Größe in der Parteienlandschaft werden könnte, vielleicht, wie manche sagen, eine neue FDP, anders, deutlich weiter rechts, vor allem in einem Land wie diesem. Sachsen war bis zu diesem Tag eine der letzten Bastionen der Liberalen im Osten - neben Brandenburg, wo sie noch mit einer Fraktion vertreten sind, zumindest bis zur Landtagswahl in zwei Wochen, und in Thüringen. Die sächsische FDP unter Holger Zastrow, noch vor fünf Jahren bei einem Rekordergebnis, hatte seit Monaten versucht, immer größere Distanz zur Bundespartei aufzubauen. "Sachsen ist nicht Berlin", hieß zuletzt der Slogan. Es half ihm nicht, viel besser als im Bund hat Zastrows Landesverband nun auch nicht abgeschnitten.

Als kleinste der Kleinen steht die FDP, bisher noch Regierungspartei, jetzt da; die Grünen haben es knapp wieder in den sächsischen Landtag geschafft. Auch die NPD ist raus - das wird erst am späten Abend zur Gewissheit. Die Rechten, die trotz ihrer vielen öffentlich ausgetragenen Skandale in einigen Regionen Sachsens fest verwurzelt sind, liegen nach einem ständigen Hin und Her am Ende bei 4,95 Prozent und scheitern knapp: Es fehlen 809 Stimmen. Die Wahlerfolge der AfD hat den Rechtsextremisten genauso geschadet wie den anderen Parteien.

Sachsen als Signal

Bei der AfD kommen unterdessen immer mehr Mitglieder in den Festungskeller, einzelne nähern sich mit schrillem Gebrüll. Frauke Petry ruft ihren Anhängern zu, dass sie nicht übermütig werden sollen. Bevor sie dann in den Landtag geht, in die Fernsehstudios. "Wir müssen jetzt Profis werden", mahnt sie und blickt voraus auf Brandenburg und Thüringen.

Für die beiden Länder soll Sachsen das Signal sein. "Wir werden den Staffelstab aufnehmen", sagt Brandenburgs AfD-Landeschef Alexander Gauland, er ist aus Potsdam in den Festungskeller gekommen. Der Erfolg in Dresden soll am 14. September den Landesverbänden in Brandenburg und Thüringen Schub geben, um über die Fünf-Prozent-Hürde zu kommen.

So könnte der politische Kalender der jungen Partei zugutekommen. Im Freistaat ist die Wählerschaft mehrheitlich konservativ, Linke und Sozialdemokraten sind deutlich schwächer als anderswo. Noch im ersten Jahrzehnt nach der Wiedervereinigung konnte der alles überstrahlende Ministerpräsident Kurt Biedenkopf auch die rechtskonservativen Wähler für die CDU einbinden. Das ist längst vorbei. Im Jahr 2009 konnte vor allem die FDP diese Wähler anziehen. Nach deren Implosion füllte die AfD schon bei der Bundestagswahl die Lücke aus, erzielte aufs Land gerechnet 6,8 Prozent.

Sachsen war für die Polit-Neulinge in noch einer anderen Hinsicht ein Experimentierfeld. Die Wahl sollte beweisen, dass die AfD mehr sein kann als ein Sammelbecken für Euro-Kritiker. Das für ihre Entstehung bestimmende Thema behandelten AfD-Wahlkämpfer bestenfalls noch als eines unter vielen. Stattdessen stellte die AfD ihre Forderung nach einer schärferen Asylpolitik in den Vordergrund - im Wissen, dass so etwas bei vielen Wählern im Osten ankommt. So sehr man sich offiziell von der rechtsextremen NPD abgrenzte: Es fiel auf, dass einzelne Slogans auf die Ressentiments vieler Wähler ansprechen sollten. Man setzte auf die Angst vor Kriminalität und forderte die Wiedereinführung von Kontrollen an den Grenzen zu Polen und Tschechien.

Dazu versuchte Parteichefin Petry, Mutter von vier Kindern und Frau eines Pfarrers, sich mit Thesen zur Familienpolitik zu profilieren, sie erklärte die Drei-Kind-Familie zum Ideal. Die AfD wünschte mehr deutschsprachige Musik im Radio und versprach die Abschaffung der Rundfunkgebühren. Für sie wäre auch eine Regierungsbeteiligung infrage gekommen. Nach der Absage von Regierungschef Tillich stand aber nur noch im Mittelpunkt, dabei zu sein. "Um in der deutschen Politik mitreden zu können", so Petry, "müssen wir in die deutschen Parlamente."

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