Nato-Gipfel zur Ukraine:Ein Partner, kein Mitglied der Familie

A controller sits at screens aboard NATO AWACS aircraft during surveillance flight over Romania from AWACS air base in Geilenkirchen

Ein Awacs-Aufklärungsflugzeug der Nato ist im rumänischen Luftraum unterwegs. Bislang endet das Bündnisgebiet an der ukrainischen Grenze.

(Foto: REUTERS)

Bislang unterstützt die Nato das ukrainische Militär - aber nur indirekt und mit Know-how. Der anstehende Nato-Gipfel will zwar weitere Hilfe beschließen, doch Präsident Poroschenko erwartet deutlich mehr.

Von Daniel Brössler, Brüssel

Das werden wichtige Bilder für Petro Poroschenko: Handschlag mit US- Präsident Barack Obama, Arbeitssitzung mit den Staats- und Regierungschefs aller Nato-Staaten. An diesem Donnerstag, wenn sich im Rahmen des Gipfels in Wales die Nato-Ukraine-Kommission trifft, wird es ein paar Augenblicke lang so aussehen, als gehöre der Präsident dazu, als sei das osteuropäische Land Mitglied einer transatlantischen Familie.

Mit der Wirklichkeit allerdings hat das wenig zu tun, und niemandem ist das vermutlich schmerzlicher bewusst als Poroschenko selbst. Gegen die "direkte und offene Aggression" Russlands gegen sein Land, von der Poroschenko sprach, wird ihm das westliche Bündnis keinen Beistand leisten - jedenfalls nicht militärisch.

Zwar wird sich der Nato-Gipfel im walisischen Newport im Kern um die völlig neue Lage drehen, die Russland durch die Annexion der ukrainischen Krim und seinen Einfall in den Osten des Nachbarlandes geschaffen hat. Ein Aktionsplan soll die Verteidigungsbereitschaft erhöhen und die Präsenz im Osten des Bündnisgebietes stärken. Der Nutzen für die Ukrainer selbst, die am Montag den Flughafen Luhansk den Separatisten überlassen mussten, aber wird begrenzt bleiben. Als die Nato vergangene Woche Satellitenbilder präsentierte, die das massive russische Militärengagement im Osten der Ukraine beweisen sollen, war die Frage aufgekommen, was die Allianz für das Land tun könne. "Das, was wir hier tun: informieren", gab der Chef des Krisen- und Operationszentrums der Nato in Mons, Brigadegeneral Nico Tak, trocken zur Antwort.

Unterstützungsfonds statt Verteidigung

Obwohl der Nato häufig aggressive Motive unterstellt werden, handelt es sich um ein Verteidigungsbündnis. Die Beistandspflicht nach Artikel 5 des Nato-Vertrags gilt nur für die 28 Mitglieder. Die Ukraine gehört zwar zu den Partnern der Nato, Mitglied aber ist sie nicht. Und so können sich eine militärische Konfrontation mit der Nuklearmacht Russland wegen der Ukraine nicht einmal Falken vorstellen.

Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen, der in diesen Tagen häufig gefragt wird, was die Ukraine denn an Unterstützung vom westlichen Bündnis zu erwarten habe, spricht von "konkreten Schritten", die nun auf den Weg gebracht werden sollten. Dabei verweist er auf Unterstützungsfonds, die auf dem Gipfel beschlossen werden sollen. In den Bereichen Logistik, Führung, Cyberabwehr und Hilfe etwa für verwundete Militärangehörige soll den Ukrainern geholfen werden. Einige Länder haben schon finanzielle Zusagen für diese Fonds gemacht. Mit wie viel oder wenig Geld die Ukrainer rechnen können, wird aber erst in Wales klar werden.

Allerdings beschränkt sich die Hilfe nicht auf die Fonds. Als Partnerland wird die Ukraine von der Nato bei der Modernisierung seiner Streitkräfte unterstützt. Seit mehreren Jahren schon gibt es in Kiew zwei Nato-Büros - eines, das die ukrainische Öffentlichkeit über das Bündnis informieren soll, sowie eines, das ukrainische Militärreformen begleitet. Das Bündnis berät die Ukrainer in mehreren Bereichen, unter anderem bei der Modernisierung von Kommandostrukturen. So gewinnt die Nato auch vergleichsweise tiefe Einblicke in den Zustand der ukrainischen Streitkräfte. Einblicke, die das Gefühl großer Sorge zuletzt eher noch verstärkt haben.

Ukraine für die Nato sehr engagiert

Die italienische Zeitung Repubblica schreibt Wladimir Putin den Satz zu: "Wenn ich will, kann ich Kiew in zwei Wochen einnehmen." Unabhängig davon, ob der Kremlchef das in einem Telefonat mit EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso wirklich gesagt hat, entspräche diese Drohung wohl den Tatsachen. Als vollkommen klar gilt, dass die Ukraine gegen ein entschlossenes Russland militärisch ohne Chancen ist. Auch das steht dahinter, wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel und andere Politiker davon sprechen, militärisch sei der Konflikt nicht zu lösen.

In gewisser Weise engagiert sich die Ukraine für die Nato militärisch spürbarer als umgekehrt. Das Land ist Teilnehmer der Partnerschaft für den Frieden und engagiert sich in mehreren von der Nato geführten Einsätzen. So sind 160 Ukrainer Teil der Kfor-Mission in Kosovo. Länder, die wie etwa Georgien der Nato beitreten wollen, betrachten solche Einsätze immer auch als Empfehlungen für den Aufnahmeprozess.

Kein konkretes Beitrittsdatum

Im Falle der Ukraine liegen die Dinge allerdings komplizierter. Nach der orangenen Revolution hatte sie sich der Nato zugewandt und den Beitritt angestrebt. 2008 auf dem Nato-Gipfel in Bukarest erhielt sie dann einen Korb erster Klasse. Man begrüße die euroatlantischen Bestrebungen der Ukraine und Georgiens, beschlossen die Staats- und Regierungschefs damals. Und: "Wir sind übereingekommen, dass diese Länder Mitglieder der Nato werden." Ein Datum oder eine konkrete Perspektive wurde, nicht zuletzt auf Betreiben von Kanzlerin Merkel, damit aber nicht verbunden. Anders als Georgien gab die Ukraine ihre Bemühungen auf und kehrte - vor allem im Interesse eines guten Verhältnisses zu Russland - zu einer Politik der Blockfreiheit zurück.

Nun aber, da sich die Ukraine von Russland angegriffen sieht, hat die Regierung in Kiew eine erneute Wende vollzogen. Ministerpräsident Arsenij Jazenjuk hat angekündigt, die Ukraine wolle wieder den Nato-Beitritt betreiben. Ein entsprechendes Gesetz soll nach der Wahl vom neuen Parlament verabschiedet werden. An Merkels Widerstand dürfte das nichts ändern.

Man werde jede Entscheidung der Ukraine respektieren, stellte Generalsekretär Rasmussen am Montag zwar klar. Ein Beitrittsverfahren könne, sagte er aber auch, eine langwierige Sache sein.

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