DFB-Elf vor den Länderspielen:Applaus für einen Schluck Wasser

So ist das als Weltmeister: Das erste Treffen der deutschen Nationalspieler nach der WM in Brasilien gerät zur Jubelveranstaltung. Sogar der goldene Pokal wird ausgepackt - doch nun beginnt ein nüchterneres Kapitel.

Von Lisa Sonnabend, Düsseldorf

Thomas Müller steht am Mittelkreis, redet auf Mario Gomez ein. Müller gestikuliert mit den Armen, er wirft den Kopf nach hinten, lacht auf. Der Bayern-Spieler erzählt und erzählt. Gomez nickt artig. Müller hat aber auch viel erlebt, während Gomez seine verflixte Verletzung in Florenz auskurierte. Dann bläst Joachim Löw in die Trillerpfeife.

Zum ersten Mal seit dem WM-Triumph von Rio sehen sich Thomas Müller und die anderen Weltmeister im Kreise der Nationalmannschaft wieder - und die Fußballnation sieht ihnen dabei zu. Das Training am frühen Montagabend wird zum Massenereignis. Fast 45.000 Anhänger sind ins Düsseldorfer Stadion gekommen, als die Nationalspieler sich erstmals das Trainingsleibchen - mit nun vier Sternen - überziehen.

Am Mittwoch trägt die DFB-Elf ein Freundschaftsspiel aus, die Ironie der Fußballgeschichte will es, dass der Gegner des lange vor der WM vereinbarten Testkicks Argentinien heißt. Auch dafür gibt es keine Karten mehr.

Joachim Löw bläst noch einmal in die Trillerpfeife. Auf der Gymnastikmatte schraubt Benedikt Höwedes seinen langen Körper zur Kerze, Manuel Neuer hechtet einem Ball hinterher, den Torwarttrainer Andreas Köpke ihm zukickt. Die vornehmlich jungen Zuschauer schwenken Fähnchen, nach acht Minuten geht erstmals die La-Ola-Welle durchs Stadion.

Als Lukas Podolski sich beim Warmlaufen der Tribüne nähert, johlt das Publikum. Als André Schürrle an der Nordtribüne vorbeitrabt, kreischt ein Mädchen laut auf. Schürrle winkt. Toni Kroos wiederum bekommt sogar Applaus dafür, dass er einen Schluck Wasser aus einem Plastikbecher trinkt. Herzlich Willkommen, ihr Weltmeister!

Eine gute Stunde trainieren die Nationalspieler vor der imposanten Kulisse. Es ist kein allzu intensives Training, aber auch keine Showveranstaltung. Löw lässt Passkombinationen üben. Er blickt streng, tritt immer wieder ein Stück Rasen fest. Einmal nimmt er Marco Reus zur Seite, redet lange auf ihn ein, dann klopft er ihm auf die Schulter. Nach der Hälfte der Einheit geht es im kleinen Spielfeld acht gegen acht. Jedes Tor wird lautstark bejubelt, sogar wenn Manuel Neuer eins rein bekommt. Müller und Reus treffen ständig, Götze und Gomez nie.

Sogar der Pokal ist dabei

Die neunjährige Finja ist mir ihrem Vater und ihrem Bruder Silas ins Stadion gekommen. Sie trägt ein Deutschlandtrikot und beobachtet das Training genau. Mit ihrem Lieblingsspieler Thomas Müller ist sie durchaus zufrieden. "Schon fast wieder in WM-Form", findet sie. Eine Reihe weiter vorne sitzen Leo und Vano. Sie sind das erste Mal in ihrem Leben in einem Fußballstadion, ihr Vater, Gladbach-Fan, sagt: Sie könnten jetzt eigentlich öfter gehen. Doch Vano schaut an diesem Montagabend missmutig drein. Er wollte unbedingt Mesut Özil sehen, doch ausgerechnet der fehlt verletzt.

Ehe die Spieler zum Duschen verschwinden, treten sie noch 500 Mini-Fußbälle in die Ränge. Ron-Robert Zieler befördert eine Kugel fast bis unter das Stadiondach. Ordner verteilen Poster der WM-Mannschaft. Es versteht sich von selbst, dass selbst Dreijährige alle Namen korrekt zuordnen können. Die Erziehungsberechtigten sind indes damit beschäftigt, noch einmal für Limo- und Bratwurstnachschub zu sorgen.

Als Löw ein Mikrofon unter die Nase gehalten bekommt, sagt er pflichtbewusst: "Eure Unterstützung hat uns die ganze WM lang begleitet und motiviert." Mario Götze wird sogar noch ein bisschen rührseliger, der Finaltorschütze meint: "Ohne die Fans wäre es nicht so schön gewesen." Und dann ist da plötzlich der WM-Pokal. Höwedes reckt ihn noch einmal in die Luft, wenn auch nicht mehr ganz so enthusiastisch wie noch im Maracanã-Stadion oder auf der Berliner Fanmeile.

Ehe die DFB-Elf wieder gemeinsam ein Spiel bestreitet, sind auch nach dem Schautraining noch einige Termine zu absolvieren. Ein Fotoshooting für ein Autogrammkartenset mit allen 23 Weltmeistern steht an, sogar die nachweislich unfitten Bastian Schweinsteiger und Shkodran Mustafi reisen deswegen an. Es gilt zudem zu bestimmen, wer nach dem Rücktritt von Philipp Lahm der neue Kapitän wird und wer künftig als Ko-Trainer die Nationalspieler über den Platz scheucht.

So richtig ernst wird es dann am Sonntag. Das erste Qualifikationsspiel für die EM steht an. Ein neues Kapitel beginnt, das Kapitel WM 2014 endet. Für das Spiel gegen Schottland in Dortmund sind dabei längst nicht alle Karten verkauft.

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