Wes Andersons Erfolg:Gaudi vor Geld

Ralph Fiennes als Monsieur Gustave in einer Szene von "The Grand Budapest Hotel".

In bedrängter Lage: Ralph Fiennes als Monsieur Gustave (rechts) in einer Szene von "The Grand Budapest Hotel": Spaß hatte der Schauspieler trotzdem am Set.

(Foto: Twentieth Century Fox)

Wie schafft es Wes Anderson bloß, dass in seinen Filmen so viele Stars für kümmerliches Geld spielen? Zum DVD-Start von "The Grand Budapest Hotel" haben wir uns mal in Görlitz umgehört, wo der Film gedreht wurde.

Von Paul Katzenberger, Görlitz

Görlitzer Nächte können lang sein. In der imposanten Altstadt, vollgestellt mit Barock- und Renaissancebauten, genießt man schließlich in etlichen gemütlichen Kneipen die niederschlesische Gastfreundschaft. Eine davon ist das Patrizierhaus St. Jonathan in der Peterstraße, eine Gehminute vom zentral gelegenen Hotel Börse am Untermarkt entfernt.

Dass Wes Anderson hier landen würde, war absolut absehbar. Der amerikanische Regisseur hatte sich und seine Entourage im November 2012 mehrere Monate ins Hotel Börse einquartiert. Der Aufenthalt des Hollywood-Trosses im südöstlichsten Zipfel Deutschland war notwendig geworden, weil Anderson um die Jahreswende 2012/2013 in Görlitz seine schräge Kapriole "The Grand Budapest Hotel" realisierte. Ein Jahr später feierte er damit auf der Berlinale eine umjubelte Premiere.

Anderson ist bekannt dafür, dass er für seine Filme immer wieder eine kaum zu überbietende Besetzung an großen Namen hinbekommt, obwohl er mickrige Gagen zahlt. Die Stars reißen sich darum, mit ihm zu arbeiten, denn er genießt in der Branche einen legendenumwobenen Ruf.

Da sind erstens seine ganz eigenen Filme, die stets diesen merkwürdig leichten Touch haben, hinter dem sich allerdings große Themen und Gefühle verbergen. Da ist zweitens aber auch die Atmosphäre an seinen Sets, die so erquicklich sein soll, wie kaum bei einem anderem Regisseur. Nicht nur gilt er als unprätentiöser Kumpel, der schon mal selbst zur Schneeschaufel greift, wenn das notwendig sein sollte, sondern auch als besonders fürsorglich.

Schneeschippen in Görlitz: Wes Anderson (links) bei der Arbeit.

Schneeschippen in Görlitz: Wes Anderson (links) bei der Arbeit.

(Foto: Twentieth Century Fox)

Und das erklärt wohl, warum er eine ganze Film-Familie um sich geschart hat. Für "The Grand Budapest Hotel" gaben ihm auf einen Schlag Tilda Swinton, Willem Dafoe, Ralph Fiennes, Lea Seydoux, Harvey Keitel, Jeff Goldblum, Jude Law und Bill Murray die Zusage, und das sind noch längst nicht alle großen Namen, die in dem Film-Märchen auftauchen.

Restaurant-Reservierung für drei Monate

Internationale Superstars des Filmgeschäftes fielen somit in erklecklicher Anzahl in die sächsische Provinz ein. Die Görlitzer sind das inzwischen sogar schon ein bisschen gewohnt, die Stadt bietet mit ihrem strengen Denkmalschutz gute Bedingungen für Filmproduktionen, was ihr den Spitznamen "Görliwood" eingetragen hat.

Szenen, die hier gedreht wurden, finden sich etwa in "Der Vorleser" mit Kate Winslet und David Kross, oder in "Der Turm", der Fernsehverfilmung von Uwe Tellkamps DDR-Sittengemälde mit Jan Josef Liefers in der Hauptrolle. Doch dass hier ein Film in der Größenordnung von "The Grand Budapest Hotel" nahezu vollständig realisiert wurde, das gab es noch nie. Die Gelegenheit, die ganz spezielle Arbeitsweise Wes Andersons in der sächsischen Provinz kennenzulernen, war daher einmalig.

Wie die Methode "Anderson" funktioniert, erlebte kurz nach Beginn der Dreharbeiten etwa Matthias Holfert, der Wirt des Patrizierhauses St. Jonathan in der Peterstraße. Eines Abends im Winter 2012 sei Anderson vor ihm gestanden und habe sich den größten Tisch des Restaurants zeigen lassen, erinnert sich Holfert. Diese Banketttafel stand im ersten Stock, und als Anderson sie inspiziert habe, habe er kurz genickt und gesagt: "Diesen Tisch reserviere ich für drei Monate."

"Eine einzige große WG"

Der Untermarkt in Görlitz mit dem Hotel Börse (links) und dem Rathaus (im Hintergrund).

Der Untermarkt in Görlitz mit dem Hotel Börse (links) und dem Rathaus (im Hintergrund).

(Foto: Christian Schulz/Fox Entertainment)

Wochenlang muss es dann im ersten Stock des Patrizierhauses St. Jonathan sehr lustig zugegangen sein. Hier fanden sich nach den Dreharbeiten die Herren Fiennes, Law, Dafoe und die Damen Swinton, Seydoux, Ronan und so weiter ein, es wurde getafelt und gesoffen, überliefert ist, dass Tilda Swinton die üppigen Zechen oft mit Barem bezahlte, das sie einem großen Umschlag entnahm.

Auch im Hotel Börse war die Atmosphäre allem Anschein nach traut. "Das war eine einzige große WG", erinnert sich der Görlitzer Kultur-Bürgermeister Michael Wieler, der von Anderson mehrfach an den Set oder zu den geselligen Abenden mit den Stars geladen wurde.

Gute Laune verbreitet sich in Görlitz fast von selbst, den von der Stadt geht allein durch ihre Architektur ein besonderer Zauber aus. Selbst für Mitteleuropäer ist der Ort mit seinen perfekt renovierten Spätgotik-, Barock-, Renaissance und Gründerzeit-Fassaden etwas ganz Besonderes, für Amerikaner gilt das noch mehr.

Bill Murray etwa, war hingerissen: "So ein Erlebnis hat man nur einmal im Leben", sagte er während der Dreharbeiten anerkennend. "Wir teilen hier das Leben der Menschen dieser kleinen, märchenhaften und wunderschön erhaltenen Stadt. Ich würde gerne wiederkommen, wenn ich mal nicht arbeiten muss. Dann würde ich Freunde und meine Familie mitbringen, damit sie das hier erleben können. Ich habe so etwas noch nie gesehen."

Bill Murray beim Verspeisen einer Bratwurst.

Der Gipfel deutscher Urwüchsigkeit: Bill Murray beim Verspeisen einer niederschlesischen Bratwurst.

(Foto: Fox Entertainment)

Seinen Anhang würde Murray dann sicher auch zum Senfladen Görlitz in der Brüderstraße führen, einen Steinwurf vom Untermarkt entfernt. Dort biss er während des Drehs gerne herzhaft in niederschlesische Bratwürste - für Deutsche nichts Sensationelles, für einen Komiker aus Wilmette, Illinois, aber der Gipfel deutscher Urwüchsigkeit.

Strahlkräftige Klischees

Immerhin verbinden Amerikaner kaum einen Begriff stärker mit Deutschland als das Wort "Bratwurst". Und wenn "The Grand Budapest Hotel" ein Vorwurf zu machen ist, dann sicher der, dass der Film nicht frei ist von Klischees über das gute alte Europa.

Andersons geistsprühende Historiensatire spielt im "Grand Budapest Hotel", das das edelste und bedeutendste Hotel der 1930er Jahre sein muss, das sieht man allein schon an seiner Fassade. Es liegt in "Nebelbad", einem Kurort in der fiktiven Republik "Zubrovka", die sehr an das K.u.k.-Flair des alten Österreich-Ungarn erinnert. Im Grand Budapest wirkt ein Concierge der alten Schule - Monsieur Gustave, gespielt von Ralph Fiennes. Er ist von besonders noblem Geiste, doch so etwas erzeugt bei den falschen Leuten Neid. Er wird in eine wilde Kriminalgeschichte verwickelt, weil böse Erben ihn diffamiert haben. Nebenbei zieht noch der Faschismus auf, was die gute alte Zeit mit ihrem Kaffeehaus-Charme umso attraktiver erstrahlen lässt.

Doch so überkommen das Bild ist, das hier von der Belle Epoque gezeigt wird, so sehr erzielt es immer noch Wirkung, vor allem bei Amerikanern, und seien sie Hollywood-Stars. Wenn ihnen dazu noch die Fürsorge eines Wes Anderson zuteil wird, dann kommen sie in Scharen - da sage noch einer, die Welt werde allein vom Geld regiert.

Französische Inspirationen

Michael Wieler, Kulturbürgermeister der Stadt Görlitz

Die Produktion von "The Grand Budapest Hotel" brachte der örtlichen Görlitzer Wirtschaft eine Umsatzsteigerung von vier bis fünf Millionen Euro, betont Michael Wieler, Kulturbürgermeister der Stadt.

(Foto: Christian Schulz/Fox Entertainment)

Der schnöde Mammon spielte bei der Produktion von "The Grand Budapest Hotel" gleichwohl eine wichtige Rolle - etwa in Form der deutschen Filmförderung. Der Deutsche Filmförderfonds (DFFF) und drei regionale Mediengesellschaften steuerten insgesamt fünf Millionen Euro zu den Produktionskosten in Höhe von 23,6 Millionen Euro bei.

Das scheint viel Geld zu sein, doch es macht sich bezahlt, kurbelt es die Umsätze hierzulande doch deutlich an. Nach Einschätzung von Branchenkennern blieben von den Produktionskosten des Filmes knapp 20 Millionen Euro bei deutschen Anbietern hängen. Allein in Görlitz hätten Anderson und seine Truppe vier bis fünf Millionen Euro in die örtliche Wirtschaft gepumpt, sagt Kulturbürgermeiser Michael Wieler.

Darin enthalten sind nicht nur die opulenten Zechen im Patrizierhaus St. Jonathan und im Hotel Börse sowie in etlichen anderen Herbergen (insgesamt 12 000 Übernachtungen allein durch die Film-Crew), sondern zahlreiche Aufträge für lokale Handwerker. "Das war toll", erzählt Wieler. "Der Wes Anderson ist durch die Stadt gegangen, dann hat er da wieder ein Haus entdeckt, oder da. Einmal stöberte er ein Treppenhaus in einer alten Villa auf, das musste dann unbedingt in den Film. Er hat die Szene schnell umgedacht. Dadurch waren sie gezwungen, das entsprechend herzurichten. Gerüstbauer waren im Einsatz, da ist ja dann immer wahnsinnig viel zu tun."

Das Gebäck der Firma Mendl, das im Film eine prominente Rolle spielt, besorgte der Görlitzer Bäckerin Annemone Müller-Großmann einen Auftrag, für den sich als Oberlausitzerin mit einer für sie ungewohnten Backtradition auseinandersetzen musste: mit der cuisine française. Denn zu den "courtesans au chocolat" ("Schokoladen-Kurtisanen"), auf die sich Ralph Fiennes, F. Murray Abraham, Karl Markovics und Jude Law im Film stürzen, war Anderson in seiner Wahlheimat Paris durch die dort beliebten "religieuses" (zu deutsch: "Nonnen") inspiriert worden - einem besonders eindrucksvollen Resultat der weltbekannten französischen Feinbackkunst.

Kurtisanen für den Perfektionisten

Allerdings wäre Anderson nicht Anderson, wenn er nicht seine ganz eigenen "Nonnen" hätte haben wollen, eben die weit weniger züchtigen "Kurtisanen", die im Film zu sehen sind.

Religieuses und "courtesans au chocolat".

Aus "Nonnen" (links) mach "Kurtisanen" (rechts). Französische Konditoreiware, die im echten Leben Abnehmer findet, und solche, die es nur im Film tut.

(Foto: Sonia Geffrier / Christian Schulz, Twentieth Century Fox)

Müller-Großmann musste die "courtesans au chocolat", wie sie dem Regisseur vorschwebten, also erst einmal umsetzen, dann vorzeigen und schließlich produzieren, in üppiger Zahl. Der Bedarf war schließlich hoch: Anderson ist nicht nur für seinen Gemeinschaftssinn am Set bekannt, sondern auch für seinen Perfektionismus: Manche Szenen lässt er bis zu 40 Mal wiederholen, bis sie ihm passen. "Als ich von heute auf morgen 50 Exemplare liefern sollte, kam ich an die Grenzen meiner Leistungsfähigkeit", erzählt die Görlitzerin.

Doch wie heißt es auf so-geht-sächsisch.de, der Imagekampagne Sachsens im Netz, unter "Handwerkskunst": "In Manufakturen und Werkstätten entstehen in liebevoller und traditioneller Handarbeit Unikate."

Wer so etwas behauptet, muss sich im Ernstfall eben auch bereithalten.

Die DVD von "The Grand Budapest Hotel" ist in Deutschland seit dem 5. September 2014 im Handel.

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