Frauen bei den US Open:Schurkin dringend gesucht

2014 US Open - Day 8

Eugenie Bouchard: Als Mitfavoritin gestartet, aber schon draußen bei den US Open

(Foto: AFP)

Die Favoritinnen verabschieden sich reihenweise: Bis auf Serena Williams sind alle topgesetzten Spielerinnen bei den US Open schon gescheitert. Ist das ein Qualitätssiegel für das Frauen-Tennis - oder das Gegenteil?

Von Jürgen Schmieder, New York

Zu einem anständigen Drama gehört ein fieser Gegenspieler. Ein finsterer Halunke, durch den der Protagonist erst zum Held wird. Dieser dunkle Geselle wird zu Beginn der Geschichte eingeführt, die Bösartigkeit wird in den darauf folgenden Akten dargestellt, bis es am Ende endlich zum spannenden Duell kommt. Die Beobachter der US Open jedoch sind derzeit so verwirrt wie einst die Fans der Fernsehserie "Lost", weil sie nicht in der Lage sind, den großen Gegner für Serena Williams beim Frauenturnier zu identifizieren.

Vor dem Wettbewerb hatten sich einige Akteurinnen durchaus angeboten, Williams während der zwei Wochen herauszufordern und zumindest für ein wenig Spannung zu sorgen. Doch vom Viertelfinale an sind sieben der acht Topgesetzten nicht mehr dabei. Langweilig war das keineswegs, Maria Scharapowa scheiterte nach intensivem Kampf an Caroline Wozniacki, die Schweizerin Belinda Bencic warf erst Angelique Kerber und danach Jelena Jankovic aus dem Turnier (bevor sie am Dienstag selbst glatt an der Chinesin Shuai Peng scheiterte), und die Partie zwischen Sara Errani und Venus Williams war ebenso skurril wie das Ergebnis (6:0, 0:6, 7:6)

. Am Montag gab es dann im Louis Armstrong Stadium einen packenden Thriller zwischen Katarina Makarowa und Eugenie Bouchard mit langen Ballwechseln und medizinischen Auszeiten. Bisweilen taumelte Bouchard benommen über den Platz, später wurde ihr Blutdruck gemessen, es erinnerte ein wenig an den grotesken Auftritt von Serena Williams während des Frauendoppels in Wimbledon. Bouchard hielt durch, doch sie verlor - damit ist Serena Williams die Einzige, die das laut Setzliste erwartete Ziel erreicht hat.

Indiskutable Vorstellungen

Es ist noch keine Anomalie von historischer Dimension, auch bei den US Open vor fünf Jahren war Williams die einzige topgesetzte Spielerin im Viertelfinale. Dennoch sprachen die Spielerinnen bei diesem Turnier stets davon, dass diese kleinen und großen Überraschungen nicht zu leugnende Indizien für Ausgeglichenheit im Frauentennis seien. Das sei wiederum der Beweis für die gesteigerte Qualität in dieser Disziplin, wenn junge Spielerinnen wie Bencic und Shuai Peng erfolgreich sind oder erfahrenere Akteurinnen wie Wozniacki und Victoria Asarenka wieder konstant gute Leistungen zeigen.

"Jede kann jede schlagen", sagt etwa Makarowa. Doch das stimmt nicht. Richtig ist: Jede unterhalb von Williams kann jede unterhalb von Williams besiegen, doch Williams kann nur gegen Williams verlieren - also gegen ihre Schwester oder sich selbst. Serena hat seit ihrem noch immer unwirklich anmutenden Auftritt in Wimbledon zwei Turniere gewonnen (Stanford und Cincinnati) und nur eine Partie verloren: gegen Venus. Seit mehr als 80 Wochen steht Serena wieder auf Platz eins der Rangliste.

Eine andere Lesart der Ergebnisse ist deshalb, dass derzeit außer Williams niemand in der Lage ist, konstant nicht nur auf gutem, sondern auf höchstem Niveau zu spielen - und dass dies eher ein Zeichen fehlender Qualität an der Spitze ist. Dass sich Scharapowa ins Achtelfinale mehr zitterte denn spielte, dass Simone Halep formschwach auftrat, dass Angelique Kerber, Petra Kvitova und Agnieszka Radwanska nach teils indiskutablen Vorstellungen scheiterten.

Aber vor allem: dass niemand auch nur annähernd so souverän agierte wie Williams, die bislang gerade mal 17 Spiele abgegeben hat - und dass derzeit niemandem zugetraut wird, Williams bei diesem Turnier ein unvergessliches Duell zu liefern. Die anderen etablierten Spielerinnen sind dazu am Ende der strapaziösen Saison offenbar nicht mehr in der Lage.

Hass als Motivation

Ein Duell wird nicht unvergesslich, wenn eine Spielerin die andere vom Platz fegt. Für legendäre Siege braucht es legendäre Gegner, die sich gegenseitig vom Platz fegen wollen. Die eine muss an ihre Grenze gehen, und dafür braucht sie jemanden, die sie an diese Grenze treibt. Gerade im Tennis. Steffi Graf hatte erst Martina Navratilova, dann Monica Seles, am Ende Martina Hingis. Becker hatte Edberg, Sampras hatte Agassi, Federer hat Nadal und Djokovic und Murray.

Serena Williams wird von der Aussicht auf diese Duelle angetrieben. Sie steigert sich da rein. In einem Interview mit Sports Illustrated sagte sie kürzlich: "Du musst diesen Hass haben. Ich hasse Venus, wenn ich gegen sie spiele."

Daraus zieht sie ihre Motivation, dafür quält sie sich und andere, wie in der Dokumentation "Serena and Venus" (2013) zu sehen war. In einer Szene beschimpft sie ihren Trainingspartner Sascha Bajin, weil der nicht fies genug gegen sie gespielt habe: "Wenn ich da draußen bin, dann wollen diese Mädchen die verdammte Hölle aus mir rausprügeln. Die spielen nicht Backe-Backe-Kuchen gegen mich. Die hassen mich!" Er solle sich gefälligst anstrengen, damit sie für diese Duelle gewappnet sei.

Diese US Open sahen bis Dienstag aus wie Serena Williams' Turnier. Dann scheiterte sie überraschend mit ihrer Schwester im Doppel: das erste Zeichen, dass die Frauenwettbewerbe doch die US Open sind und nicht nicht die WS Open - die Williams Sisters Open. Vielleicht taucht ja auch im Einzel noch eine würdige Kontrahentin auf, manchmal ist der Schurke zu Beginn eines Dramas ein unscheinbarer Geselle, den die Zuschauer nicht beachten, weil sie auf all die anderen möglichen Schurken achten. Also jemand wie Asarenka oder Wozniacki.

Allerdings dürften die Konkurrentinnen durchaus mitbekommen haben, dass die fast 33 Jahre alte Serena Williams überhaupt nicht daran denkt, künftige legendäre Duelle durch ein Karriereende zu verhindern. Sie traf sich kürzlich mit Designern ihres Ausrüsters - dabei ging es bereits um mögliche Outfits für die Saison 2016.

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