Prozess in München:Versuchter Mord vorm Club

Bujar H. kam für eine Therapie nach München. Doch als sich sein Zustand nicht besserte, setze er das Antidepressivum ab - und fing an zu trinken. Jetzt steht der 27-Jährige wegen versuchten Mordes vor Gericht.

Von Andreas Salch

Wie es seinen Eltern im Kosovo derzeit geht, weiß Bujar H., 27, nicht. Er kann ihnen keinen Brief schicken. Denn die Fähigkeit zu schreiben und zu lesen habe er verloren, sagt der Hilfsarbeiter. Grund dafür sei ein Trauma aus der Zeit des Kosovokrieges Ende der Neunzigerjahre. Er sei damals elf oder zwölf Jahre alt gewesen, so Bujar H., und habe mit ansehen müssen, wie serbische Soldaten versuchten, einer Frau ihr Kind wegzunehmen.

Da sie sich gewehrt habe, hätten die Soldaten es vor den Augen der Mutter mit Benzin übergossen und angezündet. Dieses Bild sehe er bis heute vor sich, sagt der 27-Jährige, der vor vier Jahren in die Bundesrepublik kam. Psychotherapeuten in seiner Heimat hätten ihm nicht helfen können, sein Trauma zu verarbeiten. Deshalb habe er hier in Deutschland eine Therapie machen wollen.

Bujar H. begann eine Gesprächstherapie. Doch die Angst und das Trauma blieben. Da sich sein Zustand nicht besserte, nahm der 27-Jährige nicht mehr regelmäßig an den Sitzungen teil und setzte das Antidepressivum ab, das er verschrieben bekommen hatte. Stattdessen fing Bujar H. an zu trinken. "Ich dachte, Alkohol würde mir helfen", sagt der 27-Jährige.

Acht Zentimeter lange Klinge

Doch das war nicht der Fall. Vielmehr sei er aggressiver geworden, berichtete der Hilfsarbeiter am Dienstag vor dem Schwurgericht am Landgericht München I, wo er wegen versuchten Mordes angeklagt ist. In den frühen Morgenstunden des 26. Mai vergangenen Jahres soll H. in der Kultfabrik nahe dem Ostbahnhof den Gast eines Clubs mit seinem Messer niedergestochen haben.

Bujar H. räumt die Tat ein. Opfer ist ein 34-Jähriger, der ebenfalls aus dem Kosovo stammt. Laut Anklage der Staatsanwaltschaft war es vor der Messerattacke zwischen H. und dem anderen Mann zunächst zu einer Rangelei in dem Club gekommen. Die Angestellten eines Sicherheitsdienstes gingen dazwischen und beendeten die Auseinandersetzung. Bujar H. und das spätere Opfer, Xhevdet K., mussten den Club verlassen.

Bujar H., so die Anklage, soll in diesem Moment den Entschluss gefasst haben, sich an seinem Kontrahenten zu rächen. Auf dem Weg nach draußen sei er deshalb dem 34-Jährigen unbemerkt gefolgt. In seiner rechten Hand hielt er ein Einhandmesser mit einer acht Zentimeter langen Klinge. Damit es niemand sehen konnte, hatte H. seine Jacke über den rechten Arm gelegt.

Als Xhevdet K. ihm den Rücken zugekehrt hatte, näherte sich Bujar H. ihm mit schnellen Schritten und stieß dem 34-Jährigen sein Messer in die rechte Nierengegend. Xhevdet K. erlitt eine knapp sieben Zentimeter tiefe Stichverletzung. Die Klinge drang in das Fettgewebe ein, sodass keine inneren Organe verletzt wurden. Doch das, so die Staatsanwaltschaft, sei nur Zufall gewesen. Der Prozess dauert an.

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