Fatwa gegen den Terror:Europäische Imame distanzieren sich von IS-Miliz

Militant Islamist fighters take part in a military parade along the streets of northern Raqqa province

IS-Milizen demonstrieren ihre Macht in der Stadt Raqqa in Nordsyrien. Britische Islamgelehrte distanzieren sich: "Islamischer Staat ist eine ketzerische und extremistische Organisation, und es ist aus religiösen Gründen verboten, dieser beizutreten."

(Foto: Reuters)

"Zutiefst bestürzt" zeigen sich Islam-Gelehrte in Deutschland über den Terror der IS-Dschihadisten. Deren ungeheuerliche Gewalt negiere alle Regeln der Menschlichkeit. Britische Imame gehen noch einen Schritt weiter.

Von Jan Bielicki und Christian Zaschke, München/London

Gegen den Terror der Miliz Islamischer Staat (IS) in Syrien und im Irak regt sich nun auch zusehends Protest von islamischen Theologen und Religionsführern in Europa. In Deutschland, Großbritannien und den Niederlanden verurteilten führende Islamgelehrte die Gewalttaten der Terrormiliz scharf.

In Frankfurt äußerten sich die Leiter von sechs deutschen Zentren für islamische Theologie "zutiefst bestürzt" über den Terror des IS und riefen dazu auf, die Deutungshoheit über den Islam "nicht Extremisten und Gewalttätern" zu überlassen. "Die ungeheuerliche Gewalt, die von den Anhängern des IS ausgeht, negiert alle Regeln der Menschlichkeit und zivilisatorischen Normen, für deren Herausbildung auch der Islam eine wichtige Rolle gespielt hat", schreiben die sechs Professoren in einer Erklärung, die sie am Dienstag während eines Kongresses islamischer Theologen veröffentlichten. Darin heißt es weiter: "Solche Deutungen des Islam, die ihn zu einer archaischen Ideologie des Hasses und der Gewalt pervertieren, lehnen wir strikt ab und verurteilen diese aufs Schärfste."

In dem bislang von mehr als 50 islamischen Wissenschaftlern unterzeichneten Appell werben die Theologen für einen Islam, "aus dem sich Humanität, Gewaltfreiheit, Wertschätzung der Pluralität und Respekt für Menschen ungeachtet ihrer Zugehörigkeiten schöpfen lassen". Es ist der bislang schärfste und eindeutigste Einspruch deutscher Islam-Vertreter gegen die radikalen Islamisten und ihre auch aus Deutschland kommenden Anhänger.

Auch der Zentralrat der Muslime in Deutschland hatte den Terror des IS bereits mehrfach verurteilt. "Die Vertreibung der irakischen Christen durch die terroristische ISIS ist ein Akt des Unrechtes, ist gegen den Islam, verstößt gegen internationales Recht und gegen die Menschlichkeit", erklärte der Zentralrats-Vorsitzende Aiman Mazyek.

Britische Imame erlassen Fatwa gegen die IS-Miliz

In Großbritannien erließen Imame eine Fatwa gegen die Terrormiliz und deren oft aus Europa kommenden Kämpfer. Sechs islamische Gelehrte schreiben in einem am Sonntag veröffentlichten Dokument, dass es die Pflicht sämtlicher britischer Muslime sei, die "vergiftete Ideologie" des IS abzulehnen. Weiter heißt es: "Islamischer Staat ist eine ketzerische und extremistische Organisation, und es ist aus religiösen Gründen verboten, dieser beizutreten." Die Sunday Times berichtet, dass der Londoner Gelehrte Sheikh Usama Hasan hinter der Aktion stehe. Zu weiteren Unterstützern zählen die Gelehrten Sheikh Qamaruzzaman Azmi von der World Islamic Mission und Sheikh Muhammad Shahid Raza, der dem Muslim Law Shariah Council UK angehört.

Britische Politiker begrüßten das Schreiben. Der frühere Innenminister Jack Straw äußerte sich ebenso zustimmend wie Sayeeda Warsi, vormals Staatsministerin im Außenministerium und erstes muslimisches Mitglied des Kabinetts von Premierminister David Cameron.

Im Vereinigten Königreich werden die Aktivitäten des Islamischen Staats mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgt, weil der mutmaßliche Mörder der amerikanischen Journalisten James Foley und Steven Sotloff mit britischem Akzent spricht und nach Ansicht der Geheimdienste ein britischer Staatsbürger aus West-London ist. Foley war bereits vor zwei Wochen von IS-Terroristen im Irak enthauptet worden, am Dienstag ist ein Video aufgetaucht, dass offenbar Sotloffs Hinrichtung zeigt. Rund 500 Briten sollen in Syrien und im Irak an der Seite der Terroristen kämpfen, weitere 250 sollen aus den Kriegsgebieten wieder ins Königreich zurückgekehrt sein.

Bereits im Juli hatten sich mehr als 100 Imame in einem offenen Brief an die britischen Muslime gewandt und sie dazu aufgefordert, nicht in die Kriegsgebiete zu reisen, um sich den Terroristen anzuschließen. Zudem nahmen sie eine Video-Botschaft auf, in der sie sich besonders an junge Muslime wandten und den IS explizit als "böse" bezeichneten.

In den Niederlanden wollen jüngere Imame mit einer Kampagne auf Facebook, Twitter und anderen sozialen Medien gegen die Botschaften extremistischer Islam-Ideologen vorgehen. Das kündigte ein Sprecher des Dachverbandes CMO an, der 380 Moscheegemeinden vertritt.

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