Unerprobte Medikamente:Gegen Ebola gibt es Mittel - aber nicht in Afrika

Unerprobte Medikamente: Einer Patientin wird im US-Bundesstaat Maryland ein im Versuchsstadium befindlicher Ebola-Impfstoff injiziert

Einer Patientin wird im US-Bundesstaat Maryland ein im Versuchsstadium befindlicher Ebola-Impfstoff injiziert

(Foto: AP)

Im Kampf gegen die Ebola-Epidemie gibt es erste Erfolge mit experimentellen Wirkstoffen. In Afrika kommen diese aber nicht an. Grund dafür ist nicht nur die Bürokratie der WHO - sondern womöglich bloße Vernunft.

Von Kathrin Zinkant

Wenn ein Tsunami Kurs auf die Küste nimmt, ist er zunächst nur eine lang gestreckte Woge im Wasser. Kaum sichtbar für das Auge, es bliebe also noch Zeit zum Handeln. Wenn sich die Welle vor dem Ufer aber schließlich aufbäumt, ist das Unheil nicht mehr abzuwenden: Die Wucht des Wassers zerschmettert Häuser, Straßen, Siedlungen - und sie tötet Menschen, viele Menschen. Zerreißt Familien, löscht ganze Dörfer aus. So wie der Tsunami es vor zehn Jahren nicht nur in Indonesien tat. So wie es die Seuche Ebola es jetzt in Westafrika tun wird. Wenn nicht rasch etwas geschieht.

Eine der schlimmsten Gesundheitskrisen in der Geschichte

Als der stellvertretende Generalsekretär der Vereinten Nationen, Jan Eliasson, am Dienstag in New York vor die Presse trat, um sich zur Ebola-Epidemie in Guinea, Sierra Leone und Liberia zu äußern, schien ihm ein Vergleich mit der Tsunami-Katastrophe von 2004 auf jeden Fall angemessen zu sein. "Wir stehen vor einer der schlimmsten internationalen Gesundheitskrisen in der Geschichte", sagte der Schwede. Die Situation sei ausgesprochen ernst, es müsse sofort gehandelt werden. Das scheint inzwischen auch jene Frau so zu sehen, die am Dienstag neben Eliasson saß. Margaret Chan, Direktorin der Weltgesundheitsorganisation WHO, ist in den vergangenen Tagen immer häufiger für das zögerliche Handeln ihrer Behörde kritisiert worden. In New York gab sie zu: "Wir haben das Ausmaß und die Komplexität des Ausbruchs unterschätzt." Von einer Sache sei sie dennoch überzeugt: "Wir können und wir werden diese Epidemie unter Kontrolle bringen."

Bleibt nur noch die Frage, wie. Aus medizinischer Sicht lässt sich gegen eine Ebola-Infektion erschütternd wenig ausrichten. Es existiert weder eine Schutzimpfung noch ein Medikament gegen die Krankheit - zumindest keines, das nach den üblichen Standards geprüft worden wäre. Deshalb behandeln Ärzte, sofern sie überhaupt die Mittel dazu haben, ausschließlich die Symptome der Krankheit. Trotzdem sind in den vergangenen Monaten bereits mindestens 1900 Menschen gestorben, mehr als doppelt so viele haben sich infiziert.

Es gibt allerdings experimentelle Wirkstoffe und Impfungen, die bislang zwar nur an Labortieren getestet wurden, aber nun zum Hoffnungsträger im Kampf gegen Ebola avanciert sind. Gewiss auch deshalb, weil das Ausmaß der Epidemie inzwischen viele Menschen in den Industrienationen ängstigt. Obwohl Experten seit Wochen betonen, dass der Ausbruch einer Ebolaepidemie in gut entwickelten Ländern wie den Vereinigten Staaten oder Deutschland so gut wie ausgeschlossen ist. Mit Blick auf Afrika allerdings hatte sich die WHO nach Beratungen mit einem Ethik-Komitee vor mehr als drei Wochen für einen Einsatz der unerprobten Arzneien ausgesprochen. Fast zeitgleich bot Kanada 800 Dosen eines experimentellen Impfstoffs an.

"Ebola wird wiederkommen"

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(Foto: Reuters)

Vor zehn Tagen folgte dann ein Angebot aus Japan: Die Regierung dort verfügt über Reserven des Grippemittels Avigan, das laut einer Studie des Hamburger Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin auch sehr gut gegen Ebola wirkt, zumindest bei Mäusen. Und nicht zuletzt gibt es ZMapp, den fast schon prominenten Antikörpermix aus Kalifornien, mit dem zumindest in den USA, Spanien, Großbritannien und Liberia sieben Patienten behandelt wurden: Ein Geistlicher und ein Arzt starben trotz des Medikaments. Zwei Amerikaner wurden aber bald gesund. Am Dienstag verließ nun ein britischer Helfer das Krankenhaus als geheilt. Vergangene Woche berichteten Forscher außerdem von sensationellen Erfolgen bei Ebola-kranken Affen, die ZMapp bekommen hatten.

In Afrika allerdings haben die Mittel noch nichts bewirkt. Bis auf drei Rationen ZMapp sind sie dort gar nicht angekommen. Nigeria hat in dieser Woche erstmals das japanische Grippemittel bestellt, wann es benutzt werden wird, ist unklar. Auf den kanadischen Impfstoff angesprochen, verwies Margaret Chan auf ein weiteres Expertentreffen. Es beginnt an diesem Donnerstag in Genf. Einhundert Wissenschaftler und Mediziner werden darüber beraten, welches Medikament sich wo und unter welchen Voraussetzungen am besten einsetzen ließe. Noch mehr Beratungen, noch mehr Bürokratie also, die den Kampf gegen die Epidemie verzögern?

Geht etwas schief, zerbricht jede Vertrauensbasis

Womöglich ist es bloße Vernunft. "Wir wollen helfen, aber wir wollen nicht schaden", sagt Chan. Gerade auf dem afrikanischen Kontinent hat der experimentelle Einsatz von Medikamenten, die zum Teil in militärischen Programmen gegen Bioterrorismus entwickelt wurden, einen bitteren Beigeschmack. Geht etwas schief, zerbricht nicht nur die Hoffnung auf Heilung, sondern auch jede Vertrauensbasis. Der Hamburger Immunologe Bernhard Fleischer warnt zugleich vor zu hohen Erwartungen auf der Grundlage von Tierversuchen. "Schon an ZMapp, das in Affen so gut wirkt, kann man sehen: In Menschen funktioniert es nicht immer." Man müsse immer mit Nebenwirkungen rechnen, selbst bei einem Mittel wie Avigan, das bereits an Grippekranken getestet wurde und dort als sicher gilt. "Es kann sein, dass dieses Medikament in Ebolapatienten, die ja schwer krank sind, völlig neue unbekannte Nebenwirkungen entfaltet." Im Einzelfall könne daher zwar der Arzt mit dem Patienten zusammen entscheiden, so ein Mittel einzusetzen. "Ich selbst würde es vermutlich nehmen", sagt Fleischer. Umfangreiche Tests an vielen Menschen, auch Kindern, seien aber klar etwas anderes als ein solcher Heilversuch. "Es ist wichtig, dass die WHO diese Tests gutheißt."

Und was, wenn nicht? David Nabarro, UN-Chefkoordinator der globalen Antwort auf Ebola, zählte am Dienstag in New York zwölf Punkte auf, die für eine effektive Reaktion der Staatengemeinschaft jetzt wichtig sind. Experimentelle Medikamente kommen in seiner Liste nicht vor. Es geht um Fundamentaleres - darum, für die Menschen in Westafrika zu sorgen, den Transport zu sichern, Lebensmittel zu liefern, eine Isolation der betroffenen Länder zu vermeiden. Neue Medikamente könnten zwar jetzt schon helfen. Wichtiger ist nach Ansicht von Bernhard Fleischer aber, sie für die Zukunft weiterzuentwickeln. "Ebola wird wiederkommen", sagt der Forscher. Zumindest auf diesen nächsten Tsunami sollte die Welt dann vorbereitet sein.

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