ARD-Samstagabendshow mit Andreas Gabalier:Oarsch und Zwirn

ARD-Show ´Gabalier - Die Volks-Rock 'n' Roll-Show"

Inszeniert sich als Mann des Trotzdem: Der österreichische Sänger Andreas Gabalier bei der Aufzeichung seiner Show im Festspielhaus Füssen.

(Foto: dpa)

Heimeligkeit und Anzüglichkeit, Chippendales und Kaffeehaus: Für Andreas Gabalier wurde der Begriff Volks-Rock'n'Roll erfunden. Fusion gehört bei ihm zum Prinzip - deshalb ist er jetzt die letzte Hoffnung der Öffentlich-Rechtlichen.

Von Holger Gertz

Schon auf den allerersten Blick, noch am Eingang des Festspielhauses in Füssen, erkennt man, dass wahrscheinlich niemandem die Lederhose so angegossen passt wie diesem Gabalier. Wenigstens keinem der zahlreichen Lederhosenträger, die im Panorama herumstehen und Gabalier aus einem Auto klettern sehen, von wo aus ihn kräftige Männer in den Saal geleiten.

Es ist ein Geschäft auf Gegenseitigkeit zwischen Hose und Herrn, Gabalier schmeichelt dem Hirschleder so sehr wie das Hirschleder ihm, sicher auch deshalb, weil er die Fans in die Hose hineinschauen lässt. Im übertragenen Sinn nur, aber immerhin. "Mir ist ganz haaß, und der Oarsch ist scho fast a bisserl wassrig", wird er später auf der Bühne sagen, in einer Phase der Show, die Aufwärmphase genannt wird. Gabalier weiß, warum.

Gabalier weiß überhaupt ziemlich viel, ohne einen schlauen Plan ist ein Erfolg wie seiner ja nicht zu erreichen. Der Musiker Andreas Gabalier, vor 29 Jahren in Graz geboren, bekommt ständig Platin und Gold für seine CDs, sogar für den offiziellen Song der Ski-Weltmeisterschaft 2013. Insgesamt 1,6 Millionen verkaufte Tonträger.

Name, Hose, Oarsch - alles echt

Auch wer das Gewicht seiner gewonnenen Echos und Bambis und Amadeusse nicht bemessen kann, hat ihn vermutlich früher mal in einer Volksmusiksendung gesehen, beim drahthaarigen Moderator Andy Borg zum Beispiel. Borg heißt in Wahrheit Adolf Andreas Meyer - ein Name, der vorne belastet und hinten gewöhnlich ist. Gabalier heißt tatsächlich Gabalier, der namensgebende Vorfahr war ein Soldat Napoleons. Schon das scheint ihn hervorzuheben aus einer Branche, in der sich alle mit ferngelenkten Marionettenhänden ans Herz greifen, wenn sie vom Herzen singen.

An Gabalier wirkt vieles echt. Der Name, die Hose. Darin ein Oarsch, der wassrig wird, was bedenklicher klingt, als es ist.

Es soll keine Volksmusik sein, die Gabalier macht, auch wenn sich in seinen Liedern "Unser Land" auf "Trachtengwand" reimt und "ein Würstlstand in Wien" sozusagen fusioniert wird mit "Milch von der Sennerin", wenn man das auf der letzten Silbe betont, geht sich's halbwegs aus. Das Fusionieren ist Gabaliers Programm, er fusioniert alles mit allem. Die jungen Leute im Publikum mit den alten, die Traditionalisten unter den Kritikern mit den Relaxten, Volksmusik mit Rock'n'Roll. "Das ist kein Musikantenstadl, es wird krachen, dass es euch die Lederhosen und die Dirndlkleider ausziehen wird", ruft Gabalier, dessen Stimme ferne Klangfarben fusioniert, sie schnurrt und scheppert zugleich.

Volks-Rock'n'Roller und Kernöl-Elvis

Der Begriff Volks-Rock'n'Roller ist erfunden worden für ihn und bringt die umarmende Kraft des jungen Fusionisten auf den Punkt. Eine zum Himmel gegelte Elvisfrisur tragen und in dreistem Steirisch "Servas die Madln, griaß aich die Buam" rufen. Den Schmalz von Peter Alexander in der Stimme bewahren und den Hintern in der Hose in Bewegung halten, Heimeligkeit und Anzüglichkeit, Chippendales und Kaffeehaus. "I sing a Liad für di" singen und ein Hirschgeweih mit Hilfe eines rotweißroten Lumpens ans Mikro knoten. "Great balls of fire" singen und die nassen Hände an der Lederhose trockenreiben.

Volks-Rock'n'Roll ist eine Idee, die er immer entschlossener mit Inhalt gefüllt hat, angefangen am 18. Juli 2008 um 15.45 Uhr, als auf Radio Steiermark zum ersten Mal ein Lied von ihm gespielt wurde, "Mit dir". Das Datum ist von Gabaliers Fans, den sogenannten Gabalisten, gepostet worden. So oft, dass inzwischen auch Nichtgabalisten - also Nihilisten - zur Kenntnis nehmen, am 18. Juli 2008 um Viertel vor vier habe die Stunde geschlagen. Seitdem ist der freie Teil der Welt dem Kernöl-Elvis ausgeliefert, und zwar "auf Geweih und Verderb", wie Dieter Chmelar in einem Spitzentext im Kurier geschrieben hat.

Bühnenshow und Roadmovie

Jetzt also: Gabalier - Die Volks-Rock'n'Roll-Show. Das Konzentrat dessen, was Gabalier und sein Team im Festspielhaus Füssen aufgezeichnen, wird am Samstagabend ausgestrahlt, 20:15 Uhr, in ARD, ORF 2, SRF 1. Gabalier auf neuen Gipfeln. Nicht lang her, da hat ein steirischer Wurstwarenproduzent eine Produktlinie angeboten, die den Gabalier-Kümmelbauch umfasste. Nicht lang her, da ist Gabalier zum Steiermark-Genussapfel-Botschafter ernannt worden. Jetzt ist er die letzte Hoffnung der Öffentlich-Rechtlichen, doch noch mal am Samstag das Lagerfeuer entzünden zu können und alle vor dem Fernseher zu versammeln, die Fleischfreunde und die Obstfans, alle.

Die Produktion ist ehrgeizig angelegt als Bühnenshow und Roadmovie, in Einspielern wird der Weg vom Bub aus den Bergen zum Musiker von Welt nachgezeichnet. Gabalier spielt in diesen Filmsequenzen Gabalier und ergänzt das, was die meisten von ihm wissen: schreibt seine Lieder selbst. Ist ein fleißiger Arbeiter. Blickt zurück auf eine Familiengeschichte, die von Tragödien durchweht ist. Vater und Schwester haben sich umgebracht. Gabalier gut zu finden bedeutet auch: seinen Überlebenswillen zu bewundern. Von seiner Geschichte zu wissen bedeutet auch: es ernst zu nehmen, wenn er vom Schmerz singt. An Gabalier wirkt vieles echt. Name, Hose, Oarsch, Schmerz, Lust. Sogar das Überraschtsein vom Erfolg.

Die Tragödien eines Lebens dürfen die Geschichte eines Erfolgs nie überdecken, auch deshalb inszeniert er sich als ein Mann des Trotzdem. Trotz allem und gerade deshalb führt er seinen Arschwackler vor, ein upgegradeter Schwänzeltanz der Biene, der beim steirischen Menschen Gesäßberger genannt wird.

Gabalier soll den Zauber eines alten Formats wachrufen

Personality-Shows gab es früher mit Michael Schanze, Wencke Myhre, Peter Alexander; Special nannte man das. Ein sehr altes Format, dessen Zauber Gabalier wachrufen soll. In der Show treten die Dinosaurier von Status Quo auf, die bei der Gelegenheit gleich mit wachgerufen werden. Gabalier darf sich auf Herrenart an seine Gäste heranschubbern: "Nimmst du mich auch verschwitzt?", maunzt er Sarah Connor zu.

Peter Kraus und Stefanie Heinzmann teilen sich mit Gabalier die Bühne, der deutsche Rockheld und die Schweizer Pop-und Soulsängerin. Nach dem Auftritt ist backstage ewige Warterei angesagt, steirische Genussäpfel stehen bereit. Auf dem Bildschirm läuft die Übertragung aus der Halle. Gabalier wischt sich mit einem Tuch das Gesicht und wirft den feuchten Lappen den Gabalisten entgegen. "So ein Schweißtücherl ist ja sehr viel Arbeit", flunkert er später, "da stick' ich mühevoll meinen Namen mit Nadel und Zwirn hinein." Geschenkt gibt es sonst nichts, ohne Schweiß kostet das Tuch im Fanshop sechs Euro. Mit Schweiß ist es unbezahlbar.

"Dies hier ist ein Ereignis für den Moment"

Peter Kraus schaut sich, backstage, den schwitzenden Gabalier an. Manchmal scheint er ihm zuzunicken.

Was ist das, Volks-Rock'n'Roll?

Kraus, 75, sagt: "Volks-Rock'n'Roll bedeutet: Ich will mehr Publikum, bin keine Sparte mehr. Ein cleverer Gedanke - ich wünschte, ich hätte ihn gehabt. Andreas hat sich was aufgebaut. Ich nenne ihn ja Lady Gaga der Volksmusik."

Also, nur eine gute Idee?

Nein. Können, sagt Kraus: "Er hat hier Klassiker des Rock'n'Roll gesungen, andere blamieren sich dabei. Er nicht."

Im Fernsehen wird das jetzt totgeritten?

Kraus: "Normalerweise heißt es ja im Fernsehen: Wir müssen was machen, das zwanzig Jahre trägt. Dies hier ist ein Ereignis für den Moment, Gabalier macht ein Special. Das ist klug. Ein Special kann man nicht beliebig weiterführen."

Sein Frauenbild ist durchaus von gestern

Gabalier fummelt am Hirschgeweih rum, da ist immer Distanz zu gewissen Insignien, ironische Brechung. Dem Geweih das erdrückende Herzbuben-Aroma zu nehmen ist so wichtig wie die Bereitschaft, sich Achselhöhle und Beine zu rasieren. Gabalier hat aus der erotikfreien Zone Volksmusik eine Hitzekammer gemacht.

Stefanie Heinzmann schaut dem Kollegen zu, backstage. "So ein zartes Madl und so eine Krrraft in der Stimme", hat vorhin auf der Bühne Gabalier gesagt. Sein Frauenbild ist durchaus von gestern, neulich hat er die Bundeshymne gesungen und dabei nur "die großen Söhne" Österreichs erwähnt, nicht "Töchter und Söhne", wie der neue Text es vorsieht. Großes Geschrei von Leuten, die den Genussapfelbotschafter immer auf seine braunen Stellen hin checken, die Grünen Frauen Wien schrieben einen etwas zu bitteren offenen Brief und wurden im Netz von den Gabalisten abgewatscht. Gabalier kann sich auf seine Fans verlassen, und er ist grade in einer Karrierephase, in der er sich alles erlauben kann, denn wer sich alles erlaubt, ist ja authentisch.

"Ein Upgrade der Volksmusik"

Stefanie Heinzmann ist eine freundliche Frau, sie hat eine irre Stimme, aber trägt immer noch ihre Lehrerinnenbrille. Man hat schon mal versucht, ihr die Brille abzugewöhnen, aber sie trägt sie weiter, das verbindet sie mit Gabalier, sagt sie, dieses sehr persönlich Unbezähmbare.

Was ist das, Volks-Rock'n'Roll?

Stefanie Heinzmann, 25, sagt: "Volksmusik 2.0. Ein Upgrade der Volksmusik. Da ist ein junger Typ, total charmant, der sich nicht zu ernst nimmt."

Andreas Gabalier schwänzelt durch seine Show. Er hat eine große Stimme. Im Einspielfilm besucht er Jerry Lee Lewis, sein Idol. Jerry Lee Lewis hat eine Harley im Wohnzimmer stehen und scheußliche Hundegemälde an der Wand, aber er erlaubt seinem Gast, auf seinem Klavier zu spielen, in gewissen Sinn ist Gabalier angekommen, in Amerika, wo er ja mal hinwill.

Nach der Show übrigens wischt sich eine Mutter mit einem frisch erstandenen Schweißtuch den Schweiß, es ist recht warm in Füssen, aber ihre entsetzte Tochter sagt: "Da hat doch der Andreas seinen Namen hineingestickt."

Wie immer gilt: Wer's glaubt, wird selig.

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