Gutachten:Finanz-Steuer soll dem Staat Milliarden einbringen

Frankfurter Skyline

Die Bankentürme von Frankfurt: Der Nominalwert aller von deutschen Finanzinstituten gehandelten Wertpapiere beträgt jährlich 275 Billionen Euro. Der Verkauf eines Wertpapiers soll mit 0,1 Prozent besteuert werden.

(Foto: dpa)

Berlin hofft, durch eine Abgabe auf Wertpapiergeschäfte mehr als 17 Milliarden Euro jährlich einzunehmen. Experten schätzen, dass Betroffene auf andere Länder ausweichen könnten. Schaden würde das der Wirtschaft aber nicht.

Von Claus Hulverscheidt, Berlin

Die in Europa geplante Einführung einer Umsatzsteuer auf Finanzmarktgeschäfte soll allein dem deutschen Fiskus jährliche Erlöse von mindestens 17,6 Milliarden Euro einbringen. Das geht aus einem Gutachten im Auftrag des Bundesfinanzministeriums hervor. Demnach sind theoretisch sogar Einnahmen von bis zu 88 Milliarden Euro möglich. Da aber gewiss Geschäfte wegfallen oder verlagert würden, wird am Ende wohl deutlich weniger zusammenkommen. Dennoch würde genug übrig bleiben, um zum Beispiel alle Geldsorgen bei der Sanierung von Straßen und Brücken in Deutschland zu beseitigen.

Die Bundesregierung bemüht sich seit Jahren um die Einführung der sogenannten Finanztransaktionsteuer (FTT). Da ein Konsens auf EU-Ebene oder gar darüber hinaus nicht möglich war, soll die Idee nun zunächst von einer Art Koalition der Willigen umgesetzt werden. Dazu zählen neben Deutschland Frankreich, Italien, Belgien, Österreich, Spanien, Estland, Griechenland, Portugal, die Slowakei und Slowenien. Auch unter diesen Staaten gibt es allerdings noch Meinungsunterschiede.

Nach dem Gutachten der dänischen Beratungsgesellschaft "Copenhagen Economics" (CE) beläuft sich der Nominalwert aller in Deutschland oder von deutschen Finanzinstituten gehandelten Wertpapiere auf jährlich 275 Billionen Euro. Laut EU-Kommission soll der Verkauf eines Wertpapiers, also etwa einer Aktie, mit 0,1 Prozent besteuert werden. Bedeutender ist jedoch der Handel mit sogenannten Derivaten. Dahinter verbergen sich Finanzwetten, aber auch Geschäfte etwa zur Absicherung gegen Ölpreisschwankungen. Hier soll eine Steuer von 0,01 Prozent fällig werden.

Keine Chance für Hochfrequenzhandel

Die CE-Experten gehen davon aus, dass es bei Einführung der FTT in den elf Staaten zu starken Ausweichreaktionen der betroffenen Geldhäuser kommen wird, die das Steueraufkommen schmälern. So könnten Aktienemissionen in Nicht-FTT-Länder verschoben und einzelne Wertpapierarten durch niedriger besteuerte Derivatkonstruktionen ersetzt werden. Denkbar sei auch, dass Investmentfonds ihre Portfolios seltener umschichteten und Geschäfte von Finanzinstituten auf nicht-steuerpflichtige Firmen verlagerten. Zudem gehen die Berater davon aus, dass der rein computergesteuerte, im Millisekundentakt abgewickelte Hochfrequenzhandel vollständig zum Erliegen kommt.

Dennoch dürften die Auswirkungen der Steuer auf die Wirtschaftsentwicklung laut der Studie vergleichsweise gering ausfallen. Allerdings könnten die Kapitalkosten für Unternehmen steigen und Preissicherungsgeschäfte teurer werden.

Das Bundesfinanzministerium hält dessen ungeachtet an der Steuer fest. In einem Schreiben des Parlamentarischen Staatssekretärs Michael Meister (CDU) an den Bundestagsfinanzausschuss heißt es, es sei "sehr zu begrüßen, dass eine ansehnliche Zahl an EU-Mitgliedsstaaten" gemeinsam voranschreite. Meister verweist allerdings auch darauf, dass die FTT nach den jüngsten Beschlüssen der Finanzminister stufenweise eingeführt werden soll. Bleibt es dabei, würden auch die Einnahmen zu Beginn geringer ausfallen als in dem Gutachten prognostiziert.

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