Tischtennis:Reise in die Vergangenheit

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Nationalspielerin Sabine Winter kehrt mit Kolbermoor zu ihren Wurzeln nach Schwabhausen zurück. Beim überraschenden 5:5 in der ersten Tischtennis-Bundesliga wird deutlich, wie sehr sie hier noch immer geschätzt und sogar wie früher bejubelt wird

Von Matthias Schmid, Schwabhausen

Sabine Winter kam ein paar Minuten nach ihren Mannschaftskolleginnen vor der Heinrich-Loder-Halle an. Im eigenen Auto war sie am Samstagmittag nach Schwabhausen gefahren. 43 Kilometer einfache Strecke. Den Weg von Hechendorf am Pilsensee, wo sie aufgewachsen ist und heute noch ihre Familie lebt, über die Bundesstraße 471 kennt sie wie kaum einen anderen. Sie ist ihn schon so oft gefahren, dass sie mit der Anzahl der zurückgelegten Kilometer fast die Erde umkreisen könnte. Für Sabine Winter war es am Samstag eine Fahrt in die Vergangenheit. "Ich habe sehr schöne Erinnerungen an diese Zeit hier, weil ich viele nette Menschen kennengelernt habe", sagt die Tischtennis-Nationalspielerin, als sie sich auf einer Parkbank zwischen Sportplatz und Halle bequem macht. Der Trainer hatte sie vorher noch gefragt, welches Aufwärmhemd sie später tragen wolle: das pinke oder das blaue? Sie steckte schließlich beide in ihre Tasche. Es war das erste Spiel mit ihrem neuen Klub SV DJK Kolbermoor bei ihrem ehemaligen Verein TSV Schwabhausen, man trennte sich friedlich mit einem 5:5-Remis. Es hat sie später selbst verwundert, dass sie aus lauter Gewohnheit nicht in die falsche Kabine spaziert ist.

Acht Jahre lang, von ihrem elften bis zum 19. Lebensjahr, verbrachte sie viel Zeit in Schwabhausen und noch mehr mit dessen Trainer Alexander Yahmed, der nach wie vor ihr Heimtrainer ist. Für Kolbermoor geht die 21-Jährige inzwischen in ihre dritte Saison in der ersten Liga, nach Schwabhausens Wiederaufstieg kam es nun am Samstag am ersten Spieltag zu diesem emotionalen Wiedersehen.

Angefangen hatte ihr Aufstieg zur Weltklassespielerin einst im Keller ihres Elternhauses. Der Vater hatte sich beim Skifahren den Fuß gebrochen. Er war schlecht drauf, ungeduldig, er wollte unbedingt Sport machen, also schnappte er sich seine Tochter, setzte sich auf einen Stuhl und schlug mit ihr an der Platte sitzend ein paar Bälle. "Ich habe gesehen, wie langweilig ihm ist und habe die Gaudi einfach mitgemacht", erinnert sich Winter an ihre Anfänge. Ihre Begabung blieb nicht lange im Keller verborgen, sondern fand irgendwann den Weg nach oben, in die Halle. Über ihren Trainer Yahmed, mit dem sie in Gräfelfing trainierte, kam dann auch der Kontakt nach Schwabhausen zustande. Zunächst fuhren sie ihre Eltern einmal in der Woche zum Mannschaftstraining. Mit zunehmendem Alter verbrachte sie immer mehr Zeit an der Platte, sie gewann die meisten ihrer Spiele und verließ schließlich im Jahre 2009 nach der zehnten Klasse das Gymnasium, um ihr Hobby zur Profession zu machen. Es war ein Wagnis, das sich aber schnell bezahlt machen sollte. Schon ein Jahr später gewann sie mit der Frauen-Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft Bronze. 2011 hat sie dann Hechendorf verlassen, um in Düsseldorf im Leistungszentrum des Deutschen Tischtennis-Bundes zu leben und sich zur Profispielerin formen zu lassen. Auch wenn sie die Landschaft Oberbayerns vermisst, haben der Umzug, die Trainingsbedingungen, ihrer Karriere gut getan. Sie gewann im vergangenen Jahr nicht nur ihr erstes internationales Turnier im Einzel, sondern holte sich im Doppel an der Seite von Petrissa Solja bei der EM in Österreich den Sieg.

Sabine Winter kommt gerne nach Schwabhausen in ihre alte Heimat zurück. Am Samstag allerdings hatte sie den SV DJK Kolbermoor dabei - zum Buzndesliga-Duell. Es endete in einem friedlichen 5:5-Unentschieden. (Foto: Toni heigl)

Nach Bayern, nach Hause, auch nach Schwabhausen kommt sie immer mal wieder zurück. Sie trainiert hier dann mit den Männern, mit den Frauen oder dem Nachwuchs. "Das macht mir unheimlich Spaß und ich hoffe den anderen auch", sagt Winter. Dass das natürlich auf Gegenseitigkeit beruht, hat sie am Samstagnachmittag spüren dürfen. Bei ihrer Vorstellung war der Applaus so laut, als ob sie sich noch immer das Trikot des TSV überstreifen würde. "Sie ist ein gern gesehener Gast hier", betont TSV-Abteilungsleiter Helmut Pfeil, auch wenn sie längst das Pink des SV DJK Kolbermoor trägt. Der Klub aus dem Landkreis Rosenheim war der Favorit, der Sieg eigentlich nur Formsache. Doch der Aufsteiger wehrte sich tapfer, am Ende hieß es 5:5, weil Agnes Kokai ihr Einzel in fünf Sätzen gewann. "Der Punkt ist für uns wie ein Sieg", sagt Pfeil. Und Sabine Winter? Sie demonstrierte eindrucksvoll, warum sie in der Weltrangliste im Moment so gut wie nie zuvor geführt wird. Auf Rang 52. Sie gewann ihr Doppel und ihre beiden Einzel gegen Ting Yang und Andrea Bakula. Sie will weiter nach oben kommen, ihr Spiel vor allem im Einzel auf ein höheres Niveau heben. "Ich will auch hier ähnliche Erfolge feiern wie im Doppel", sagt Winter. Noch kommt ihrem Stil mit der aggressiven Vorhand das Doppel mehr entgegen, weil sich ihre Schwächen auf der Rückhandseite mit Hilfe der Partnerin besser kompensieren lassen. Im Training klappt die Rückhand schon ganz gut, auch das Rückschlagspiel. Ihr Traum sind die Sommerspiele in Rio in zwei Jahren. In London war sie schon dabei, als Ersatzspielerin. Aber noch wichtiger ist ihr, "dass ich eine komplettere Spielerin werde", bekennt Sabine Winter. Auch Schwabhausen hilft ihr weiter dabei.

© SZ vom 08.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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