Nachfolger von Philipp Lahm:Zeitalter der Suche beginnt

Löw

Auf der Suche: Joachim Löw.

(Foto: dpa)

An seiner Weisheit ist nicht zu zweifeln: Joachim Löw ist ein Weltmeistertrainer. Das gibt ihm die Freiheit, seine ganz eigene Personalpolitik zu betreiben - gerade bei der Suche nach einem Nachfolger für Außenverteidiger Philipp Lahm.

Kommentar von Philipp Selldorf

Joachim Löw hat am Sonntag wieder mal das Land verblüfft. Erstens, indem er Hoffenheims Mittelfeldspieler Sebastian Rudy die Rolle des rechten Außenverteidigers zuteilte. Zweitens, indem er die neuartige Zuteilung dadurch begründete, "natürlich gewusst" zu haben, dass Rudy diese Aufgabe schon häufig versehen hätte. Damit wusste Löw auf magische Weise mehr als der Betroffene selbst, der sich nur dunkel an eine jahrelang zurückliegende Verwendung als Außenposten erinnern konnte, und dies auch nur zum Testspielzweck.

Löw darf das. Er ist jetzt der Mann, der den WM-Titel gewonnen hat, an seiner Weisheit ist nicht mehr zu zweifeln. Wenn er wollte, dürfte er behaupten, dass der schiefe Turm von Pisa gerade steht - die italienischen Kulturbehörden gerieten sofort in Erklärungsnot. Zunächst kümmert sich Löw aber um den bewährten Schiefstand in seinem Kader, um das Missverhältnis, das auf den Flügeln herrscht: vorn das Überangebot, hinten der Mangel, das Übliche. Die Besetzung der beiden Abwehrseiten ist nicht das einzige Problem, das auf dem Weg zum nächsten Turnier zu lösen ist. Es ist aber eines, dessen Lösung besonders ungewiss ist.

Seit Philipp Lahms Rücktritt hat Löw bereits zwei Versuche unternommen, die Lücke zu schließen. Weitere werden folgen, den Testkandidaten Kevin Großkreutz hat er bereits aus dem Wettbewerb komplimentiert. Die Lahm-Lücke hat einen historischen Aspekt, sie erinnert an die Zeit, als die Nationalmannschaft einen Nachfolger für Franz Beckenbauer suchte, nachdem dieser 1977 zu Cosmos New York gewechselt war. Ehrbare Profis wie Holger Fach, Matthias Herget, Hans-Günter Bruns oder Thomas Hörster versuchten (neben anderen) ihr Glück und mussten sich beschimpfen lassen, dass sie nicht die Glorie des großen Beckenbauer hätten.

Löw wäre heute sogar froh, wenn ihm die Liga so viele Kandidaten liefern würde. In den deutschen Spitzenvereinen findet man jedoch - abgesehen vom emeritierten Lahm - auf dem rechten Außenposten Spieler aus Brasilien, Japan, Polen und Kroatien, und vom Rest des Angebots scheint Löw weiterhin nicht überzeugt zu sein, weshalb er sich nicht nach den realen Verhältnissen, sondern nach seinen persönlichen Idealvorstellungen richtet.

Die bei der WM praktizierte Improvisation - mit den Innenverteidigern Boateng und Mustafi anstelle des ins Mittelfeld ausgerückten Lahm - war wohl nur der Beginn eines Zeitalters der Suche. Als Nächster wird wohl der Stuttgarter Antonio Rüdiger an den rechten Rand des Nationalteams rücken. Bisher hielt sich Rüdiger zwar für einen Innenverteidiger - aber ein Weltmeistertrainer kann es sich leisten, das Potenzial zu berufen, das er und vielleicht sogar nur er in einem Spieler sieht.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: