Solidaritätszuschlag:Der Soli schafft sich selbst ab

Solidaritätszuschlag laut Gericht verfassungswidrig

Der verwitterte Schriftzug "Aufschwung Ost" an einer Schallschutzwand in Magdeburg.

(Foto: picture alliance / dpa)

Der Soli ist eine Erfolgsgeschichte. Man kann sie vielerorts besichtigen. Doch die positive Entwicklung untergräbt auch die Legitimität des Zuschlags. Finanzminister Schäuble sollte ihn zu Grabe tragen - und die Gelegenheit nutzen, seine traurige Bilanz aufzubessern.

Kommentar von Claus Hulverscheidt

Solidarität, so hat der Soziologe Karl Otto Hondrich einmal geschrieben, ist unausgesprochene, nicht einklagbare Gegenseitigkeit. Sie ist gefühlvoller als Verträge, aber nüchterner als die Liebe. Sie verströmt sich nicht in bloßer Caritas, sondern mahnt wechselseitigen Beistand an. Vor allem aber, so Hondrich, kommt sie aus freien Stücken zustande. So gesehen war der Solidaritätszuschlag vom allerersten Tag an ein Etikettenschwindel.

Die 1991 eingeführte Abgabe beruhte nämlich gerade nicht auf Freiwilligkeit. Sie war der Versuch der Regierung Kohl, die Notwendigkeit von Steuererhöhungen zur Finanzierung der deutschen Einheit in ein hübscheres Kleidchen zu verpacken. Auch kam der Soli, wie er bald hieß, nie nur den neuen Ländern zugute. Schon 1991 zweigte Kohl Geld ab, um den USA einen Teil der Golf-Kriegskosten abzunehmen. Und zum besseren gegenseitigen Verständnis von West- und Ostdeutschen trug er ebenfalls nur bedingt bei: Bis heute denken die Ossis, dass die Wessis denken, der Zuschlag werde nur in den alten Bundesländern erhoben. Missverständnisse allerorten.

Manch Regierungschef im Westen sollte im Osten in die Lehre gehen

Dabei ist der Soli eine Erfolgsgeschichte. Er trug maßgeblich zur wirtschaftlichen Gesundung und zum Aufbau moderner Strukturen im Osten bei. Die Erfolge kann man, bei allem, was zu tun bleibt, vielerorts besichtigen. Sie zeigen sich auch darin, dass der Bund seine Extrazuweisungen an die neuen Länder peu à peu zurückfahren kann - von zwölf Milliarden Euro 2005 auf noch 3,5 Milliarden im Jahr 2019, wenn der Solidarpakt II ausläuft. Die betroffenen Ministerpräsidenten und Finanzminister nehmen das klaglos hin, weil sie rechtzeitig ihre Haushalte einigermaßen in Ordnung gebracht haben. Manch jammernder Kollege im Westen, allen voran die Damen und Herren in Düsseldorf, sollte einmal im Osten in die Lehre gehen.

Die positive Entwicklung untergräbt jedoch zugleich die Legitimität des Solidaritätszuschlags. Schon heute bringt die Abgabe dem Bund mehr Geld ein, als der Aufbau Ost kostet. In den kommenden Jahren wird dieses Missverhältnis immer größer werden. Ein Steuerzuschlag ist jedoch immer nur vorübergehend und mit eindeutiger politischer Zweckbindung zu rechtfertigen, andernfalls gerät er in Konflikt mit dem Grundgesetz. Es ist deshalb richtig, dass Finanzminister Wolfgang Schäuble 2019, fast 30 Jahre nach der Wiedervereinigung, den Soli zu Grabe tragen will.

Ebenso in Ordnung ist, dass er sich einen Teil der Einnahmeausfälle von 18 Milliarden Euro im Jahr über höhere Einkommen, Körperschaft- und Abgeltungsteuersätze zurückholen will. Das würde auch zu Mehreinnahmen der Länder führen, die - anders als beim Soli - an den Erlösen all dieser Steuerarten beteiligt sind. Schäuble sollte die Gelegenheit allerdings auch dazu nutzen, seine bisher so traurige Schaffensbilanz in der Steuerpolitik aufzupolieren, indem er die Bürger entlastet und die massive steuerliche Bevorzugung von Kapital- gegenüber Arbeitseinkommen hierzulande beseitigt. Eine solche Politik käme ganz Deutschland zugute - Ossis wie Wessis.

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