Serie: "Auswärtsspiel":Verschlungene Pfade

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Edeltechniker in der Kreisklasse: Wie der Mexikaner Juan José Castillo Duque via Neuseeland nach Dachau kam - und welche Rolle Fastfood dabei spielt

Von Christian Bernhard

Die Veranlagung zum Wettessen kommt nicht von ungefähr. Als Jugendlicher lebte Juan José Castillo Duque in seiner mexikanischen Heimat mit zwölf anderen Nachwuchsfußballern unter einem Dach. Das Ambiente war alles andere als luxuriös, die Gemeinschaftstoilette auf der Terrasse. Aber was tut man nicht alles, um seinen Traum zu verwirklichen? Zu essen bekamen die, die am schnellsten am Tisch waren. Die Haushälterin klingelte, dann fielen alle über das Essen her. Ein paar Minuten später war nichts mehr da, wer satt werden wollte, musste schnell sein. So einfach war das.

Castillo Duque wirkt nicht wie der geborene Schnellesser. Er wirkt aber auch nicht wie einer, der mit 26 Jahren bereits auf drei Kontinenten Fußball gespielt hat. In Mexiko, Neuseeland - und jetzt in Dachau.

Castillo Duques Weg, der ihn rund um den Globus geführt hat, begann in Mexikos 1,5-Millionen-Einwohner-Stadt Guadalajara. Mit 13 Jahren kam er zu Estudiantes Tecos, nur zwei Jahre später debütierte er in Mexikos dritter Liga. Weiter ging es in Aguascalientes, 220 Kilometer von zu Hause entfernt. Dort lernte er, schnell zu essen. Und er lernte, dass einem jungen Spieler viel versprochen, davon aber nur wenig gehalten wird. "Aber ich hatte einen Traum", sagt er. Den Traum vom Profifußball.

"Obwohl ich bei all meinen Stationen nicht viel Geld verdient habe, machen mich all diese Erfahrungen zu einem reichen Mann." (Foto: Toni Heigl)

Mit 20 kehrte er zu Tecos zurück, doch der Sportdirektor wollte ihn nicht, und so entschied sich Castillo Duque für ein Studium und gegen den Versuch, es weiter im Profifußball zu versuchen. Dank seiner sportlichen Qualitäten bekam er ein Stipendium an einer Hochschule in Guadalajara und spielte für deren Mannschaft. Zweimal gewann er mit seinem Team die mexikanische Universitätsmeisterschaft.

Die Universität war es auch, die den Anstoß für seine Reise um den Globus gab. Castillo Duque ging als Erasmus-Student nach Neuseeland - und musste dort erst einmal kräftig schlucken. Der Fußball, seine große Liebe, spielte dort keine Rolle. Ein halbes Jahr lang kickte er in der Freizeit mit Studienkollegen, dann fand er einen Zweitligisten in seiner Nähe. Castillo Duque war nun Teil eines Teams, in dem Neuseeländer, Brasilianer und Peruaner spielten, stach aber aufgrund seiner Qualitäten aus dem bunten Haufen heraus. "Ich wurde wie ein Superstar behandelt", erzählt er. Inmitten der athletisch starken, aber fußballerisch limitierten Neuseeländer war er der Edeltechniker. Castillo Duque führte seine Mannschaft zum Klasserhalt; Höhepunkt seiner fußballerischen Zeit am anderen Ende der Welt war ein Testspiel gegen den Auckland City FC, der 2013 an der Fifa-Klub-WM teilnahm. Neben dem Studium und dem Fußball arbeitete er in einem mexikanischen Restaurant, bereiste den südostasiatischen Raum und lernte seine Freundin Barbara kennen, deretwegen er heute in München ist. "Das war das Jahr meines Lebens", sagt er.

Seine Freundin zog danach für ein Jahr nach Mexiko, zusammen eröffneten sie ein Internet-Café. Doch Castillo Duque wollte wieder Fußball spielen - und Deutsch lernen. So kam er im November 2013 nach München, wo er sich gleich auf die Suche nach einem Verein machte. Seine Freundin schrieb alle Bayern- und Landesligisten der Umgebung an, doch eines Tages landeten in seinem E-Mail-Eingang Antworten des FC Bayern und des TSV 1860 München mit der Betreffzeile "Probetraining" - seine Freundin hatte ohne sein Wissen auch die zwei Profiklubs angeschrieben. Noch heute muss der 26-Jährige darüber schmunzeln: Ihm wurde mitgeteilt, dass es für Spieler seines Alters kein Probetraining mehr gebe.

Juan José Castillo Duque, 26, während seiner Zeit in Neuseeland - Fußballer, Weltenbummler und Schnellesser von akademischem Rang. (Foto: Privat)

Von den Amateurvereinen antwortete als einziger der TSV 1865 Dachau. Also setzte Castillo Duque sich in die S-Bahn und trainierte im Januar erstmals mit dem damaligen Landesligisten. Die Premiere hatte es in sich, denn er erlebte etwas, was er in Mexiko nie gesehen hatte: Schnee. "Es war eiskalt und ich habe stark gefroren", erzählt er. Die erste Begegnung mit der weißen Flockenpracht hat sich tief eingeprägt.

Nicht nur der Schnee war neu, auch die Art und Weise, wie in Deutschland trainiert wird. "Immer, wenn ich im Training angeschrien wurde, dachte ich, ich hätte etwas falsch gemacht. Aber hier wird auf dem Fußballplatz einfach viel mehr gebrüllt." Von Training zu Training fand sich Castillo Duque besser ein, auch, weil sein Deutsch immer besser wurde. Heute, nach zehn Monaten in Deutschland, beherrscht er es erstaunlich gut. Da sein Spielerpass noch nicht da war, spielte er am Ende der Winter-Vorbereitung für Dachaus zweite Mannschaft - und verletzte sich dabei am Knöchel. Castillo Duque musste vier Monate pausieren und verpasste dadurch die komplette Rückrunde. Dafür konnte er seinen Deutschland-Aufenthalt verlängern. Er begann in einer Werkstatt für Behinderte ein Freiwilliges Soziales Jahr, wodurch sein Visum bis Mai 2015 verlängert wurde.

Mittlerweile hat er seine Knöchelverletzung auskuriert, ist wieder fit und spielt regelmäßig für die zweite Mannschaft der Dachauer in der Kreisklasse, mit der er zuletzt das Lokalderby gegen den ASV Dachau II gewann. Castillo Duque kann endlich wieder das tun, was er am liebsten macht: Fußball spielen, egal wo. "Obwohl ich bei all meinen Stationen nicht viel Geld verdient habe, machen mich all diese Erfahrungen zu einem reichen Mann", sagt er.

Und was seine Schnelless-Qualitäten betrifft: Die haben ihm zu akademischem Ruhm verholfen. Keiner aß beim Universitäts-Wettessen in Neuseeland so schnell wie er: Spaghetti, Hot Dogs, Sahnetorte - alles verschwand in Rekordzeit von seinem Teller. Auch die groß gewachsenen und deutlich fülligeren Neuseeländer am Tisch hatten keine Chance.

Bisher erschienen: N. Sriram Balaji, Tennisprofi (7.8.); Michael Elmer, Eishockeytrainer (9.8.); Patrick Steuerwald, Volleyballprofi (14.8.); Carlos Escribá Liñero, Hockeytrainer (21.8.); Daniel Heidemann, Fußballtrainer (23.8.); James Craig, Footballtrainer (26.8.); Martin Smolinski, Speedway-Profi (28.8.); John David Hillis, Galopptrainer (30.8); Orkan Balkan und Yasin Yilmaz, Fußballspieler (3.9.); Nicolas Pohler, Formel-3-Pilot (6.9.)

© SZ vom 10.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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