"Politico" kommt nach Europa:Mission Brüssel

Politico Internetportal

Unverzichtbar für Politjunkies: das Nachrichtenportal Politico. Alle zwei Monate erscheint das gleichnamige Hochglanzmagazin.

(Foto: Politico)

Das Internetportal "Politico" ist in Washington für Politiker, Lobbyisten und Journalisten unverzichtbar. Jetzt bekommt es einen europäischen Ableger, gemeinsam mit dem Axel-Springer-Verlag. Auch der hat dafür Gründe.

Von Katharina Riehl und Matthias Kolb

Wer bei Politico Karriere machen will, muss früh aufstehen, denn die Gründer John Harris und Jim VandeHei haben ein klares Ziel: mit Exklusivgeschichten für die eigene Website die Nachrichtenlage in Washington zu bestimmen. "Win the morning" heißt die Strategie. "Auch heute war unser Newsroom um 6.30 Uhr nahezu leer. Wer zu dieser Zeit noch nicht mal auf dem Spielfeld steht, kann nicht gewinnen", hieß es 2009 in einem internen Memo an die Belegschaft.

Die ständige Jagd nach Scoops zahlt sich aus, in der US-Hauptstadt gibt es für Politiker, Lobbyisten und Journalisten heute kein wichtigeres Medium als Politico. Jeden Monat nutzen sieben Millionen Unique User die Website. Es liegt nahe, dass Politico nun Brüssel als Ziel seiner Europa-Expansion auserkoren hat, unterstützt vom Axel Springer Verlag, mit dem das Unternehmen ein Joint Venture gegründet hat. Nur in der Machtzentrale der EU gibt es ähnlich viele Lobbyisten wie in Washington, für die der kleinste Wissensvorsprung wichtig ist - und die dafür Geld ausgeben. Gegen Gebühren bekommen Abonnenten bei Politico Pro vertiefende Hintergrundinformationen.

Echte Meinungen sind selten

Als Harris, heute Chefredakteur von Politico, und VandeHei, heute Geschäftsführer, 2007 die Washington Post verließen und Politico gründeten, wollten sie ihre Website für Polit-Junkies so unverzichtbar gestalten wie jene des Kabelsenders ESPN für Sportfans. Bilder und Vergleiche aus dem Sport finden sich oft bei Politico: In den Texten geht es vor allem um Sieg oder Niederlage - echte Meinungen äußern die Autoren selten.

Längere Reportagen und Essays werden seit 2013 im Politico Magazine gedruckt, dessen Chefredakteurin Susan Glasser zuvor das Fachmagazin Foreign Policy leitete. Mike Allen, Korrespondent fürs Weiße Haus, verschickt jeden Morgen einen für viele in Washington unverzichtbaren Newsletter namens "Playbook". Nicht nur für die Reporterlegende Bob Woodward ist Allen der bestinformierte Journalist der Stadt.

Für den Springer-Verlag, der spätestens seit dem Verkauf vieler Print-Titel im vergangenen Jahr sein digitales Portfolio erweitert, ist Politico vor allem auch wichtig fürs Prestige - dass Konzernchef Mathias Döpfner den Journalismus ausverkaufe, hatte dieser immer von sich gewiesen. Da macht sich Politico natürlich gut. Wie genau das Angebot in Europa aussehen wird, ist noch unklar, zu Details wollte sich Springer nicht äußern. In Europas Redaktionen aber wird Politico vermutlich bald auf Einkaufstour gehen.

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