Luka Magnotta:Prozess gegen "Kanadischen Kannibalen" verzögert sich

File of an artist's sketch showing Luka Rocco Magnotta in court for his preliminary hearing in Montreal

Am Montag beginnt offiziell der Mordprozess gegen Luka Rocco Magnotta.

(Foto: REUTERS)

Vor laufender Kamera soll Luka Rocco Magnotta einen chinesischen Studenten getötet und zerteilt haben, die Körperteile schickte er an Schulen und Parteizentralen. Am Montag sollte der Prozess in Montréal beginnen - nun wurde er verschoben.

Von Julian Dorn

  • Luka Magnotta soll einen Mann getötet und Pakete mit abgetrennten Gliedmaßen unter anderem an das Büro von Premierminister Stephen Harper sowie an Schulen im Raum Vancouver geschickt haben.
  • Anschließend tauchte er in Berlin unter, wo Magnotta in einem Neuköllner Internetcafé erkannt und von der Polizei festgenommen wurde.
  • In Montréal muss sich der 32-Jährige nun unter anderem wegen Mordes verantworten. Nach einer komplizierten Jury-Auswahl verzögert sich die Verhandlung aber um eine Woche.

Paket mit Leichenteilen an Premierminister adressiert

Luka Rocco Magnotta zeigte sich gerne mit nacktem Oberkörper, in engen Jeans, mit rosa geschminkten Lippen, die er zum Schmollmund formte. Auf seinen zahlreichen Facebook-Accounts, seinem Twitter-Profil und seiner eigenen Website fanden sich unzählige Fotos von ihm - in Paris, New York, Moskau, Rom, gerne in aufreizenden Posen. Im Juni 2012 hatten seine Reisen ein Ende. Seither sitzt er in Montréal in Haft.

Am 29. Mai 2012 war in der Zentrale der Konservativen Partei von Premier Stephen Harper in Ottawa ein Paket eingetroffen. "Es war so ein schrecklicher Geruch. Viele von uns werden ihn wohl nie vergessen", sagte damals ein Parteisprecher.

Das Paket enthielt einen menschlichen Fuß. Wenige Stunden später machten Mitarbeiter im Postamt von Ottawa eine ähnlich grausige Entdeckung: Ein an die Liberale Partei adressiertes Paket enthielt eine menschliche Hand. Etwa zweihundert Kilometer entfernt, in Montréal, wurde noch am gleichen Tag ein männlicher Torso in einem Koffer entdeckt, der unter Müllsäcken versteckt lag. Den dazugehörigen Kopf fanden Polizisten Wochen später in einem Park in Montréal.

Magnotta geriet früh auf die schiefe Bahn

Die Ermittler stießen schnell auf einen Tatverdächtigen: Luka Rocco Magnotta, geboren am 24. Juli 1982 als Eric Clinton Kirk Newman in Scarborough, Ontario, aufgewachsen in zerrütteten Verhältnissen. Bereits im Jugendalter wurde bei ihm paranoide Schizophrenie diagnostiziert. Im Juli 2006 soll er seinen Namen in Luka Rocco Magnotta geändert haben. Daneben verwendete er weitere Pseudonyme wie Vladimir Romanov, Jimmy, Justin oder Angel.

Der Kanadier geriet früh auf die schiefe Bahn: Drogenkonsum bereits als Jugendlicher; mit 18 Jahren arbeitete er als Prostituierter. Später verdiente Magnotta sein Geld als Model und Pornodarsteller. Seine Neigung zum eigenen Geschlecht verbarg er nie: Häufig ließ er sich für einschlägige homosexuelle Lifestyle-Magazine ablichten und trat in Frauenkleidern auf.

Magnotta lebte in einer Wohnung in einem zweistöckigen Backsteinhaus, das sich direkt hinter dem Müllhaufen befand, in dem der Torso gefunden wurde. Im Appartement des Verdächtigen fand die Polizei eine blutdurchtränkte Matratze mit einem rosa Laken - von Mieter Magnotta fehlte jede Spur.

Erschütterndes Video

Einige Tage nach der Wohnungsdurchsuchung erhielten auch Schulen in British Columbia zwei Pakete mit abgetrennten Gliedmaßen. Eine DNA-Analyse identifizierte das Opfer als den 33-jährigen Lin Jun aus Wuhan in China, Student für Computer-Ingenieurwesen an der Concordia University von Montréal und wohl Magnottas Lebensgefährte.

Zur gleichen Zeit tauchte im Internet ein Video auf, das die Ermordung des chinesischen Studenten zeigt. Die Aufnahmen schockierten auch hartgesottene Ermittler: Darauf soll zu sehen sein, wie Magnotta mit einem Eispickel auf einen nackten jungen Mann einsticht und den Körper später zerstückelt. Auch "kannibalistische Handlungen" zeige das Video, berichteten kanadische Medien.

Magnotta hatte zuvor bereits mit brutalen Filmaufnahmen Aufmerksamkeit erregt, in denen er Tiere quälte. In einem auf Youtube geposteten Video soll er eine Katze einer Python zum Fraß vorgeworfen haben. Kurz darauf schrieb er einem Journalisten, das nächste Mal werde er einen Film drehen, "in dem man Menschen sieht und keine Katzen".

Widerstandslose Festnahme in Berlin

Luka Magnotta verließ das Land unmittelbar nach der Tat. Mit internationalem Haftbefehl und einer "Red Notice", der höchsten Fahndungsstufe, suchte Interpol nach dem mutmaßlichen Täter. Dieser flog zunächst nach Paris, bevor er mit dem Bus weiter nach Berlin reiste.

Am 4. Juni wurde er in einem Internetcafé in Neukölln festgenommen. Der Betreiber hatte ihn erkannt und die Polizei alarmiert. Der Verdächtige hatte am Computer seine eigenen Fahndungsmeldungen aufgerufen. Mit den Worten "you got me"("ihr habt mich") ließ er sich von den Beamten widerstandslos festnehmen. Zwei Wochen später wurde Magnotta nach Kanada ausgeliefert.

Geschenke und Briefe von Fans

Der 32-Jährige ist Umfragen zufolge der bekannteste Kanadier und bekommt nicht nur Verachtung zu spüren. Hunderte Briefe, Geschenke und Geld soll Magnotta erhalten haben, wie Global News meldet. "Ich habe wunderschöne Fotos an den Wänden und ermutigende Karten von Menschen auf der ganzen Welt," zitierte ihn das Blatt.

Im Prozess werden dem Beschuldigten insgesamt fünf Anklagepunkte zur Last gelegt. Außer Mord und Leichenschändung stehen Veröffentlichung und Versendung obszönen Materials sowie Bedrohung von Politikern in der Anklageschrift. Eigentlich sollte die Verhandlung an diesem Montag offiziell beginnen - nach einer komplizierten Jury-Auswahl wurde sie um eine Woche verschoben.

Die Auswahl der zwölf Geschworenen Anfang September verfolgte der Angeklagte im grauen Polohemd, meist mit geschlossenen Augen und verschränkten Armen. "Aufmerksam, aber emotionslos", urteilten Prozessbeobachter. Der Richter warnte die 1600 Kandidaten, dass während des Verfahrens mit einer "schockierenden und verstörenden Beweislage" gerechnet werden müsse.

Vor zwei Jahren plädierte Magnotta bei der ersten Anhörung nach seiner Auslieferung auf "nicht schuldig". Eine Begründung lieferte er nicht. Ob er sich in den Verhandlungen zu den Tatvorwürfen äußern wird, bleibt abzuwarten.

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