US-Serie "Sons of Anarchy":Reifenoper auf Testosteron

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Auch ein Vollgastyp wie "Sons of Anarchy"-Held Jax Teller (Charlie Hunnam, links) braucht mal eine kurze Pause. (Foto: FX)

Blutig, aber berührend: "Sons of Anarchy" erzählt von einem Motorradrocker, der alles verliert und auf Rache sinnt. Nun läuft die letzte Staffel an. Erfinder Kurt Sutter verspricht für das Finale "die schockierendste Szene der Fernsehgeschichte". Achtung Spoiler!

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Wer derzeit in den Vereinigten Staaten den Fernseher einschaltet, der hört andauernd Sätze wie "die schockierendste Staffel bislang", "der böseste Schurke aller Zeiten" oder "der spannendste Moment in der TV-Geschichte". Wohltuend zurückhaltend kam angesichts all dieser Superlative der Trailer zur neuen Spielzeit der Serie Sons of Anarchy daher: Ein blonder Typ fährt auf einer Harley Davidson, sein Blick wirkt wütend und verzweifelt, in einem Tunnel wird aus seinem Gesicht ein Totenkopf. Dazu die Einblendung "Die letzte Staffel".

Die ist gerade angelaufen, die einzelnen Folgen dieser siebten Spielzeit sind in Deutschland über diverse Portale einen Tag nach der US-Ausstrahlung legal zu sehen. Der blonde Typ ist Protagonist Jax Teller (Charlie Hunnam). Der Präsident des Motorradklubs Samcro in Kalifornien hat in den vergangenen Staffeln so ziemlich alles verloren, was ein Mann verlieren kann - inklusive Ehefrau Tara. Nun sinnt er auf Rache, die erste Episode trägt den Titel "The Black Widower", der schwarze Witwer. "Wir werden sehen, zu welch extremen Reaktionen Jax im Laufe der Saison fähig sein wird", sagt Kurt Sutter.

Shakespearehaftes Drama - "Hamlet" auf Harleys

Sutter hat Sons of Anarchy erfunden und gilt als Meister in der Kunst, viel darüber zu reden und wenig zu verraten. Fragen münden gewöhnlich in Monologe über die Motive einer Figur. Sutter hat die Serie als shakespearehaftes Drama angelegt ("Ich bin fasziniert von dieser Welt und diesem Zeitraum unserer Geschichte"), mittlerweile konkurriert man mit Game of Thrones, Spartacus: Vengeance und Nikita um die meisten Toten pro Episode.

Das Faszinierende daran: Trotz all der expliziten Brutalität (wenn etwa ein Mitglied von Samcro einen Feind zuerst in Urin ertränkt und dann auf den Leichnam pinkelt) springt einen diese Geschichte nicht an, sie berührt. Der Zuschauer wendet sich nicht angewidert ab, sondern fühlt mit diesen harten Burschen, die andauernd das Falsche tun, um das Richtige zu erreichen. Der Klub ist in allerlei krumme Geschäfte verwickelt - doch wenn die Mitglieder Gewalt anwenden, dann meist gegen finstere Gesellen, die noch schlimmere Dinge anstellen als sie selbst.

Es gibt bei Fernsehserien den Begriff Jump the Shark, seit der coole Fonzie in Happy Days in Lederjacke über einen Hai sprang. Er wird immer dann verwendet, wenn eine Produktion derart abstruse Momente einführt, dass sie abgesetzt gehört. Sons of Anarchy dagegen springt seit der ersten Folge über diesen Hai und bleibt genau deshalb interessant. Zwar wird die Serie bei Emmy-Verleihungen regelmäßig übergangen (Sutter: "Ich verstehe das nicht, aber ich bin von diesem bescheuerten Emmy-Gelabere total gelangweilt"), doch verhält es sich bei den Zuschauerzahlen ähnlich wie bei Breaking Bad: Die erste Staffel sahen durchschnittlich gerade einmal 2,2 Millionen Amerikaner, das Finale der vergangenen Staffel wollten insgesamt mehr als acht Millionen sehen.

Marylin Manson als Anführer einer Nazibande

Das liegt daran, dass Sutter seine Produktion vom Hamlet auf Harleys zu einer Testosteron-Seifenoper weiterentwickelt hat. Natürlich fliegen andauernd Häuser in die Luft (während der letzten Staffel das Hauptquartier der Bande) und Kugeln in die Körper von guten wie bösen Buben. Doch im Grunde geht es um Loyalität, um Männerfreundschaften, um Familie und Verein.

Eine zentrale Rolle nimmt dabei Jax' Mutter Gemma (Katey Sagal) ein, eine der faszinierendsten Frauenfiguren im Fernsehen derzeit. Sie hat ihre Schwiegertochter getötet, schiebt die Verantwortung jedoch weiter auf eine verfeindete Gruppe, um ihren Sohn zu schützen, wie sie sagt. Sutter deutet im Gespräch an, dass es zum Shakespeare-Showdown zwischen Jax und Gemma kommen könnte.

Bis dahin wird Sons of Anarchy noch ein paar Mal über den Hai hüpfen, wie schon die Gaststars vermuten lassen: Marilyn Manson als Anführer einer Nazibande im Gefängnis, die Krawallrockerin Courtney Love als Grundschullehrerin und Malcolm-Jamal Warner - ja, Theo aus The Cosby Show - als Anführer einer verfeindeten Bande. Sutter verspricht für das Finale nicht weniger als "die schockierendste Szene der Fernsehgeschichte". Da ist er also doch noch, einer dieser Superlative, die momentan jeden Tag im Fernsehen zu hören sind.

© SZ vom 12.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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