TV-Gründer-Casting "Die Höhle der Löwen":Als Trost ein wenig Negativwerbung

Die Höhle der Löwen

Welcher Existenzgründer punktet mit seiner Idee in der Höhle der Löwen (auf Vox)? Die Löwen alias die potenziellen Investoren sind: Vural Öger, Judith Williams, Frank Thelen, Lencke Wischhusen und Jochen Schweizer (von links).

(Foto: © VOX/Bernd-Michael Maurer)

Showtime für Selbständige: In der Vox-Sendung "Die Höhle der Löwen" pitchen Existenzgründer um Startkapital. Das Format ist unterhaltsam. Aber hat es irgendetwas mit der Realität zu tun?

Von Jutta Pilgram

Judith Williams ist Zuschauern des Shopping-Senders HSE24 bisher nur durch makellos manikürte Fingernägel und eine überkandidelte Begeisterung für Hautcreme mit "Edelweiß-Frischzellen" aufgefallen. Wer hätte gedacht, dass die ehemalige Opernsängerin auch eine knallharte Unternehmerin ist? Mit einem Jahresumsatz von hundert Millionen Euro ist ihre Firma die größte Teleshopping-Marke Europas. Und nun ist Williams auch noch eine "Löwin". Das heißt, sie ist Jurorin in der Fernsehshow Die Höhle der Löwen, die Vox noch bis Mitte Oktober am Dienstagabend zeigt, und beurteilt die Geschäftsideen anderer Unternehmer.

In den USA sind es keine Löwen, sondern Haie. Die Sendung Shark Tank ist dort seit Jahren ein großer Erfolg, in Kürze startet die sechste Staffel. Auch die Haifischbecken-Jury besteht aus betuchten Unternehmern und Investoren, die den Existenzgründern bei Gefallen ihr Netzwerk anbieten und Anteile an deren Firmen erwerben. Ihr realer Einsatz soll bereits mehrere Start-ups hochgebracht und 9000 Arbeitsplätze geschaffen haben.

Deutschland war einmal berühmt für seine Tüftler und Erfinder. Doch der Gründergeist ist verflogen, Job-Sicherheit geht vor Risiko. Die Selbständigenquote liegt weit hinter der anderer innovationsgetriebener Volkswirtschaften wie Großbritannien oder den Niederlanden. Zwar stieg laut KfW-Monitor 2013 die Zahl der nebenberuflichen Gründer, was mit der guten Arbeitsmarktlage erklärt wird. Doch gleichzeitig erreichte die Zahl der Vollerwerbsgründer einen historischen Tiefstand.

Fünf strenge Gestalten in tiefen Sesseln

"Showtime für gute Ideen", tönt es aus dem Off. Der Schatten eines Löwen streift über die Klinkerfassade einer Fabrikhalle. Zwei zittrige Kandidaten steigen in einen Lastenaufzug, laufen durch einen Gittergang und treten vor die Jury - fünf strenge Gestalten in tiefen Sesseln. In jeder Folge präsentieren sechs Gründer ihre Ideen: Mützen mit leuchtenden Bommeln, Tabletten zur Zahnreinigung, Wein in Plastikbechern, ein Gastronomiekonzept für Stockbrot-Romantiker oder GPS-Ortungsgeräte für verloren gegangene Kinder.

Die Kamera folgt jeder Schweißperle im Gesicht der Kandidaten, jeder hochgezogenen Augenbraue der Löwen. Leider hat die Regie jedem Juror nur einen einzigen Gesichtsausdruck zugeteilt: Pokerface beim Reiseanbieter Vural Öger, aufmunterndes Nicken bei Judith Williams, offener Mund bei MyTaxi-Investor Frank Thelen, hochnäsiges Grinsen bei Verpackungsunternehmerin Lencke Wischhusen und Schmunzeln beim Abenteuer-Vermarkter Jochen Schweizer.

Dabei sind die Präsentationen der Jung-Unternehmer unterhaltsamer und lehrreicher als die alten Lkw-Tricks bei Wetten, dass ..?. Und sie ähneln sogar verblüffend dem sogenannten Pitching vor Investoren in der Realität.

Zweifelhafte Berufsvorbereitung

Es gibt viele Job-Castings im Fernsehen. Doch Germany's Next Topmodel oder Deutschland sucht den Superstar, die auf Karrieren im Mode- oder Musikgeschäft vorbereiten sollen, betreiben eine zweifelhaftere Berufsvorbereitung. In der Höhle der Löwen werden tatsächlich ein paar Fachbegriffe erklärt, manchmal wird sogar ansatzweise gerechnet.

Mal decken die Löwen das unausgewogene Beteiligungsverhältnis zweier Geschäftspartner auf, mal punkten sie mit Marktkenntnis, dann wieder ist es nur ein bisschen gesunder Menschenverstand, wenn sie ein esoterisches Kartenspiel mit den Worten abkanzeln: "Wo ist da die Geschäftsidee?" Als Trost bleibt den Bloßgestellten: Sie haben ein wenig Negativwerbung bekommen.

Zwei Millionen Euro sollen die fünf Unternehmer tatsächlich bis zum Ende der Dreharbeiten investiert haben. Allerdings haben sie sich erst danach ans gründliche Prüfen der Geschäftsbücher gemacht. Da gab es ein paar Probleme mit Lizenzen, falschen Angaben und fehlendem Kapital. Wenn die Verträge schließlich unterzeichnet werden, wird keine Kamera dabei sein.

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