SPD bei der Landtagswahl in Thüringen:Juniorpartner mit Machtoptionen

Die Thüringer SPD um Spitzenkandidatin Heike Taubert hechelt CDU und Linken hinterher. Trotzdem dürfte sie bestimmen, wer künftig das Land regiert - und ob mit Bodo Ramelow erstmals ein Linker Ministerpräsident wird.

Von Cornelius Pollmer, Erfurt

Im Wahlkampf hatte die Thüringer SPD einige Mühe, auf sich aufmerksam zu machen, und wenn es ihr doch einmal gelang, dann galt diese Aufmerksamkeit nicht inhaltlichen Positionen der Partei, sondern dem Rezeptbuch ihrer Spitzenkandidatin.

"Besser Heike grillt", behauptet Sozialministerin Taubert in ihrer Wahlkampfbroschüre, darin findet sich auch ein Gruß aus der Familienküche, nämlich das Rezept "Hähnchen auf Bierdose". Dieses wiederum sorgte dafür, dass im Zusammenhang mit Taubert auf einmal vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) die Rede war. Die Anstalt sprach eine Wahlempfehlung aus, nicht für oder gegen die SPD, aber doch gegen Tauberts Hähnchen - es sei davon auszugehen, dass sich durch die Grillhitze "gesundheitsschädliche Substanzen aus der bedruckten Außenseite" lösten und in das Fleisch übergingen.

SPD bei der Landtagswahl in Thüringen: SZ-Grafik: Bucher; Quelle: Thüringer Landtag

SZ-Grafik: Bucher; Quelle: Thüringer Landtag

Einen bitteren politischen Nachgeschmack bekam das Rezept schließlich dadurch, dass Taubert in der schwarz-roten Koalition auch den Verbraucherschutz verantwortet.

Heike Taubert ist eine sachkundige Ministerin und ein sehr netter Mensch, im Wahlkampf allerdings helfen ihr diese Prädikate nicht viel. 25 Prozent hatte Tauberts Partei als Ziel ausgegeben, zu Beginn des Jahres stand sie in den Umfragen bei 20, kurz vor der Abstimmung am Sonntag sind es noch 16.

Ohne die SPD wird es vermutlich keine CDU-Regierung geben

Die SPD befindet sich in einer strategisch hoch interessanten Position, von der sie selbst noch nicht weiß, ob sie sich als Vor- oder Nachteil erweisen wird. Denn die beiden stärksten Parteien des Landes, die CDU und die Linke, verengen die Bedeutung dieser Landtagswahl auf die Frage, ob die CDU unter Christine Lieberknecht weiterhin den Freistaat führen kann (was die Partei seit 24 Jahren tut) - oder ob es mit Bodo Ramelow das erste Mal überhaupt in Deutschland einen linken Ministerpräsidenten geben wird.

Heike Taubert (SPD)

Wahlkampf Thüringen: Die SPD-Spitzenkandidatin Heike Taubert beim Wahlkampfabschluss in Jena.

(Foto: dpa)

Demoskopisch betrachtet leidet die SPD unter dieser Zuspitzung, faktisch aber wird es am Ende wohl nicht der Wähler, sondern sie sein, die diese Frage beantwortet. Denn ohne die SPD wird es vermutlich keine CDU-Regierung geben und mit Sicherheit keine der Linken.

Taubert kann das Wort "Königsmacher" nicht mehr hören, sie würde es am liebsten auf einen Grill legen und verbrutzeln lassen. Die Rolle, die das Wort beschreibt, würde ihrer Partei aber auch dann bleiben, auf zwei mögliche Weisen. Erstens: als kleiner Partner der CDU.

An den öffentlichen Wortmeldungen von CDU-Fraktionschef Mike Mohring lässt sich das Dilemma der Christdemokraten recht gut nachvollziehen. Im Februar noch umschmuste Mohring in einem Doppelinterview der Wochenzeitung Die Zeit die grüne Spitzenkandidatin Anja Siegesmund. Dieser Koalitionsoption aber stehen die Grünen skeptisch gegenüber, rechnerisch scheint sie ohnehin kaum mehr relevant zu sein, wegen des als sicher geltenden Einzugs der "Alternative für Deutschland" (AfD) in den Thüringer Landtag.

Der AfD wiederum versuchte Mohring vor kurzem die Hand zu reichen, entgegen eines von ihm zuvor mitgetragenen und danach zwangserneuerten Beschlusses des Parteipräsidiums. Der CDU bleibt also einzig eine Fortführung der Koalition mit der SPD.

Grüne und Linke können in Thüringen gut miteinander

Die zweite Option für diese ist ebenfalls eine Juniorpartnerschaft, an der Seite der Linkspartei und unter notwendiger Hinzunahme der Grünen, falls diese nicht überraschend doch den Wiedereinzug verpassen sollten. Vor fünf Jahren gab es in Thüringen schon einmal die Chance auf ein solches Bündnis, sie wurde von den Beteiligten in einem bemerkenswert chaotischen Prozess vertan.

Die Erinnerung an dieses Scheitern immerhin ist nun von großem Wert, die Spitzen der drei Parteien haben bereits vor der Wahl viele jener Punkte adressiert, die eine Koalition seinerzeit verhindert hatten. Grüne und Linke können in Thüringen eher gut miteinander, und Bodo Ramelow ist zuzutrauen, dass er angesichts des höheren Ziels seiner Ministerpräsidentenschaft nötigenfalls zu einigen inhaltlichen Konzessionen bereit wäre, den Rückhalt in seiner Fraktion dürfte er dafür haben. Trotzdem ist ungewiss, ob eine solche Verbindung dieses Mal zustande kommen kann, es kommt auch hier entscheidend auf die SPD an.

Die SPD hat als drittstärkste Kraft voraussichtlich zwei Optionen

Die Partei hat als drittstärkste Kraft voraussichtlich also zwei Machtoptionen und damit vermutlich mehr als alle anderen Parteien. Diese Machtoptionen aber sind zugleich Machtzwänge, die SPD wird dieses, so ist es Brauch, mit Leidenschaft erörtern und dabei womöglich selbst Schaden nehmen.

In der Koalitionsfrage ist die Partei verlässlich zerstritten, das immerhin erleichterte die Entscheidung, sich nicht schon vor der Wahl festzulegen. Hätte die SPD sich schon jetzt zu egal welcher Koalition bekannt, ein Teil ihrer selbst wäre auf jeden Fall dagegen gewesen. Klären soll das Entweder-oder nun ein bindender Entscheid der Mitglieder nach Abschluss aller Sondierungsgespräche. Man kann es so sehen, dass die SPD gar keine andere Möglichkeit hatte, als sich beide Möglichkeiten offenzuhalten, auch wenn genau dieses Nichtfestlegen dem eigenen Wahlergebnis nicht gerade zuträglich sein wird.

Die Machtverhältnisse an der Spitze werden sich sortieren

Noch vor dem Mitgliederentscheid werden sich womöglich die Machtverhältnisse an der Spitze der Thüringer SPD sortieren. Fährt diese ein besonders schwaches Ergebnis ein, könnte es passieren, dass Parteichef Christoph Matschie versucht, wieder deutlicher die Führung zu übernehmen. Gelänge ihm dies, stiege wohl die Wahrscheinlichkeit für eine Fortsetzung der schwarz-roten Koalition.

Heike Taubert wiederum gibt sich größte Mühe, keine messbaren Präferenzen erkennen zu lassen. Sie weicht lieber auf Sigmar Gabriel aus und erinnert daran, dass der Bundesvorsitzende dem Landesverband zwar Entscheidungsfreiheit zugesichert, zugleich aber darum gebeten habe, "dass wir tief in uns gehen".

Niemand kann so recht sagen, was es für die SPD perspektivisch bedeuten würde, hülfe sie erstmalig einem Linken, Ministerpräsident zu werden. Es lässt sich genauso wenig sagen, wie sich die Thüringer SPD am Ende entscheiden wird. Für sie gilt, was eine Lehrerin Tauberts in der DDR einst zweifelnd über die kleine Heike notierte. Deren Vater war in der SED, die Mutter in der Kirche. Die Lehrerin schrieb also etwas ratlos, Tauberts Elternhaus sei "ideologisch gespalten".

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