Bundesliga:Wildes Hin und Her in Leverkusen

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Umkämpfte Partie: Davie Selke (Mitte) rangelt mit Bender (rechts) und Calhanoglu um den Ball.

(Foto: AFP)

Es ist die aufregendste und temporeichste Partie der Bundesliga-Saison: Bayer Leverkusen zeigt gegen Werder Bremen erneut berauschenden Offensivfußball, doch der Gegner kämpft sich immer wieder zurück - und holt tatsächlich noch ein 3:3 heraus.

Von Lisa Sonnabend

Die Bundesliga-Saison 2012/2013 verlief, das werden auch Bayernfans nicht leugnen, etwas eintönig. Nach einem 3:0 am ersten Spieltag übernahmen die Münchner die Tabellenführung - und die gaben sie nicht mehr her. Ein Jahr später ist das Bild nun ein anderes. Der dritte Spieltag steht an, doch die Bayern waren noch nicht Spitzenreiter.

Hätte Bayer Leverkusen die Partie gegen Werder Bremen am Freitagabend gewonnen, hätten die Münchner auch nach diesem Wochenende keine Chance gehabt, die Spitzenposition zu erklimmen. Doch die Partie in Leverkusen endete 3:3 (1:1). Das Team von Roger Schmidt spielte dabei immerhin erneut so beschwingt, frech und mutig, dass weiterhin Restzweifel bestehen, ob der FC Bayern am Ende dieser Saison ganz oben in der Tabelle stehen wird.

Auch wenn die Partie nur unentschieden ausging, vor Beginn gab es für Leverkusen Grund zur Freude. Lars Bender kehrte nach langer Verletzungspause auf den Platz zurück. Um den Oberarm band er sich sogleich die Kapitänsbinde, da Simon Rolfes nach einem Syndesmoseriss länger ausfällt. Überraschend auch: Statt Heung-Min Son drängte auf der linken Seite Levin Öztunali nach vorne. Bei Werder fehlte Cedrick Makiadi, der es wegen einer Flughafensperrung nicht rechtzeitig aus dem Kongo zurück geschafft hatte.

Nach Anpfiff spielte Leverkusen weiter, wie es aufgehört hatte. Der Tabellenführer trickste die Bremer aus, presste früh und kombinierte zielstrebig nach vorne. Nach zehn Minuten schleuderte der 18-jährige Tin Jedvaj einen Einwurf in den Strafraum, der fast so gefährlich war wie ein Ronaldo-Freistoß. Hakan Calhanoglu legte zurück auf Gonzalo Castro. Der Mittelfeldspieler schaute, zielte und schoss, doch der Ball knallte an den linken Pfosten. Es wäre Leverkusens 2000. Tor in der Bundesliga gewesen.

Den historischen Treffer sicherte sich nur acht Minuten später der junge Jedvaj. Stefan Kießling sah, wie sich der Verteidiger unbemerkt vom Gegner nach vorne geschlichen hatte, und schlug auf Strafraumhöhe eine weite Flanke. Jedvaj nahm den Ball lässig mit dem rechten Fuß an und zog sofort ab - unerreichbar unter die Latte.

Doch die Beute reichte Leverkusen nicht, das Team wollte mehr. Werder wirkte wie eine Dorfpolizei, die versucht, einem internationalen Verbrecherring auf die Schliche zu kommen: hilf- und ratlos. Ein Abpraller von Torwart Raphael Wolf landete direkt vor den Füßen von Stefan Kießling, doch der Stürmer vergab die Chance (21.). Mario Gomez wäre lauthals ausgepfiffen worden. Nach einem Eckball stocherte Emir Spahic den Ball an die Latte (28.), acht Minuten später tänzelte sich Öztunali an drei Gegnern vorbei - doch auch diesmal war das Torgehäuse ein paar Millimeter zu tief. Drittes Mal Aluminium.

Werder kämpft sich zurück

Sekunden vor der Pause glückte den Dorfpolizisten aus Bremen dann völlig unerwartet ein riesiger Fahndungserfolg. Leverkusens Defensive stand hoch, nach nur zwei schnellen Pässen war sie überlistet. Spahic segelte am Ball vorbei, Bönisch erwischte ihn ebenso wenig. Werders Fin Bartels stand dagegen genau an der richtigen Stelle des Platzes. Der 27-Jährige zielte unhaltbar für Bernd Leno ins rechte Toreck.

Leverkusen war perplex. Der verletzte Kapitän Rolfes analysierte zur Halbzeitpause im Fernsehsender Sky: "Das Ergebnis passt überhaupt nicht zum Spielverlauf." Trainer Schmidt befand nach der Partie: "Es muss 5:0 stehen, ohne zu übertreiben. Das 1:1 zur Halbzeit ist ein Witz." Werder-Geschäftsführer Thomas Eichin gab zu: "Wir hatten großes Glück, dass Leverkusen die Führung nicht ausgebaut hat."

In der zweiten Halbzeit blieb Werder genauso konsequent wie in der ersten: zweite Chance, zweites Tor. Das Team von Robin Dutt konterte in der 60. Minute über links. Zlatko Junuzovic gab überlegt zu Franco Di Santo auf die andere Seite des Feldes. Der Argentinier stand alleine vor Leno und bugsierte den Ball durch die Beine des Keepers ins Tor.

162 Sekunden später besann sich Leverkusen allerdings, dass eine Fußballmannschaft Chancen nicht nur herausspielen, sondern auch verwandeln kann. Calhanoglu trat an zum Freistoß, Torwart Wolf positionierte sich in der rechten Torhälfte, der ehemalige HSV-Spieler zwirbelte den Ball daraufhin ins linke Toreck.

Die Partie wurde nun immer intensiver und umkämpfter. Werder steigerte sich enorm und erarbeitete sich Möglichkeiten. In der 73. Minute traf allerdings erneut der Tabellenführer. Der starke Jedvaj passte zu dem kurz zuvor eingewechselten Son. Der Südkoreaner zeigte Trainer Schmidt, dass es vielleicht keine so gute Idee war, ihn nicht von Beginn an spielen zu lassen, und schoss humorlos rechts unten ins Eck.

Leverkusen drückte, doch Werder gab nicht auf - und nutzte erneut eine Unkonzentriertheit in der Abwehr des Gegners. Nils Petersen verlängerte im Strafraum eine Flanke zu Sebastian Prödl. Die Leverkusener Defensive schlief und ließ Prödl aus kurzer Distanz ausgleichen (85.).

Es entwickelte sich ein wildes Hin und Her, es war die aufregendste und temporeichste Partie der bisherigen Bundesliga-Saison. Leverkusens Trainer Schmidt sagte: "Fußball ist nicht immer gerecht, wir haben zu viele Chancen ausgelassen. Wir haben uns nicht belohnt für das, was wir gezeigt haben."

Auch wenn der FC Bayern nun am Samstag in der Tabelle an Bayer Leverkusen vorbeiziehen kann, er wird sich das Spiel aufmerksam angesehen haben.

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