AfD in Brandenburg:Gewinnerpartei für Verlierer

Landtagswahl Brandenburg

Stößchen - Alexander Gauland, der Spitzenkandidat der AfD kann sich freuen. Er hat in Brandenburg das bisher beste Ergebnis der Partei eingefahren.

(Foto: dpa)

In Brandenburg erreicht die Alternative für Deutschland ihr bisher bestes Ergebnis. Besonders der Linken hat sie Wähler abgeluchst. Gelungen ist ihr das mit einfachen Antworten auf existenzielle Ängste und ein bisschen DDR-Lob.

Von Anna Günther, Potsdam

Steffen Königer war 1995 Mister Brandenburg, trägt Zopf und ist Windsurfer aus Leidenschaft. Der Brandenburger könnte sich vorstellen, als Hausmann die Kinder großzuziehen. Theoretisch. Steffen Königer steht auf Platz acht der Landesliste. Seine Partei ist die Alternative für Deutschland (AfD). Der 41-Jährige bezeichnet sich als "konservativen Knochen".

Grüne und SPD sind ihm zu links, die FDP ist ihm zu sozialliberal. Die alte CDU wollte ihn 2002 nicht. Angela Merkels CDU ist dem selbständigen Fliesenleger zu lasch. Die Politik der Brandenburger SPD-Regierung bezeichnet er als "Scheitern", er will die "Fehlentwicklungen" in Familien-, Sozial- und Bildungspolitik ändern. Abtreibung lehnt er ab. Die Frage nach dem Wert eines Lebens dürfe man ja wohl noch stellen.

Angst vor einem existenziellen Gefühl: Angst

Steffen Königer ist einer von vielen, die an diesem Abend in die Landesparlamente von Erfurt und Potsdam gewählt wurden. Seltsame Ideen haben sie alle, Erfahrung haben sie nicht. Die Leute wählen sie trotzdem. Königer gibt in den Minuten vor der ersten Prognose im früheren Kutschstall in Potsdam den Moderator, Brandenburgs Spitzenkandidat Alexander Gauland starrt unbeirrt auf die Leinwand. Dann steigen die Balken: Die AfD kommt in Thüringen auf zehn, in Brandenburg sogar auf zwölf Prozent. Gauland reißt die Arme hoch, strahlt, die Wangen fast so rot wie sein Pullunder. Die Menge johlt. Den Tag kürt Gauland zum "glücklichsten seines Lebens".

Was brachte den plötzlichen Erfolg? Dass die AfD den Christdemokraten und der bröckelnden FDP viele Stimmen abnahm, wundert wenig. Erstaunlicher erscheint, dass sogar die Linke Stimmen an die AfD verloren hat. Tatsächlich haben die Linken schon immer viele Menschen angesprochen, die biederkonservativ sind, aber in ihrer ostdeutschen Biografie fest verwurzelt waren. Bei der Europa- und der Bundestagswahl waren die Linke und die AfD gegen den Euro, auch wenn sich die Begründungen unterschieden.

Die Erklärung sieht der Parteienforscher Oskar Niedermayer von der Freien Universität Berlin aber auch in der Wandlung von der Anti-Europa-Partei hin zu einer, die viele Themen bedient. Und die Antworten liefert. Vor allem auf ein existenzielles Gefühl: Angst.

Die AfD komme bei den Menschen besonders an, die sich mit ihren Sorgen von den anderen Parteien alleingelassen fühlen, sagt Niedermayer. Die sich als Verlierer der globalisierten Welt empfinden und sich - links wie rechts - zurücksehnen in die gute alte Zeit. Entsprechend zieht der konservative Ansatz der Partei bei Themen wie Asyl, Migration, Familie und innerer Sicherheit. "Da versteht man doch, wenn Leute sagen: Wir wollen mit der alten DDR nichts zu tun haben, aber die innere Sicherheit war damals besser in der DDR, als das in Westdeutschland der Fall war", sagte Bernd Lucke, der Parteivorsitzende, am 6. September in Frankfurt/Oder. Der Stadtverband stellte das Video ins Internet.

Gauland blickt schon auf die nächste Wahl

Am Wahlsonntag griff die Bild am Sonntag Luckes Auftritt auf, eilig schickte Brandenburgs Spitzenkandidat Alexander Gauland die Relativierung hinterher. Ostalgie, klar, aber DDR-Lob geht wohl zu weit. Lucke habe nur zitiert, was ihm die Menschen erzählen, "das ist ganz bestimmt nicht seine Meinung", schreibt Gauland. Die "Altparteien" würden durch wenig Polizeipräsenz die Sicherheit der Brandenburger gefährden, da könne man Leute, die so denken, schon verstehen. Davon war am Abend in Potsdam dann keine Rede mehr. Lucke pries die Brandenburger und genoss den Applaus.

Gauland blickt schon auf die nächsten Wahlen, auf die Wahlen 2015 in Hamburg und Bremen: "Wir sind in der deutschen Politik angekommen, uns kann keiner mehr verdrängen." Das sieht der Politologe Niedermayer anders. Etabliert sei die Partei mit dem Einzug in die Landesparlamente noch lange nicht. Erst müssen die Personalquerelen enden. Wenn sich das Bild der Chaostruppe festige, drohe das Schicksal der Piraten.

Alexander Gauland ist das bewusst. "Wir haben jetzt große Verantwortung, es wird viel von uns erwartet, und wir müssen viel lernen", sagte er in Potsdam. Noch entscheidender für den langfristigen Erfolg ist für den Wahlforscher Niedermayer aber die Abgrenzung vom rechten Rand: "Bürgerliche Wähler schrecken schnell zurück, wenn eine Partei ein Gschmäckle hat."

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