Mögliche Flüchtlingskatastrophe:Schwierige Spurensuche im Mittelmeer

Im Mittelmeer könnten Hunderte Flüchtlinge ertrunken sein. Die Internationale Organisation für Migration zitiert Palästinenser, die schwere Vorwürfe erheben: Schleuser hätten ihr Schiff versenkt. Die italienische Küstenwache will jedoch keine Hinweise auf die Katastrophe gefunden haben.

  • Ein Flüchtlingsboot mit 500 Insassen ist vermutlich von Schleppern versenkt worden, berichtet die Internationale Organisation für Migration (IOM). Sollte sich die Geschichte bestätigen, wäre sie die größte Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer der vergangenen Jahre.
  • Eine Sprecherin der italienischen Behörden sagte, es gebe bisher keine gesicherten Informationen über gesunkene Schiffe und keinen Kontakt zu Überlebenden. Ein Absuchen der möglichen Unglücksstelle habe bisher keine Hinweise auf Bootsüberreste oder Leichen gegeben.
  • Die Internationale Organisation für Migration zitiert jedoch zwei Palästinenser, die schwere Vorwürfe erheben: Schleuser hätten ihr Schiff versenkt.
  • Zuvor hatten die libyschen Behörden von einem weiteren Flüchtlingsdrama im Mittelmeer berichtet. Dort ertranken mehr als 160 Menschen.

IOM: Bis zu 500 tote Flüchtlinge befürchtet

Bei einem Schiffsuntergang im Mittelmeer könnten nach Angaben von Katastrophenhelfern bis zu 500 Flüchtlinge ums Leben gekommen sein. Wie die Internationale Organisation für Migration (IOM) mitteilte, berichteten zwei Palästinenser, ihr Boot sei vor Malta untergegangen. Die Männer waren bereits am Donnerstag von einem italienischen Frachter gerettet und nach Sizilien gebracht worden. Zuvor seien sie mindestens 36 Stunden schiffbrüchig gewesen. Ihren Angaben zufolge soll die Schlepperbande, die das Schiff betrieb, dieses absichtlich versenkt haben.

Auf dem Schiff, das von Damiette in Ägypten aus losgefahren war, befanden sich den beiden Palästinensern zufolge vor allem Flüchtlinge aus Syrien, Ägypten und dem Sudan - unter ihnen viele Familien und unbegleitete Kinder. Am vergangenen Mittwoch hätten die Schlepper die Passagiere aufgefordert, auf ein kleineres Boot zu wechseln, was vielen von ihnen zu gefährlich gewesen sei. Es sei zum Streit gekommen und die Schlepper hätten das Schiff am Heck gerammt, sodass es untergegangen sei. Die meisten Flüchtlinge seien ertrunken. Nur einige wenige Menschen wie die beiden Augenzeugen hätten sich retten können.

Italienische Behörden ermitteln

Sollte sich die Geschichte bestätigen, wäre sie die größte Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer der vergangenen Jahre. Zudem wäre sie "ein Akt des Massenmords", heißt es in dem IOM-Bericht. Erkenntnisse könnten womöglich neun weitere Überlebende liefern, die laut IOM von anderen Schiffen gerettet wurden. "Es scheint, dass alle anderen umgekommen sind", sagte der IOM-Sprecher Flavio Di Giacomo. Die italienischen Behörden leiteten Ermittlungen ein.

Bei einem ähnlich tragischen Fall waren im Oktober 2013 mehr als 300 Flüchtlinge vor der italienischen Insel Lampedusa ertrunken.

Spurensuche der italienischen Küstenwache bleibt ergebnislos

Eine Sprecherin der italienischen Küstenwache sagte, es gebe bisher keine gesicherten Informationen über gesunkene Schiffe und keinen Kontakt zu Überlebenden. Ein Absuchen der möglichen Unglücksstelle habe keine Hinweise auf Bootsüberreste oder Leichen gegeben.

Maltas Militär gab jedoch bekannt, sieben Überlebende nach Kreta ausgeflogen zu haben, wo sie in einem Krankenhaus behandelt werden.

160 Flüchtlinge sterben bei Bootsunglück vor Libyen

Im Mittelmeer ertrinken immer wieder Flüchtlinge, die mit wenig seetüchtigen Booten die gefährliche Überfahrt in Richtung Europa versuchen. Erst am Montagvormittag hatten die libyschen Behörden von einem weiteren Flüchtlingsdrama berichtet. Nach Angaben der Marine sank ein mit etwa 200 afrikanischen Flüchtlingen besetztes Boot am Sonntagabend vor der libyschen Küste. Nur 36 Insassen konnten gerettet werden.

"Eine große Zahl von Leichen trieb im Wasser", sagte der Marinesprecher. "Uns fehlten die Mittel, um die Toten herauszuholen, vor allem, weil es Nacht wurde - wichtiger war, die Überlebenden zu retten." Das Unglück ereignete sich unweit der Hafenstadt Tadschura (Tagiura) etwa 20 Kilometer östlich der libyschen Hauptstadt Tripolis.

Mehr als 700 Flüchtlinge seien allein in den vergangenen Tagen im Mittelmeer vermutlich ertrunken, berichtete die Nachrichtenagentur Reuters.

Nach Angaben der IOM sind seit Anfang diesen Jahres bisher etwa 108 000 Flüchtlinge auf dem Seeweg nach Italien gekommen. Im Vorjahr seien es im gleichen Zeitraum 43 000 gewesen. Schlepper nutzen verstärkt die Wirren der Milizenkämpfe in Libyen, um Migranten aus Nordafrika nach Italien zu bringen. Die Entfernung zwischen Lampedusa und der libyschen Küste beträgt knapp 300 Kilometer.

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