Assoziierungsabkommen zwischen EU und Ukraine:Was von der "Sternstunde der Demokratie" übrig bleibt

Mit fast einem Jahr Verspätung ist es nun in Kraft, das Assoziierungsabkommen zwischen EU und Ukraine. Den Traum vom Maidan wolle man erfüllen, verspricht der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz. Doch das wird schwerlich gelingen.

Von Antonie Rietzschel

Martin Schulz verbreitet Aufbruchsstimmung. Er steht am Rednerpult und spricht von einer "Sternstunde der Demokratie". Davon, dass die EU dem ukrainischen Volk dem Traum vom Maidan erfüllt. Die Abgeordneten des EU-Parlaments lassen sich von den Worten ihres Präsidenten allerdings kaum mitreißen. Kein Jubel brandet auf, nachdem sie mehrheitlich für das Assoziierungsabkommen mit der Ukraine gestimmt haben - zeitgleich mit dem Parlament in Kiew, das live zugeschaltet ist. Eigentlich hätte das Abkommen bereits Ende November 2013 in Kraft treten sollen. Doch dann kam der Umbruch in der Ukraine und der Konflikt mit Russland. Nun hat die EU dem Druck Moskaus nachgegeben und von den ursprünglichen Versprechungen ist nicht mehr viel übrig. Ein Überblick.

Warum ist das Abkommen wichtig für die Ukraine?

Es geht um ein Heranrücken an Europa und wirtschaftliche Vorteile. Die Ukrainer, besonders im Westen des Landes, hatten große Hoffnungen in das Assoziierungsabkommen gesetzt. Tausende gingen im vergangenen Jahr auf die Straße, nachdem der damalige Präsident Viktor Janukowitsch seine Unterschrift verweigerte. Es folgte der Umsturz in Kiew, Proteste im Südosten, die Annexion der Krim und schließlich ein Krieg gegen prorussische Separatisten, bei dem mittlerweile 2600 Menschen ums Leben gekommen sind.

Worauf haben sich die Ukraine und die EU geeinigt?

Das Assoziierungsabkommen besteht aus einem politischen und einem wirtschaftlichen Teil. Ersterer definiert die gemeinsame politische Agenda. So soll die Ukraine demokratische Grundsätze fördern sowie die Menschenrechte stärken. Gleichzeitig geht es darum, in Fragen der internationalen Sicherheitspolitik und beim Thema Korruption zusammenzuarbeiten.

Wichtiger ist jedoch das geplante Freihandelsabkommen. Ursprünglich sah es vor, dass fast alle Zölle beseitigt würden. Ukrainische Exporteure hätten dadurch 500 Millionen Euro einsparen können. Auch die Handelsschranken sollten komplett abgebaut sowie technische Normen und Bestimmungen zur Lebensmittelsicherheit angeglichen werden. (Das Abkommen im Überblick). Das sollte nicht nur den Handel erleichtern, sondern auch die ukrainische Wirtschaft dazu bringen, sich zu modernisieren. Doch auf Druck Russlands hat die EU die Umsetzung des Freihandelsabkommens verschoben. Es soll nun erst am 31. Dezember 2015 in Kraft treten.

Warum wird das Freihandelsabkommen verschoben?

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte bereits im vergangenen Jahr angemerkt, dass das Freihandelsabkommen mit der Ukraine problematisch sein könnte, weil sich die Ukraine gezwungenermaßen zwischen einer Zollunion mit der EU oder mit Russland entscheiden muss. In den vergangenen Monaten gab es Verhandlungen zwischen der EU, der Ukraine und Russland, um eine Lösung für das Dilemma zu finden.

Die Führung in Moskau wurde schließlich aufgefordert, eine Liste anzufertigen, die alle problematischen Punkte aufführt. Diese traf am 1. September in Brüssel ein. Der Katalog umfasst 2370 Punkte, die Insidern zufolge nicht viel übrig lassen würden vom ursprünglichen Abkommen (mehr dazu hier): Ukrainische Unternehmen würden demnach - wie auch jetzt schon - von Zollbefreiungen beim Export in die EU profitieren, die Europäische Union umgekehrt aber nicht. Die Zeit bis 2016 soll nun für weitere Verhandlungen genutzt werden.

Worum geht es Russland?

Neben der gesamten EU ist Russland der wichtigste Exportmarkt für die Ukraine. Durch ein Freihandelsabkommen zwischen den beiden Ländern konnten ukrainische Waren bisher zollfrei eingeführt werden. Die Regierung in Moskau fürchtet, dass künftig Waren aus der EU, für die Russland Zölle erhebt, über die Ukraine zollfrei ins Land kommen. Deswegen hat Russland der ukrainischen Regierung in der Vergangenheit immer wieder von der Ratifizierung des Assoziierungsabkommens abgeraten. Je näher der 16. September rückte, desto klarer wurden die Drohungen aus Moskau: Sollte das Assoziierungsabkommen in Kraft treten, werde man künftig Zölle auf Importe aus der Ukraine erheben.

Was bedeutet die Verschiebung für die Menschen in der Ukraine?

Kurzfristig hofft die EU, dass sich durch das Entgegenkommen gegenüber Russland die Lage im Osten der Ukraine entspannt. Was die Verschiebung langfristig für die Ukraine bedeutet, lässt sich derzeit schwer sagen. Die Ukraine ist finanziell schwer angeschlagen, das Freihandelsabkommen hätte möglicherweise positive wirtschaftliche Auswirkungen gehabt. (Kommentar zur Strategie der EU).

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