HSV nach Slomka-Entlassung:Umbau im Sturmflut-Tempo

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Neuer Nachwuchsbereich, neuer Sportchef, neue Spieler: Nach der Entlassung von Mirko Slomka kann die Führung des Hamburger SV auch ihren Wunschtrainer installieren. Doch die Frage lautet: Hat Thomas Tuchel Lust auf diesen HSV?

Von Thomas Hummel

Mirko Slomka passte einfach nicht zu diesem HSV. Als er im Februar angeheuert hatte, da war er noch guter Hoffnung, dass er den Klub unter Kontrolle bringen kann. Als erster Trainer seit Ernst Happel. Es war ein großes Ziel, eine große Herausforderung, Hamburg dorthin zu führen, wo sich Hamburg gerne sieht: auf einer Höhe mit München. Das sind Reiz und Versprechen, die der örtliche Sportverein ausstrahlt. Doch inzwischen haben andere diesen Auftrag übernommen. Und Mirko Slomka gehörte nicht mehr dazu. Das war im Grunde schon lange klar.

Dietmar Beiersdorfer ist inzwischen der Entscheider. Zusammen mit dem neuen Präsidium baut der Vorstandsvorsitzende der HSV Fußball AG in Sturmflut-Eile den Klub um. Organisiert den Nachwuchsbereich neu und holt dafür den anerkannten Experten Bernhard Peters aus Hoffenheim. Entlässt den Sportchef Oliver Kreuzer und will dafür Peter Knäbel installieren, derzeit noch Technischer Direktor der Schweizer. Verpflichtet für 26 Millionen Euro neue Spieler.

Nach dem glücklichsten Nichtabstieg der Bundesliga-Historie war eigentlich nur Trainer Mirko Slomka als zentraler Mosaikstein übrig geblieben. Ein Mann, der in Schalke und Hannover seine Tauglichkeit nachgewiesen hatte, der aber in Hamburg nie zurechtkam. Der 47-Jährige hat sich nach übereinstimmenden Meldungen aus dem Umfeld des Klubs mit praktisch allen Führungsspielern der Mannschaft überworfen. Einerseits war der Haufen der Vorsaison wohl untrainierbar, andererseits verschärfte sich der Abwärtssog mit Slomka noch. Die Atmosphäre schien vergiftet.

Elf Spieler holte der Klub im Sommer. Diese durfte sich aber nicht, wie in den vergangenen Jahren in Hamburg üblich, der Trainer exklusiv aussuchen. Die Transfers zog federführend Beiersdorfer durch. Da steckt viel Personal mit Perspektive drin. Beim Spiel in Hannover stellte Slomka sieben Zugänge auf, was allerdings wie eine Art Über-Gehorsam wirkte, denn vielen wie Lewis Holtby, Nicolai Müller oder Julian Green fehlt aus verschiedenen Gründen die Spielpraxis. Die Mannschaft wirkte wie ein verlorenes Grüppchen, das sich zum ersten Mal begegnete und zufällig das gleiche Trikot trug. Das 0:2 war folgerichtig.

Nach dem dritten Spieltag haben die neuen Macher nun ihren Trainer entlassen. Ein Punkt, null Tore - mal wieder ein Negativrekord für den stolzen Klub. Und weil Slomka ohnehin nicht zur Vision des neuen HSV gehörte, war es ein leichtes, ihn loszuwerden.

Dennoch benötigten die Chefs viele Stunden, um zu ihrer Entscheidung zu kommen. Am Montag begannen die Besprechungen um 9.30 Uhr, offiziell bestätigt wurde die Trennung gegen 22.30 Uhr. An der Höhe der Abfindung soll es wohl nicht liegen, dass ihnen der Vorgang so schwerfiel. Angeblich hat sich der HSV zur Abwechslung mal gegen ein mögliches Scheitern des Trainers abgesichert und die Auslösung bescheiden taxiert. Mehr Schwierigkeiten dürfte die schnelle Anstellung eines Nachfolgers verursachen.

Verbürgt ist auch nach Informationen der Süddeutschen Zeitung, dass Thomas Tuchel der Wunschkandidat des Klubs ist. Allerdings ist Thomas Tuchel derzeit Wunschkandidat bei allen Fußballklubs der Erde und wohl auch beim FC Mond und dem Jupiter SV. Da stellen sich einige Fragen: Will Thomas Tuchel überhaupt zum HSV? Erliegt er dem Werben der neuen Führungscrew und wie Slomka sowie die vielen Vorgänger dem Reiz, einen am Boden liegenden Riesen des Fußballs als Erster seit Ernst Happel unter Kontrolle bringen zu können? Will Tuchel sein selbst auferlegtes Sabbat-Jahr wirklich schon nach dem dritten Spieltag abbrechen? Noch dazu, wenn am vierten Spieltag der FC Bayern kommt, am fünften das Gastspiel in Gladbach wartet und am siebten der Gegner Borussia Dortmund heißt. Laut NDR soll Tuchel bereits abgesagt haben. Es sieht also danach aus, als würde der HSV eine Übergangslösung brauchen. Doch wie soll diese aussehen?

Kandidaten hierfür wären Josef Zinnbauer, der derzeit als Trainer der Regionalliga-U23 des Klubs Erfolge feiert. Beiersdorfer traf sich mit Zinnbauer am Dienstag zu einem längeren Gespräch. Möglich wäre auch Thomas von Heesen, als Aufsichtsratsmitglied Teil des neuen HSV und vor Jahren bereits als Bundesliga-Trainer aktiv.

Am Geld sollte es nicht scheitern, auch wenn Tuchel aufgrund seines nur ruhenden Vertrags beim FSV Mainz 05 eine ordentliche Ablöse kosten würde. Mit Klaus-Michael Kühne steht weiterhin ein Rentner mit Milliarden-Vermögen und Lust auf Einfluss zur Verfügung. Die Krisengespräche am Montag fanden in der Hamburger Hafencity statt, im Bürohaus des Unternehmens Kühne+Nagel. Die Entscheidungen wurden also mit seiner Zustimmung getroffen, weshalb anzunehmen ist, dass er für die große Tuchel-Lösung die nötigen Millionen überweisen würde.

Und wenn Thomas Tuchel absagt? Vielleicht, weil er schon einem anderen Klub versprochen ist oder woanders mehr Erfolgschancen sieht? Dann darf die Stadt gespannt sein, wen Beiersdorfer und Kollegen als letzten Baustein des neuen HSV bestimmen. An diesem Dienstag ist erst einmal trainingsfrei.

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