Gewalt in Syrien:UN-Ermittler macht Sicherheitsrat schwere Vorwürfe

"Ich finde keine Worte, um die Schwere der Verbrechen zu beschreiben": UN-Ermittler Pinheiro ist bestürzt über die Lage in Syrien und beschuldigt den UN-Sicherheitsrat, die Situation zu verschlimmern. Doch nicht nur die Terrormiliz IS verübt Gräueltaten an Zivilisten.

  • Der UN-Menschenrechtsermittler Pinheiro wirft dem UN-Sicherheitsrat vor, durch Untätigkeit zu einer Zunahme der Gewalt in Syrien beigetragen zu haben.
  • In einem neuen Bericht zur Lage in Syrien werden die massiven Gräueltaten der islamistischen Terrormiliz IS in den von ihr eroberten Gebieten geschildert.
  • Immer noch ist allerdings die Regierung von Baschar al-Assad für die Mehrheit der Verbrechen an Zivilisten verantwortlich, so der Bericht.

UN-Menschenrechtler wirft UN-Sicherheitsrat Untätigkeit vor

Der UN-Sicherheitsrat hat durch Untätigkeit im Syrien-Konflikt zum Erstarken der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) beigetragen. Das sagte der UN-Ermittler Paulo Sérgio Pinheiro bei der Vorstellung des achten Syrien-Reports des UN-Menschenrechtsrats in Genf. "Diese Untätigkeit hat es den (syrischen) Kriegsparteien erlaubt, straflos vorzugehen und die Syrien zerstörende Gewalt noch angefacht. Davon profitiert vor allem ISIS", sagte der Vorsitzende der Syrien-Untersuchungskommission des Menschenrechtsrates. IS nannte sich bis Ende Juni noch ISIS.

Der Sicherheitsrat ist im Syrienkonflikt blockiert, weil Russland und China Maßnahmen gegen Machthaber Baschar al-Assad ablehnen. Die Verbrechen des IS und syrischer Regierungstruppen hätten Syrien in den "Wahnsinn" gestürzt, sagte der Brasilianer. Er zeigte sich bestürzt über die Lage in dem Land: "Ich finde keine Worte mehr, um die Schwere der Verbrechen zu beschreiben, die in Syrien verübt werden."

Wenn man wissen wolle, welche Auswirkung der Krieg habe, müsse man mit seinen Opfern sprechen. Zusätzlich zum Syrien-Report legte Pinheiro der New York Times zufolge einen 17-seitigen Bericht mit Aussagen zahlreicher befragter Syrer vor. Er zeige, dass "nur wenige Syrer von den Auswirkungen des Kriegs verschont bleiben".

Massive Gräueltaten des IS

Pinheiro schilderte einige der Verbrechen der Terrormiliz IS in den von ihr eroberten Gebieten, wie die New York Times weiter ausführt:

  • Die Dschihadisten hätten nicht nur die zwei amerikanischen Journalisten James Foley und Steven J. Sotloff sowie den britischen Entwicklungshelfer David Haines hingerichtet, sondern töteten zahlreiche Syrer auf gleiche Weise auf öffentlichen Plätzen im Norden und Osten des Landes.
  • Die IS setze Kinder systematisch Gewalt aus. Diese würden "ermutigt, an Hinrichtungen teilzunehmen" und seien angeblich mit auf öffentlichen Plätzen Gekreuzigten konfrontiert.
  • Frauen würden vom öffentlichen Leben ausgeschlossen. Frauen, denen Ehebruch vorgeworfen wird oder die ohne männliche Begleitung in der Öffentlichkeit angetroffen werden, würden zu Tode gesteinigt.

Mehrheit der Verbrechen von Regierungstruppen verübt

Menschenrechtsermittler Pinheiro betonte jedoch, dass die syrische Regierung - trotz der extremen Gewalt durch den IS - immer noch für die Mehrzahl der an Zivilisten verübten Verbrechen in Syrien verantwortlich sei. Er wolle keine neuen Opferzahlen nennen, sagte der UN-Mitarbeiter: "Ich glaube nicht mehr daran, dass es sie zum Handeln treibt, wenn ich die Tausenden Toten und Verschwundenen aufzähle."

  • Jeden Tag sterben demnach unzählige Menschen durch Tötung "auf Distanz", also durch Granatenbeschuss und Bombardierungen.
  • Freigelassene Häftlinge berichteten von Folter, dem Tod von Mitgefangenen durch Folter und menschenrechtsverletzende Haftbedingungen, Frauen von Vergewaltigungen und anderen Formen sexuellen Missbrauchs.
  • Frauen und Männer verschwänden in Regierungsgefängnissen, würden gefoltert, vergewaltigt und getötet.

Pinheiro mahnt politische Lösung an

Im Hinblick darauf, dass zahlreiche westliche und arabische Staaten derzeit ein gemeinsames militärisches Vorgehen gegen den IS in Syrien und im Irak planen, betonte Pinheiro, dass es für die dramatische Lage in Syrien keine Lösung auf dem Schlachtfeld geben könne, sondern nur eine politische, schreibt die New York Times. Angesichts des Aufstiegs des IS werde es dringend notwendig, einen Kompromiss zwischen der syrischen Regierung und den nicht-islamistischen Oppositionsgruppen zu finden.

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