Pharrell Williams in Berlin:Mädchenversteher im Glück

Konzert von Pharrell Williams

Schon ewig im Geschäft, jetzt solo umso erfolgreicher: Pharrell Williams in der Max-Schmeling-Halle in Berlin

(Foto: dpa)

Happy, happy, freu, freu: Ein schmales Männchen mit lustigen Hüten, zarter Stimme und einem Song wie ein Kinderlied hat den Zenit des Pop-Olymps erreicht. Wie macht Pharrell Williams das?

Von Ruth Schneeberger, Berlin

Der Mann ist mittlerweile 41 Jahre alt. Das ist älter als Jesus je wurde, zumindest ist er definitiv aus dem Teenager-Alter raus. Er ist verheiratet und Familienvater, seit 15 Jahren schwer im Geschäft und inzwischen einer der bekanntesten und erfolgreichsten Musikproduzenten weltweit.

Trotzdem tritt US-Star Pharrell Williams am liebsten in kurzen Hosen auf, gerne auch zur Smoking-Jacke, hat ein Gesicht, glatt wie ein Babypopo, trägt auch zu offiziellen Anlässen kuriose Hüte und gibt zu, Fan von Comics und insbesondere Spongebob zu sein, der mitunter seine Füße schmückt. Angeblich sind die Füßlinge eine Sonderanfertigung aus Cashmere.

In Interviews erzählt das Pop-Genie, dass er so lange wie möglich Kind bleiben wolle - und vielleicht ist das tatsächlich ein Teil seines Geheimnisses: Der Typ wirkt wie ein ewiger Junge, voller Elan und Schaffenskraft. Er tut niemandem weh, aber er macht ziemlich viele Menschen glücklich, spätestens seit seinem Solo-Durchbruch mit "Happy" - jenem Lied und Mitmach-Video, das sich weltweit so rasant verbreitete wie vielleicht keines zuvor.

In Berlin erscheint er am Dienstagabend zwar nicht in kurzen Hosen, aber natürlich mit Hut (weinrot, mit goldener Krempe). Den ersten Song kennen noch nicht alle in der Max-Schmeling-Halle, aber nach dem zweiten und spätestens nach seinem anderthalbstündigen Auftritt kurz vor Mitternacht sind viele Besucher doch arg verblüfft, was alles aus der Feder dieses jungenhaften Superstars stammt - und wie vielfältig sein Werk ist: Für und mit unter anderem Snoop Dogg, Beyoncé, Justin Timberlake, Jay Z, Britney Spears, Nelly, Kelis, Madonna und natürlich für Daft Punk hat er Songs geschrieben und/oder produziert, die allesamt zu Hits wurden. Ein paar davon gibt er selbst zum Besten, andere lässt er einspielen, während wirbelwindartig junge Damen über die Bühne fegen.

Der Mann der Stunde verneigt sich vor den Frauen

Seine agilen Tänzerinnen stellt der Mann der Stunde alle mit Namen vor (na ja, zumindest Vornamen) und verbeugt sich danach tief vor jeder einzelnen - und so ist auch sein aktuelles Album zu verstehen, mit dem er nun auf Tour ist, nämlich auf "Dear Girl"-Tour.

Einiges wurde schon darüber geschrieben, dass Pharrell Williams sich mit seinem neuen Album (es ist erst sein zweites eigenes, die meisten Lieder schrieb er ja für andere) ausdrücklich vor den Frauen verneigt. Anstatt, wie früher, mit halbnackten Hupfdohlen zu posieren, die nur schön aussehen sollen, verkauft er seine Tänzerinnen auf der Bühne als Künstlerinnen mit eigenem Wert. Er bezeichnet sich selbst als Feministen. Und anstatt, wie der typische 08/15-Rapper noch vor wenigen Jahren meist auch inhaltlich in seinen Liedern danach gierte, dass ihn möglichst viele Frauen nach seinen Wünschen zu befriedigen hätten, dreht Williams den Spieß um und singt in "Girl" im Falsett darüber, wie er die Frau glücklich machen will.

Das hört die Frauenwelt gern, weshalb das Publikum an diesem Abend auch vorwiegend aus jungen Mädchen besteht. Die meisten in Disco-Outfits, wohlig tanzend und erstaunlich wenig kreischend, auffällig viele haben auch ihre Freunde mitgebracht, an die sie sich beim Tanzen kuscheln. Wohlfühl-Musik vom Mädchenversteher. Sarah Connor mischt sich kurz vor seinem Auftritt auf sehr hohen Hacken unters Publikum.

Doch bei aller möglichen Kalkulation: Die Show ist gut. Zwar tragen alle auf der Bühne sehr deutlich das Logo der deutschen Sportmarke, für die Williams jetzt auch noch Designer ist, er selbst trägt es am Hintern. Kann man offenbar machen. Doch selbst wenn er nicht ganz zum Schluss seinen größten Hit gespielt hätte, wie es sich gehört, und worauf natürlich alle an diesem Abend hin gefiebert haben:

Mit den Titeln "Hot in Herre", "Beautiful", Drop It Like It's Hot", "Hollaback Girl", oder "Blurred Lines" und "Marilyn Monroe" und vor allem den großartigen Songs "Loose Yourself To Dance", "Get Lucky" und "She Wants To Move" lieferte Williams mehr als genug Stoff für einen Abend voller Überraschung (immer wieder aus dem Publikum: "Ach, das ist auch von ihm?"), Vielfalt (von Hip-Hop über Rap bis zu Pop, Funk und House), Tanz (die meisten seiner Hits sind Ohrwürmer) und dem Gefühl, dass hier einer auf der Bühne steht, der nicht nur ein absoluter Vollprofi ist, sondern die Musik auch wirklich liebt - und zwar fast jede Art von Musik.

Happy, happy, freu, freu

Ein Nerd eben (wie auch eine seiner Bands heißt, Mit-Sänger Shae Haley hat er mitgebracht), der sich voller Leidenschaft und Hingabe durch die Musikwelt wälzt - und der jetzt, nach 20 Jahren des Musikmachens, auch selbst zum Star geworden ist. Die Leute gönnen ihm das von Herzen - umso mehr, als er so reduziert und bescheiden auftritt.

In Berlin gibt er sich mal hingebungsvoll, mal wild tanzend, stellt seine Playlist ein bisschen um, plaudert ein wenig darüber, wie gerne er Grenzen einreiße und dass die Berliner damit ja auch gute Erfahrungen gemacht hätten. Schließlich bedankt er sich dafür, wie toll es sei, dass ein Lied, das ihm selbst so viel bedeute, weil er es geschrieben habe, um sich beim Universum zu bedanken, selbst wenn er um die halbe Erdkugel reise, auch hier die Menschen berühre. Nachdem er dann endlich "Happy" gespielt hat, macht er selbst ein ganz angerührtes Gesicht.

Der Typ im absichtlich frech zerrissenen T-Shirt, der sich auf der Bühne fast bewegt wie einst Jamiroquai, der ein eher zartes Stimmchen aufweist und auf den ersten Blick eher wenig mit den großen Superstars und ihren Superstar-Posen gemein hat, dieser Typ ist jetzt ganz oben angekommen. Ob es ihm gelingen wird, auf Dauer Anspruch mit Masse zu verknüpfen, wird sich noch zeigen. Immerhin: Er arbeitet hart daran.

Die Tour startete vor einer Woche in der Türkei und führt Pharrell Williams Ende des Monats unter anderem auch nach Frankfurt, Düsseldorf und Stuttgart. Weitere Infos hier.

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