Fashion Week London:First Lady lädt zum Empfang

Britain's opposition Conservative Party leader David Cameron and his wife Samantha arrive at Witney Leisure Centre in Witney in Oxfordshire in southern England

Samantha Cameron, hier neben ihrem Mann David Cameron, ist stets modisch angemessen gekleidet.

(Foto: REUTERS)

Samantha Cameron, die Frau des britischen Premierministers, feiert einen Abend lang mit der internationalen Modeprominenz in der Downing Street Nr. 10. Was in London ein Erfolg ist, wäre in Berlin nur schwer vorstellbar.

Von Dennis Braatz, London

Für ein wahrhaft exklusives Ereignis ist das wohl die richtige Adresse: Die schwarz lackierte Tür der Downing Street Nr. 10 lässt sich nur von innen, nicht aber von außen öffnen. Etwa 150 geladene Gäste aus der Modewelt dürfen sie am Montagabend während der Londoner Sommerschauen 2015 passieren.

Samantha Cameron, die First Lady Großbritanniens und offizielle Botschafterin der Fashion Week, hat zum Empfang geladen. Ein Anlass, für den sich sogar Branchenstars wie Hutmacher Stephen Jones oder Stefano Tonchi, Chefredakteur des W-Magazins, in die Schlange vor das kleine Holzhäuschen am Eingang der Straße reihen, um erst mal den Sicherheitscheck zu durchlaufen.

Eine Dreiviertelstunde dauert es, bis alle im Flur der offiziellen Residenz von Samantha Cameron und ihrem Mann, dem Premierminister David Cameron, angekommen sind. Im Haus riecht es so, als wären die durchgetretenen Perserteppiche auf dem schwarz-weiß gekachelten Fußboden seit Jahren nicht mehr ausgeklopft worden. Und dann heißt es noch mal: Warten, erst mal müssen die Taschen ordnungsgemäß verräumt werden, bevor es über eine knirschende Treppe in den roten und gelben Saal im ersten Stock geht.

Verschärfte Kontrollen

Die Sicherheitsvorkehrungen wurden kurz vor der Veranstaltung noch einmal erhöht: "Aufgrund der aktuellen politischen Ereignisse werden keine Fotos von dem Abend veröffentlicht und am Eingang verstärkt Personenkontrollen durchgeführt." Die Gründe dafür sind bekannt: einerseits das Schottland-Referendum am Donnerstag, das die ganze Aufmerksamkeit des Premierministers erfordert, und zum anderen oder die grauenhafte Ermordung eines britischen Journalisten durch die Terrorgruppe IS. Klar, dass der Premierminister da lieber an anderer Stelle auftritt und ihm nicht nach Drinks und Häppchen ist.

Die Veranstaltung jedoch ausfallen zu lassen, das wäre für alle Beteiligten nicht infrage gekommen. Vor allem nicht für Samantha Cameron selbst, die früher als PR-Managerin bei einer Lifestyle-Firma arbeitete und sehr genau weiß, wie wichtig eine gute Außenwirkung ist. Außerdem hat sie sich immer als Fürsprecherin für die Kreativen im Land positioniert. London und erfolgreiche Mode, das gehöre einfach zusammen, sagt die 43-Jährige in ihrer kurzen Ansprache. "Und das ist ein Grund zu feiern!" Anders gesagt: Der Termin ist ein Lichtblick in einer Zeit der Krise.

Natalie Massenet, Gründerin der Online-Boutique Net-a-Porter und Vorsitzende des British Fashion Council, also der Organisation, die für die Planung rund um die Fashion Week verantwortlich ist, hat auch gleich die Fakten parat: "Mehr als 800 000 Menschen sind in der britischen Modeindustrie beschäftigt. Der Umsatz ist in den letzten 18 Monaten um 20 Prozent auf über 26 Milliarden Pfund im Jahr gestiegen - und die Mode zu einem der größten Wirtschaftszweige des Landes geworden."

Wenig Luxus, viele Freunde

Das Angenehme an diesem Abend ist: Man hat es hier überhaupt nicht nötig, prätentiös zu sein. Die Hausangestellten verteilen wenig luxuriösen Prosecco. "Die Hauptsache ist, dass ich endlich mit meinen Freunden anstoßen kann", sagt Mary Katrantzou, die mit ihrer neuen Kollektion über die Entstehung der Welt für viel Aufsehen gesorgt hat.

Ihre Freunde, das sind hier vor allem die Kollegen und Konkurrenten. Erdem Moralioglu zum Beispiel, dem es an diesem Abend ein bisschen unangenehm zu sein scheint, dass sich die First Lady schon wieder für eines seiner Blumenkleider aus Spitze entschieden hat und der sich nicht traut, sein Glas auf einem der antiken Beistelltische abzusetzen - aus Angst, er könne etwas kaputt machen. Jonathan Anderson, der neben seinem eigenen Label JW Anderson nun auch noch das spanische Traditionshaus Loewe leitet.

Im Minutentakt richtet der 30-jährige Ire seinen Hemdkragen auf und ab, weil er auf ein Gespräch mit Anna Wintour, Chefredakteurin der US-Vogue, wartet, die sich jedoch noch angeregt mit ihrem Chef-Autor Hamish Bowles hinter einer Flügeltür fernab der Menschentraube unterhält. "Ich bin einfach kurz davor immer noch so nervös," sagt Anderson. Und Christopher Bailey, der aus Burberry eine global erfolgreiche Luxusmarke gemacht hat, deshalb natürlich einen großen Beitrag zum Erfolg der London Fashion Week geleistet hat und gerade ganz gemütlich mit Star-Visagistin Pat McGrath am schmalen Aufgang lehnt, der in die privaten Räume der Camerons führt.

Vertreter aus Mode und Politik arbeiten Hand in Hand

Jeder kennt hier jeden, und wer doch nicht jeden kennt, der wird schnell in den Kreis der anderen aufgenommen. Genau das ist es, was auch Bradley Cooper zu gefallen scheint. Der einzige Hollywoodstar an diesem Abend bewegt sich langsam durchs bescheidene Gedränge, nutzt das steril geflieste Badezimmer mit klemmendem Wasserhahn ein Stockwerk tiefer und findet es hier alles sehr "relaxed". Britisches Understatement ist offenbar ansteckend.

Das liegt aber vor allem daran, dass die Zusammenarbeit von Mode und Politik in London so entspannt ist. Beide Seiten arbeiten Hand in Hand, weil sie erkannt haben, dass sie dieselben Interessen haben: Glamour und wirtschaftlichen Erfolg. Die Unterstützung der britischen Regierung besteht deshalb auch nicht nur darin, dass ihre Repräsentantinnen die Entwürfe junger Nachwuchsdesigner tragen oder zu ihren Modenschauen kommen, was den Designern wiederum Aufmerksamkeit in den Medien bringt. Die Fashion Week wird auch finanziell kräftig bezuschusst, Einkäufer und Journalisten aus der ganzen Welt werden in die Stadt geholt, damit sie später Produkte und Botschaften "made in London" in die Welt tragen können.

Was in London ein Erfolg ist, wäre in Berlin schwer vorstellbar

Für die Modewoche in Berlin, die zuletzt immer wieder unter Standortwechseln und der Abwanderung großer Designer ins Ausland litt, wäre dieses Modell zwar wünschenswert. Solch ein Event, zum Beispiel veranstaltet von der Lebenspartnerin unseres Bundespräsidenten, kann man sich auch hier jedoch nur schwer vorstellen. Warum es aber in London so gut funktioniert, das wissen alle: "Wir lieben unsere Mode und sind stolz auf sie", kann man an diesem Abend in unterschiedlichen Varianten hören. Das ist etwas, das in Berlin viele vermissen.

Am Ende trommelt dann noch einmal Nathalie Massenet all ihre Schützlinge zusammen: "Wir danken Samantha", sagt sie. "Gemeinsam haben wir etwas geschafft, das für uns einst unmöglich erschien: die Londoner Fashion Week zwischen anderen Modewochen durchstarten zu lassen. Jetzt schaffen wir noch mehr! Die nächste Saison kommt bestimmt."

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