Bundesliga-Terminplan:Am Freitag kommt Sam

Hertha BSC v 1899 Hoffenheim - Bundesliga

Die Fans aus der Ostkurve im Berliner Olympiastadion müssen am Freitag nach Freiburg reisen, um ihre Hertha zu unterstützen.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Das "SpielAnsetzungsMonster" Sam geht einmal im Monat an die Fans des Vereins, die die größten Reisestrapazen auf sich nehmen müssen. Diesmal trifft es die Anhänger von Hertha BSC mit einem Freitagabendspiel in Freiburg. Die DFL weist die Kritik zurück - nur bei Länderspielen gibt sie zähneknirschend nach.

Von Boris Herrmann, Berlin

Hertha BSC hat in dieser Saison noch kein Spiel gewonnen, es ist nicht verwunderlich, dass die Stimmung dort von einer rührenden Berliner Übellaunigkeit geprägt ist. Klar, man könnte den Herthanern jetzt zurufen: "Nehmt's nicht so schwer! Egal, was die Tabelle sagt, einen Titel habt ihr euch ja trotzdem schon gesichert." Aber wahrscheinlich wäre das keine gute Idee, man sollte mies gelaunte Berliner nie unnötig provozieren. Bei diesem Titel handelt es sich nämlich um einen sogenannten Negativpreis.

Hertha BSC, respektive seine organisierte Fanszene, hat das Sam des Monats September gewonnen. Sam steht für "SpielAnsetzungsMonster", wie die Preisstifter vom Bündnis ProFans mitteilen. Das Sam wird neuerdings einmal im Monat an jenen deutschen Profiklub verliehen, dessen Anhänger auf ihren Auswärtsfahrten die größten Strapazen auf sich nehmen müssen. ProFans verwendet in diesem Zusammenhang den etwas sperrigen Begriff "fanunfreundliche Anstoßzeiten".

Hertha spielt am Freitagabend um 20.30 Uhr beim SC in Freiburg, 812 Kilometer fern der Heimat. Laut handelsüblicher Routenplaner gibt es in beiden Bundesligen zur Zeit kein auswärtseres Auswärtsspiel. Die Hertha-Fans müssen halt zusehen, wie sie in der Nacht zum Samstag aus dem tiefen Schwarzwald zurück nach Berlin kommen. Fest steht: Sie haben sich ihr Sam redlich verdient.

Sie schämen sich auch gar nicht dafür. Sie haben ihren Titel beim jüngsten Heimspiel gegen Mainz (gemeinsam mit ihrer schlechten Laune) sogar öffentlich zur Schau gestellt. Dieser ganz spezielle Negativpreis ist ja im Gegensatz zur "Sauren Gurke" oder zur "Verschlossenen Auster" auch nicht dazu da, um den Empfänger zu demütigen, sondern um auf einen Missstand aufmerksam zu machen. All die monatlichen Samse (im August siegte St. Pauli) gelten letztlich den Spieltagsplanern von der Deutschen Fußball-Liga (DFL).

Nach menschlichem Ermessen kann auch die DFL nichts dafür, dass Berlin kein Vorort von Freiburg ist. Die organisierten Fußballfans stellen aber mit gewissem Recht die Frage, warum solche reiseaufwendigen Partien am Freitagabend, am Sonntagabend oder - im Fall der zweiten Liga - an dem ohnehin verhassten Montagabend gespielt werden müssen? Weil die Fan-Interessen bei der Spieltagsplanung keine ernsthafte Rolle spielen, so lautet die Antwort, die sie gleich mitliefern.

Laut DFL-Geschäftsführer Andreas Rettig ist das ein Märchen, das der Aufklärung bedarf. "Wo es geht, versuchen wir die Interessen unserer Fans zu berücksichtigen", sagt er. Allein: Es geht nicht immer. Gerade am Beispiel des kommenden Spieltages meint er, illustrieren zu können, weshalb der DFL kaum eine andere Wahl bleibt, als die Herthaner am Freitagabend quer durch die Republik zu schicken. Schalke, Bayern, Dortmund, Wolfsburg, Leverkusen und Mönchengladbach nehmen unter der Woche an internationalen Wettbewerben teil, diese Klubs kommen deshalb nicht für den nächsten Freitagstermin der Liga in Frage. Genauso wenig wie das, nun ja, Derby zwischen Stuttgart und Hoffenheim, da hat die Polizei etwas dagegen. Das Heimspiel von Paderborn gegen Hannover steht auch nicht zur Debatte, weil dort die Anwohner des Stadions ein Abendspielverbot wegen Lärmbelästigung durchgesetzt haben. Bleibt neben Freiburg gegen Hertha nur Augsburg gegen Bremen, zwei Städte, die 721 Kilometer trennen. Hätte die DFL dieses Spiel ausgesucht, dann hätten vermutlich die Werder-Fans rebelliert. "Man kann es nie allen recht machen", meint Rettig.

Fan-Bündnisse fordern die "300-Kilometer-Regel"

Die Fan-Bündnisse fordern eine sogenannte "300-Kilometer-Regel" für Freitags- und Sonntagsspiele. Rettig hält das für weltfremd, schon aus Gründen der Geografie. Hertha BSC beispielsweise könnte an diesen Tagen dann nur nach Wolfsburg, Hannover oder Hamburg geschickt werden. Einen funktionierenden Spielplan zu erstellen, ist aber ohnehin schon höchst komplexe Kunstform. Die DFL hat dafür eine eigene Software entwickeln lassen, die möglichst viele individuelle Faktoren und Sonderwünsche berücksichtigt: Feiertage, andere Stadion-Events, Risikospiele, Fernsehverträge, sportliche Erwägungen. So soll zum Beispiel ausgeschlossen werden, dass ein Klub dreimal hintereinander auf ein Top-Team trifft.

Der Ausgangspunkt aller Variablen ist aber der Rahmenkalender der Fifa. Und dass an dem zuletzt wieder nachträglich herumgedoktert wurde, hat Rettig schwer verärgert. "Das ist nicht in Ordnung. Das macht uns das Leben zusätzlich schwer", schimpft er. Der Weltverband hat aus Sicht der DFL relativ überraschend beschlossen, dass die Qualifikationsspiele für den Afrika-Cup jetzt auch mittwochs stattfinden. Bislang galt die Regel, dass die Klubs spätestens am Mittwoch nach einem Länderspielwochenende wieder alle Profis beisammen haben. Kongos Nationalspieler Cedrik Makiadi hat deshalb zuletzt das Freitagsspiel seines SV Werder verpasst.

Mitte Oktober ist die nächste Länderspiel-Runde. Was das Sam bisher nicht geschafft hat, schafft nun der Afrika-Cup: Die DFL hat für jene Woche zähneknirschend das Freitagsspiel gestrichen.

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