Diskussion um US-Bodentruppen gegen IS:Krieg aus der zweiten Reihe

KYRGYZSTAN-US-AFGHANISTAN-CASIA-CONFLICT

Er würde "natürlich eine Empfehlung für Bodentruppen" aussprechen, so Amerikas oberster Soldat, General Martin E. Dempsey, für den Fall eines Scheiterns der eingeschlagenen Strategie. Im Bild: Bodentruppen auf dem Weg nach Afghanistan (Archivbild)

(Foto: AFP)

Die USA setzen keine Bodentruppen gegen IS ein - oder doch? Ein mächtiger Militär weicht nun von Obamas Linie ab.

Von Johannes Kuhn, San Francisco

Keine amerikanischen Bodentruppen im Kampf gegen den "Islamischen Staat". So lautet das Versprechen von US-Präsident Barack Obama, abgegeben in seiner Rede vergangene Woche. Nun macht jedoch sein oberster Soldat deutlich: So einfach wird es nicht.

Er sei überzeugt, dass die eingeschlagene Strategie richtig sei, erklärt General Martin E. Dempsey, der Chairman of the Joint Chiefs of Staff, vor dem Verteidigungsauschuss des US-Senats, um dann jedoch ein großes "Aber" hinterherzuschicken: "Wenn sie sich als nicht richtig herausstellen sollte und es eine Bedrohung der Vereinigten Staaten gäbe, dann würde ich natürlich zum Präsidenten gehen und eine Empfehlung abgeben, die den Einsatz amerikanischer Bodentruppen einschließen würde." Obama habe ihm zugesichert, er dürfe "in Einzelfall-Entscheidungen" auf ihn zukommen.

Die Botschaft dürfte im Weißen Haus mit Verwunderung aufgenommen und als Retourkutsche interpretiert werden: Wie die Washington Post jüngst berichtete, hatten US-Generäle unter Dempseys Führung Obama zum Einsatz von Spezialeinheiten im Irak gedrängt.

Alles, nur nicht George W. Bush sein

Der Präsident hatte dies abgelehnt, weil Bodentruppen im Kampf gegen die IS-Miliz eine Neuauflage des Irakkriegs signalisieren könnten. Stattdessen stockte er das amerikanische Militärberater-Kontingent im Irak auf 1600 Soldaten auf.

Nun ist Dempseys Meinung jedoch in der Welt und Obama-Sprecher Josh Earnest sieht sich zur Klarstellung gezwungen: "Der Präsident hat klargemacht, was seine Position ist", erklärt er, es handele sich bei den Aussagen des Generals um ein "hypothetisches Szenario".

Nun ist bekannt, dass Obama und seine Generäle ein gespanntes Verhältnis pflegen: Die Militärführung stört sich daran, dass der Präsident allzu schnell Optionen ausschließt; Obama wiederum möchte alles tun, um nicht als nächster George W. Bush in die Geschichte einzugehen und seinem Nachfolger ein in Kriege verwickeltes Land zu hinterlassen.

Eine Koalition, die Fragen offenlässt

Allerdings rückt die Bodentruppen-Debatte eine Frage in den Mittelpunkt, die derzeit in Verteidigungskreisen intensiv diskutiert wird: Werden die USA wirklich nur eine unterstützende Rolle im Kampf gegen den IS spielen können? Oder führt die Hilfe für fragile Gruppen wie die irakische Armee und die moderate syrischen Opposition nicht mittelfristig zu militärischem Engagement weit über die angekündigten Lufteinsätze hinaus?

"Am Ende ist es ihr Kampf", sagte Verteidigungsminister Chuck Hagel während seines Auftritts in der Senatsanhörung und spielte damit auf Irak, aber auch Nachbarländer wie Saudi-Arabien, Ägypten, Jordanien oder die Türkei an, die vom IS am stärksten bedroht sind und sich deshalb an der Mission beteiligen sollen.

Wie genau die Rolle der Regionalmächte und anderer Länder der Anti-IS-Koalition aussehen wird, ist allerdings weiterhin unklar. Zwar gibt es diverse vage Absichtserklärungen, doch außer Frankreich und Australien hat bislang niemand seine direkte Beteiligung an Militäreinsätzen zugesagt. Mit Iran sitzt ein wichtiger Akteur aus diplomatischen Gründen nicht am Tisch, Syriens Assad-Regime hat angesichts seines brutalen Vorgehens im Bürgerkrieg keine Rolle.

Saudi-Arabien will dem Vernehmen nach die moderaten Kämpfer der Freien Syrischen Armee (FSA) trainieren, doch dies könnte nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums über ein Jahr Zeit in Anspruch nehmen - und das äußerst konservative Königreich steht im Verdacht, mit der Unterstützung religiös angehauchter FSA-Splittergruppen seine ganz eigene Agenda zu verfolgen.

"Sie passen auch auf Wölfe auf"

Der gut informierte saudische Journalist Jamal Khashoggi rechnet damit, dass die Mächte der Region die Entscheidung über eine konkrete Beteiligung noch lange hinauszögern werden, weil jeder seine eigenen Interessen habe. "Die Vereinigten Staaten passen nicht nur auf Katzen, sondern auch auf Wölfe, Hasen, Chamäleons und vielleicht ein paar Schafe auf", umschreibt er die Koalition der Regionalmächte, die Obama sich wünscht.

Und Thomas Lippman vom Think-Tank "Middle East Institute" weist darauf hin, dass am Ende kein Land im Nahen Osten ein Interesse daran habe, nach einer Vertreibung des IS die verbliebenen islamistischen Terrorzellen in das eigene Gebiet einsickern zu sehen.

John Kerry vor dem Senatsausschuss

Die Anti-IS-Mission könnte deshalb schon in der ersten Phase eine äußerst komplizierte Angelegenheit werden. "Es mag eine bittere Pille sein, aber es gibt keine militärische Lösung", erklärte Amerikas oberster Soldat Dempsey während seines Auftritts vor den Senatoren.

Am heutigen Mittwoch wird Außenminister John Kerry nach der Rückkehr von seiner Verbündetensuche vor dem Außenausschuss des Senats erwartet. Dort soll er den politischen Teil der Lösung erklären.

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