Aktionstag für Verkehrssicherheit:Was Sie über den Blitzmarathon wissen müssen

Radarkontrolle der Polizei

Blitzmarathon: Von Donnerstag, sechs Uhr, an kontrolliert die Polizei deutschlandweit an etwa 7000 Messstellen die Geschwindigkeit.

(Foto: Ronald Wittek/dpa)
  • Am Donnerstag, von sechs bis 24 Uhr, findet der nächste Blitzmarathon statt. Neben Deutschland nehmen 21 weitere EU-Staaten teil.
  • Mehr als 13 000 Polizisten kontrollieren an etwa 7000 Kontrollstellen die Geschwindigkeit von Auto- und Motorradfahrern.
  • Die Wirkung der öffentlichkeitswirksamen Aktion ist sehr umstritten.

Von Thomas Harloff

Wer am Donnerstag, den 16. April, mit dem Auto oder Motorrad unterwegs ist, sollte den Tacho noch intensiver im Blick behalten als ohnehin schon. Gemeinsam mit kommunalen Mitarbeitern überwachen mehr als 13 000 Polizisten an etwa 7000 vorab bekanntgegebenen Stellen, ob dort die vorgeschriebenen Geschwindigkeiten eingehalten werden. Dabei setzen sie mobile und feste Radarfallen sowie Laserpistolen ein oder nutzen allgemeine Verkehrskontrollen.

Erstmals bleibt die Aktion nicht auf Deutschland beschränkt. Insgesamt beteiligen sich 22 Länder mit etwa 100 000 Polizisten am Blitzmarathon. "Bei der Verkehrssicherheit zieht Europa an einem Strang", sagt Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD), dessen Ministerium auch diesmal wieder federführend beteiligt ist.

Wann startet und endet der Blitzmarathon?

Los geht es um sechs Uhr morgens. Anders als in den Vorjahren wird die Aktion in Deutschland aber nicht 24 Stunden dauern, sondern schon um Mitternacht enden. Aus Rücksicht auf die zentrale Trauerfeier für die Opfer des verunglückten Germanwings-Fluges im Kölner Dom am Freitagmittag schlug Nordrhein-Westfalen vor, den Blitzmarathon sechs Stunden früher enden zu lassen. "Wir wollen, dass der 17. April als Tag der Trauer gilt und nicht von einem anderen Thema überlagert wird", sagte ein Sprecher des Innenministeriums. Gewöhnliche Geschwindigkeitskontrollen können aber natürlich weiterhin stattfinden.

Wie im vergangenen Jahr wird Bayern nicht nur am Tag des Blitzmarathons, sondern von Donnerstag an eine ganze Woche lang verstärkt Jagd auf Temposünder machen. Dagegen ist Schleswig-Holstein diesmal außen vor, weil zu viele Polizeikräfte wegen des Treffens der G7-Staaten in Lübeck am Dienstag und Mittwoch gebunden sind.

Was ist der Hintergrund dieser Aktion?

In den EU-Ländern starben 2014 etwa 25 700 Menschen bei Verkehrsunfällen. In Deutschland kamen im vergangenen Jahr 3368 Menschen im Straßenverkehr ums Leben - 29 mehr als 2013. "Geschwindigkeit ist überall der Killer Nummer eins", sagt Ralf Jäger über die häufigste Unfallursache. Einer Polizeistatistik zufolge stirbt in Deutschland alle sieben Stunden ein Mensch bei einem sogenannten "Raserunfall". Bei 42 Prozent aller tödlichen Verkehrsunfälle ist überhöhte Geschwindigkeit die Ursache.

Die Polizei will Auto- und Motorradfahrer über die hohe Aufmerksamkeit für den Blitzmarathon nachhaltig zu langsamerem Fahren motivieren. Außerdem setzt sie auf Dialog und will möglichst oft mit den erwischten Verkehrssündern ins Gespräch kommen. "Unser Ziel ist, das Problembewusstsein der Autofahrer für zu hohe Geschwindigkeit zu schärfen", sagt Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Außerdem sollen Pendler sensibilisiert werden, ihren Tacho besser im Blick zu behalten, weil sie jederzeit und an jedem Ort mit zu hoher Geschwindigkeit gemessen werden können. Viele Autofahrer würden gedankenlos zur Arbeit fahren und durch den Blitzmarathon wieder auf ihr Tempo schauen, sagt ein Sprecher des bayerischen Innenministeriums.

Wirkt sich der Blitzmarathon wirklich positiv aus?

Eine konzertierte und lediglich 18 Stunden umfassende Aktion wie der Blitzmarathon wirkt nur kurzfristig. Darin sind sich Verkehrspsychologen einig. Notorische Verkehrssünder würde man damit nicht erreichen. Bei ihnen helfe nur ein ständiger Kontrolldruck, der aber nicht aufrechtzuerhalten sei, so die Experten. Ralf Jäger sieht dagegen Fortschritte im Kampf gegen Raser: "Auswertungen in den Polizeibehörden zeigen, dass auch zwischen den Blitzmarathons langsamer gefahren wird", sagte Nordrhein-Westfalens Innenminister bei der letzten Aktion im September 2014.

Unter den Automobilclubs sind die Meinungen zum Blitzmarathon gespalten. Der ADAC sieht in der Aktion das Positive: "Es wird transparent und ausreichend angekündigt, wo Messstationen aufgestellt werden", sagte ein Sprecher. Der Blitzmarathon sei eine Möglichkeit, das wichtige Thema der Raserei wieder auf das Tablett zu bringen. Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) ist skeptischer. Eine Sprecherin sagte: "Kontrollen, die jedes halbe Jahr stattfinden, bringen wenig. Um die Sicherheit im Verkehr langfristig zu erhöhen, muss mehr getan werden."

Wie argumentieren die Kritiker?

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hält wenig von der Maßnahme. Der Effekt sei zu gering und viele andere polizeiliche Aufgaben blieben aufgrund des hohen Personaleinsatzes liegen. Andere Kritiker merken an, dass Autofahrer durch dessen öffentliche Wahrnehmung unter Generalverdacht gestellt würden, potenzielle Raser zu sein. Beim Blitzmarathon handele es sich einzig um eine inszenierte PR-Maßnahme, lautet ein weiterer Kritikpunkt. Trotz Ankündigung der Messstellen steht auch der Vorwurf der Geldschneiderei auf Kosten des Autofahrers im Raum. Zudem werde angeblich nicht an Unfallschwerpunkten, sondern an willkürlich ausgesuchten Orten kontrolliert.

Um dieses Argument zu entkräften, sind die Behörden bemüht, die Geschwindigkeit vor allem an gefährlichen Stellen zu überwachen. So richtet die Berliner Polizei ihre wechselnden Kontrollstellen vornehmlich vor Kindertagesstätten, in Wohngebieten oder an Unfallschwerpunkten ein. Ihre Brandenburger Kollegen riefen die Bürger im Vorfeld des Blitzmarathons dazu auf, sogenannte "Wutpunkte" zu identifizieren. 1400 Menschen meldeten daraufhin Stellen, die aus ihrer Sicht besonders gefährlich sind. Etwa 300 von ihnen will die Polizei zusammen mit den beteiligten Kommunen beim Blitzmarathon berücksichtigen. Auch in anderen Regionen Deutschlands, zum Beispiel in Düsseldorf und Hamburg, konnten die Bürger die Polizei auf aus ihrer Sicht gefährliche Stellen hinweisen.

Wie lief der letzte Blitzmarathon?

Beim zweiten bundesweiten Blitzmarathon am 18. und 19. September 2014 wurden etwa drei Millionen Auto- und Motorradfahrer kontrolliert. 93 000 fielen mit zu hoher Geschwindigkeit auf - 10 000 mehr als im Jahr zuvor. Allerdings stellte die Polizei deutlich weniger gravierende Tempoverstöße als 2013 fest. Unrühmlicher Spitzenreiter war ein Fahrer in Reutlingen (Baden-Württemberg), der mit Tempo 238 statt der erlaubten 100 km/h unterwegs war.

Woher stammt die Idee?

Sie ist eine Reaktion der nordrhein-westfälischen Polizei auf die dortige Zunahme der Verkehrstoten im Jahr 2010. Im Februar 2012 fand der erste Blitzmarathon in NRW statt, fünf weitere folgten. Im Oktober 2013 wurde die Aktion erstmals auf ganz Deutschland ausgeweitet. Fast 15 000 Beamte kontrollierten an 8600 Messstellen etwa drei Millionen Auto- und Motorradfahrer. 83 000 waren mit zu hohem Tempo unterwegs.

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