Zahlmodelle im Netz:Neu am digitalen Kiosk

Illustration zu Bendle und Readly

Zwischen 10 und 80 Cent kosten Artikel bei Blendle derzeit. Wie im Tante-Emma-Laden erwirbt man jeden Text einzeln. Illustration: Stefan Dimitrov

(Foto: SZ/Stefan Dimitrov)

Wie bringt man junge Leute dazu, im Internet Geld für Journalismus auszugeben? Die Erfinder der Dienste Blendle und Readly haben da ein paar Ideen.

Von Niklas Hofmann

Der 1618 in Amsterdam erschienene Courante uyt Italien, Duytslandt, &c. gilt als die weltweit erste Zeitung, die im Broadsheet-Format herauskam. Die Niederländer blicken also auf eine durchaus stolze Tradition darin zurück, Journalismus innovativ verpackt an den Mann zu bringen. Nachdem zuletzt der Erfolg des Abonnementmodells von De Correspondent Schlagzeilen machte, dem hier in Deutschland die "Krautreporter" nacheifern wollen, erweisen sich die Niederlande gerade auch mit einem anderen Dienst als Innovationslabor des digitalen, und vor allem bezahlten, digitalen Journalismus. Blendle heißt dieser Service, dessen Gründer ihre Variante einer Bezahlschranke gern als "Bezahldeich" titulieren.

Blendle versteht sich als elektronischer Zeitungs- und Zeitschriftenkiosk, an dem man statt der gewohnten Inhaltsbündel jeden Artikel einzeln erwerben kann. Es geht dabei ausschließlich um Inhalte gedruckter Medien, nicht um die Online-Ausgaben. Die Preise für ihre Artikel, derzeit zwischen 10 und 80 Cent, legen die Verlage selbst fest; neue Nutzer bekommen ein Guthaben von 2,50 Euro geschenkt.

Die Seite selbst hat drei Funktionalitäten: Man kann Vorschauausgaben der Medien durchblättern und dort einzelne Texte aufrufen; sich über eine Suchfunktion Artikel zu bestimmten Themen zusammenstellen, und auch einen Alarm für neue Treffer setzen; oder wie in einem Sozialen Netzwerk Artikel teilen oder Empfehlungen anderer folgen. Nach einer Testphase ist Blendle Ende April offiziell an den Start gegangen, inzwischen hat der Service 110 000 angemeldete Nutzer, von denen gut 20 000 mit ihrem eigenen Geld gezahlt haben. Das habe die Erwartungen weit übertroffen, sagt der 27-jährige Mitgründer Marten Blankesteijn. Aus deutscher Sicht besonders bemerkenswert ist, dass zum Start des Services gleich alle relevanten Printmedien und Verlagshäuser mit an Bord waren.

Macht jeder Verlag quasi seinen eigenen kleinen Laden auf - oder schließt man sich zusammen?

Auch bei Bart Verkade, dem geschäftsführenden Redakteur der Mediengruppe De Persgroep Nederland, zu der die Tageszeitungen AD, De Volkskrant, Trouw und Het Parool gehören, war die anfängliche Skepsis groß. Inzwischen hält er die Neugründung für einen "fantastischen Service und wirklich innovativ", auch wenn die Summen, die sein Verlag damit bislang verdiene, noch "winzig klein" seien. Er sieht es als Experiment im Kampf um junge Leser. "Manche Leute wissen nicht mal, dass der Spiegel etwas anderes ist als Spiegel Online. Und einige von denen werden so herausfinden, dass Zeitschriften und Zeitungen auch interessant sind", sagt Gründer Blankesteijn. Solche bisherigen Nichtleser, ein Drittel von ihnen unter 30, erschließt Blendle als Zielgruppe.

Eines der Mittel, um deren Hemmschwelle zu senken, ist eine Geld-zurück-Garantie, wenn einem ein Artikel nicht gefallen hat. "Die Verlage hatten Angst davor", sagt Blankesteijn, aber man sehe, dass nur in drei Prozent der Fälle davon Gebrauch gemacht werde.

Readly folgt dem Spotify-Modell

Der schwedische Service Readly geht einen ganz anderen Weg als Blendle. Wenn sich die Niederländer mit ihrem Zahlmodell pro Text als "iTunes für Journalismus" verstehen, so folgt Readly dem Modell Spotify. Für ein Abonnement von 9,99 schwedischen Kronen, in Großbritannien 9,99 Pfund und 9,99 Dollar in den USA, bekommt der Readly-Nutzer einen Flatrate-Zugang zu derzeit mehr als 500 Zeitschriftentiteln. Die kann er dann als E-Paper im PDF-Format auf Tablets, Smartphones oder Computer herunterladen. Sieben bis acht Magazine soll der Readly-Nutzer angeblich im Monat lesen, mehr als er es sonst offline täte. Gründer Henrik Barck hält die Investitionen der Verlagshäuser in eigene Apps und Bezahlsysteme vor allem für verschwendetes Geld: "Das ist, als ob jeder Verlag für jeden Titel einen eigenen Laden Unter den Linden aufmacht und Sie da jedes Mal um Ihre Kreditkarte bittet."

Nutzerzahlen gibt Readly nicht heraus, man selbst sei aber mit dem Wachstum sehr zufrieden, und Schwedens Verlagen gehe das ähnlich, erklärt Vorstandschef Per Hellberg, vor allem auch wegen der fast doppelt so hohen Verweildauer der Nutzer wie bei den Printausgaben. Gerade damit lockt Readly die Medienhäuser: Setzt das werbefreie Blendle allein auf den neuen Einnahmekanal der Artikelverkäufe, kann Readly dem kriselnden Anzeigengeschäft neue Aufmerksamkeit versprechen - neben der prozentualen Beteiligung an den Abo-Gebühren. Für die Verlage spannende, aggregierte Zahlen zum Nutzungsverhalten erheben beide Dienste.

Im letzten Quartal nach Deutschland

Aus Sicht der Blendle-Macher ist es zeitgemäßer, das Bündel der Zeitung aufschnüren und individuelle Artikel teilen zu können. Das Readly-Modell mit den fixen PDFs halten sie für zu starr. Nette Jungs seien die Holländer, meint hingegen Readly-Gründer Henrik Barck, "aber da sind wir verschiedener Ansicht." Journalismus, Magazinjournalismus zumal, liefere Unterhaltung, mit der man sich doch entspannt zurücklehnen wolle: "Ich glaube nicht, dass Otto Normalverbraucher seine Zeitschriften selbst zusammenstellen will."

Ob das auch hierzulande gilt, will Readly noch in diesem Jahr herausfinden. Für einen Deutschlandstart soll es einen Termin im letzten Quartal geben. Deutsche Verlagspartner seien an Bord. Welche, will man noch nicht verraten, Schwergewichte seien dabei. Denn, betont Vorstandschef Per Hellberg, "wir gehen nicht an den Start, wenn wir nicht eine gewisse Reichweite haben." Erstmal werden die deutschen Kunden für die wohl wieder magische Zahl von diesmal 9,99 Euro nur Zeitschriften bekommen, langfristig schielt Readly aber auch auf den Zeitungsmarkt.

Den haben auch die Blendle-Macher im Blick. Um profitabel zu werden, müssen sie zwangsläufig in andere Märkte expandieren, erklärt Marten Blankesteijn. Deutschland liege da besonders nahe. "Aber nur, wenn uns die Verleger dort wollen." Freundliche Gespräche mit Verlagen hat es schon gegeben, aber noch ist keine Kooperation greifbar. Vielleicht müsse man für einen Deutschland-Start aber auch gar nicht alle Verlage an Bord haben, meint Blankesteijn: "iTunes hatte am Anfang schließlich auch die Beatles nicht."

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