Medhi Benatia beim FC Bayern:Finsterer Feger

FC Bayern Mehdi Benatia

Robuste Zweikampfführung: Mehdi Benatia, r, Zugang beim FC Bayern.

(Foto: AFP)

Medhi Benatia erhält nach seinem Debüt beim FC Bayern viel Lob. Der angeblich 32 Millionen Euro teure Verteidiger verbindet gegen Manchester City Mertesacker-Pässe mit Borowka-Zweikämpfen - und geht erkennbar keinem Konflikt aus dem Weg. Doch noch wird gerätselt, wie stark Benatia wirklich ist.

Aus dem Stadion von Thomas Hummel

Matthias Sammer spricht gerne über die Psychologie, die seiner Meinung nach einem Fußballspiel innewohnt. Er verwendet dann Formulierungen wie "die grundsätzliche Stabilität der Mannschaft" oder "das Bild insgesamt, das wir gezeigt haben". Schon der Spieler Sammer war der Meinung gewesen, dass man den Gegner mit mehr beeindrucken müsse als einem gerade getretenen Pass. Deshalb verwundert es nicht, dass der Sportdirektor Sammer von seinem neuen Einkauf recht angetan ist.

Auch die allerletzten Zweikämpfe am Mittwochabend bestritt Medhi Benatia energisch und mit finsterem Blick. Als er nach seinem ersten Pflichtspiel für den FC Bayern München aus der Kabine schlenderte, schenkte er den wartenden Fragestellern zunächst keine Beachtung, er hatte einen Knopf im Ohr und vertiefte sich in sein Smartphone. Als einige Reportergäste aus der arabischen Welt den Marokkaner fast flehentlich um ein paar Worte baten, sah er unter seiner Baseballkappe mürrisch auf und winkte mit kurzen Handbewegungen ab. Nein, danke, keine Lust. Benatia verschwand in die Nacht, die Gäste blieben leicht verzweifelt zurück.

Andere redeten nach dem 1:0 gegen Manchester City gerne über den neuen Mitspieler in der Innenverteidigung. Sammer zum Beispiel: Der Sportdirektor bewertete Ausstrahlung, Präsenz und Passspiel Benatias als gut. Er legte eine Atempause ein, um dann eine aus seiner Sicht besonders wertvolle Kunst des Innenverteidigers hervorzuheben: "Er fegt dazwischen, wenn es sein muss. Das hat man zwei-, dreimal gesehen."

Der 27-Jährige aus dem Süden von Paris hat einen gewissen Ruf mitgebracht nach München. Als sich sein Wechsel vom AS Rom Ende August abzeichnete, flogen Berichte von Italien nach Bayern, dieser Abwehrspieler sei einer der härteren Art. Ohne Rücksicht auf Verluste bestreite er bisweilen seine Duelle und habe einen Hang dazu, seine Gegner mit allen möglichen Mitteln einzuschüchtern. In einem Interview mit dem Kicker bestätigte Benatia seinen Leumund.

Er sei generell ein zurückhaltender, freundlicher und respektvoller Mensch, hatte er dort gesagt. "Aber wenn ich spiele, kenne ich keine Freunde. Auf dem Platz bin ich unerbittlich und werde eklig. Dann zählen nur mein Team, meine Kollegen und der Sieg. Nach der Partie freue ich mich, mit dem Gegner abzuklatschen, aber in der Zeit davor bin ich ein anderer. Da vergesse ich alles."

Dass er allerdings auch abseits des Platzes bisweilen nicht ohne Konflikte auskommt, schimmerte in diesem Interview ebenfalls durch. Benatia behauptete, dass ihn der AS Rom nach München verkauft hätte, weil der Klub Geld brauche. Er selbst habe eigentlich bleiben wollen. Das rief bei den Verantwortlichen der Associazione Sportiva Roma erheblichen Unmut hervor.

Viel Müll aus Rom

Plötzlich war die römische Lässigkeit dahin, Präsident James Palotta und Sportdirektor Walter Sabatini warfen ihrem Ex-Spieler noch einiges an verbalem Müll hinterher. Nach ihrer Version der Geschichte hatte sich der Klub mit Benatia noch im Juli auf eine Gehaltserhöhung verständigt, der Marokkaner informierte daraufhin Trainer und Mitspieler über seinen Verbleib. Sabatini hielt ihm gar vor, nach dem Eingang des Münchner Angebots mit lascher Arbeitshaltung einen Abschied provoziert zu haben: "Der Monolith ist zusammengebrochen. Er hatte nicht mehr dieselbe Motivation, er war nicht mehr der Spieler, den wir so geschätzt hatten."

Der römische Sportdirektor nannte sogar den Preis, den der FC Bayern bezahlt haben soll für Benatia: 28 Millionen Euro plus vier Millionen Euro Boni, was noch einmal zwei Millionen mehr wären als zunächst kolportiert wurde. Ein stolzer Preis, über den sich viele in der Branche wundern und der in der Hauptsache mit dem Münchner Handlungsbedarf wegen akuter Verletztenmisere zu erklären ist. Die Bayern benötigten nach dem Kreuzbandriss von Javi Martínez noch einen guten Abwehrspieler.

Nach der abermaligen Blessur von Holger Badstuber schickte Trainer Pep Guardiola seinen Neuen nun gegen Manchester City zum ersten Mal auf den Platz. Dabei hatte Benatia wegen einer Wadenverletzung zuvor nur wenig mit der Mannschaft trainiert.

Dass neben ihm auf der rechten Defensivseite Rafinha spielte, der nach einer Verletzung nur einmal im Teamtraining dabei gewesen war, verblüffte dann doch. Guardiola erklärte dazu: "Manchmal macht der Kopf den Unterschied." Herz und Einstellung sollten die mangelnde Fitness überspielen, was in beiden Fällen passabel gelang.

Das Münchner Publikum sah dabei einen neuen Innenverteidiger, der im Mertesacker-Stil kurze, gefahrlose Pässe aus der Abwehr spielte. Der ein paar Mal im Uli-Borowka-Stil zur Sache ging, in der ersten Halbzeit gegen den City-Stürmer Edin Dzeko allerdings recht machtlos wirkte. Benatia spielte deutlich auf Ankommen in einem neuen Umfeld ohne Risiko oder Experimente.

Dass die Engländer in der zweiten Halbzeit das Tempo nicht mehr mitgehen wollten oder konnten, kam ihm merklich entgegen. Schon nach etwa 70 Minuten begann sich Benatia abseits des Spielgeschehens heimlich zu dehnen. Nach 85 Minuten war dann Schluss, für ihn kam Dante. Es gab warmen Applaus von den Rängen. Auf dem Weg zum Stadionausgang erkannten die Beobachter später einen leicht humpelnden Gang, der Neuling hatte an die Grenzen seines Körpers gehen müssen.

Kapitän Philipp Lahm lobte wie Sammer Benatias Vorzüge: "Er ist aggressiv, hat ein gewisses Tempo und Ruhe am Ball." Ein bisschen konnte Benatia dabei froh sein, dass er mit Jérôme Boateng einen Nebenmann in WM-Final-Form vorfand. Wurde es heikel, räumte er das Problem beiseite. So darf nach diesem ersten Einsatz noch ein wenig gerätselt werden, wie stark der neue 32-Millionen-Mann wirklich ist.

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